Edelsteinverarbeitung und Schmuckindustrie in Idar-Oberstein

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Fachsicht(en): Landeskunde
  • Historische Fotografie eines Steinschleifers aus dem Idar-Obersteiner Stadtteil Idar (um 1910)

    Historische Fotografie eines Steinschleifers aus dem Idar-Obersteiner Stadtteil Idar (um 1910)

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  • Historische Fotografie eines Steinschneiders aus dem Idar-Obersteiner Stadtteil Idar (um 1910)

    Historische Fotografie eines Steinschneiders aus dem Idar-Obersteiner Stadtteil Idar (um 1910)

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  • Auch Diamenten wurden in Idar-Obersteiner in Diamantschleifereien geschliffen, wie hier in Idar (um 1910)

    Auch Diamenten wurden in Idar-Obersteiner in Diamantschleifereien geschliffen, wie hier in Idar (um 1910)

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  • Historische Fotografie eines Steingraveurs und eines Achatborers aus dem Idar-Obersteiner Stadtteil Idar (um 1910)

    Historische Fotografie eines Steingraveurs und eines Achatborers aus dem Idar-Obersteiner Stadtteil Idar (um 1910)

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  • Historische Fotografie zweier Steinschleifer aus Idar-Oberstein (frühes 20. Jh.)

    Historische Fotografie zweier Steinschleifer aus Idar-Oberstein (frühes 20. Jh.)

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  • Historische Fotografie aus dem Inneren der Metallwarenfabrik Ziemer und Söhne in Idar-Oberstein (1958)

    Historische Fotografie aus dem Inneren der Metallwarenfabrik Ziemer und Söhne in Idar-Oberstein (1958)

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  • Darstellung verschiedener historischer Berufe aus der Edelsteinbearbeitung in Idar-Oberstein (um 1910)

    Darstellung verschiedener historischer Berufe aus der Edelsteinbearbeitung in Idar-Oberstein (um 1910)

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  • Arbeiter der Lapidärschleiferei C. F. Arnoldi in Idar (1950er Jahre)

    Arbeiter der Lapidärschleiferei C. F. Arnoldi in Idar (1950er Jahre)

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Durch große Vorkommen an Achatsteinen und weiteren Mineralien und Halbedelsteinen entwickelte sich in Idar-Oberstein bereits vor Jahrhunderten eine florierende Edelstein- und Schmuck verarbeitende Industrie. Noch heute haben sich Spuren erhalten, die den Weg vom Abbau des Rohstoffes in den Edelsteinminen am Steinkaulenberg, über die Verarbeitungsstätten Wasserschleifen (exemplarisch dafür die Historische Weiherschleife am Idarbach) bis hin zu den Ausstellungshallen (Gewerbehalle) und Museen (Deutsches Edelsteinmuseum und Deutsches Mineralienmuseum) nachvollziehbar werden lassen.

Die Verarbeitung heimischer und eingeführter Mineralien
Die lokalen Steinschleifen und ihre Entwicklung
Das Handwerk des Steinschleifers
Diamanten
Anfänge der Modeschmuckindustrie
Galanteriewaren
Die Produktion von Uhrketten
Berufe in der „unechten Bijouterie“
Die maschinelle Fabrikation
Material für die Modeschmuckindustrie
Entwicklung der Modeschmuckindustrie in Idar-Oberstein
Forschung und Lehre
Heutiger Umgang mit dem kulturellen Erbe
Quellen / Internet


Die Verarbeitung heimischer und eingeführter Mineralien
In der Umgebung von Idar-Oberstein wurde seit Jahrhunderten Achat in heimischen Bergwerken und Minen - beispielsweise den Minen Steinkaulenberg - abgebaut und in den wassergetriebenen Schleifen verarbeitet. Erhalten hat sich von den einst 57 Schleifen am Idar-Bach lediglich die Historische Weiherschleife. Bei dem in der Region abgebauten Material handelt es sich um ein früher als Halbedelstein bezeichnetes Mineral. Als Halbedelsteine galten Schmucksteine, die sowohl aufgrund ihres häufigen Vorkommens als auch der geringen Härte als nicht wertvoll erachtet wurden. Traten sie jedoch in ungewöhnlicher Färbung auf, wie es in der Region um Idar-Oberstein der Fall war, wurden sie bereits in der frühen Neuzeit nicht nur als Schmucksteine geschätzt, sondern auch zu Schalen, Bechern, Tabakdosen und Galanteriewaren aller Art verarbeitet. Die Einfuhr großer Mengen von Achat aus Brasilien seit Mitte des 19. Jahrhunderts und Kenntnisse in der Kunst des Steinfärbens, schafften die Voraussetzungen, um überregional mit einem großen Volumen von Achatprodukten an den Markt zu gehen. Der Achat wurde damit zu einem wichtigen Material der aufkommenden Galanterie- und Bijouteriewarenindustrie, beispielsweise der Firma Jakob Bengel.

Die lokalen Steinschleifen und ihre Entwicklung
Seit dem 15. Jahrhundert wurden die Edelsteine in den Werkstätten entlang der Nahe und des Idarbaches mit wasserbetriebenen Rädern bearbeitet. Die letzte verbliebene Mühle des Idarbaches, die Kallwiesweiherschleife in Tiefenstein, blieb mit Unterbrechungen bis 1945 in Betrieb und wurde 1997 als „Historische Weiherscheife“ für die Öffentlichkeit wiedereröffnet. 1520 wurde der erste Schleifer in Oberstein erwähnt. Die erste Achatschleifermühle in Oberstein wurde 1531 dokumentiert. Das Achatbohrergewerbe kam um 1600 auf und die ersten beiden Achatschleifen in Idar wurden ab 1680 errichtet. Die in den 1890er Jahren eingeführten Dampf-Wasserkraft-Schleifen hielten sich nur kurze Zeit. Mit dem Aufkommen der Elektrizität Mitte des 19. Jahrhunderts begann der Elektromotor die wasserbetriebenen Schneidräder der Flussmühlen zu ersetzen und förderte die Entwicklung moderner Schneidgeräte. Die Elektrizität hatte den weiteren Niedergang der Bachschleiferei zufolge. Schleifer richteten zu Hause eine eigene Werkstatt ein. Die Zahl der Wasserschleifen wurde um fast 50% reduziert.
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Das Handwerk des Steinschleifers
Jeder Schleifer hatte sein eigenes, streng geheim gehaltenes Rezept, um Achat und Jaspis zu färben und damit aufzuwerten. Beim Schwarzbeizen wird der Achat in eine Lösung aus Zucker oder Honig gelegt. Durch Kochen in verdünnter Schwefelsäure wird der Zucker in Zuckerkohle verwandelt und der Stein färbt sich schwarz. Eine Rotfärbung erhält der Achat durch Beizen in Eisensalzlösung. Bei beiden Verfahren bleiben die weißen, weniger porösen Lagen des Achats von dem Färbeverfahren unberührt. Durch den Kontrast wird die natürliche Wirkung der Zeichnung des Achats noch optisch verstärkt. Eine Jaspisvarietät aus Nunkirchen im Saarland, die in ihrer natürlichen Färbung gräulich ist, wurde durch ein Blaufärbeverfahren veredelt. Dazu legte man die Steine in eine lauwarme, gesättigte Lösung aus gelbem Blutlaugensalz und anschließend in eine Lösung aus Eisenvitriol. Unter der Handelsbezeichnung Deutsch Lapis, Swiss Lapis oder auch Nunkirchener Lapislazuli wurde er als ein Imitat des kostbaren Lapislazuli im 19. Jahrhundert sehr beliebt.

Diamanten
Die Lapidärschleiferei aus Böhmen wurde 1871 durch den „Gewerberat“ für das Fabrikwesen eingeführt. Bei der Lapidärschleiferei nutzte man Schleifgeräte für besonders kleine Steine was auch eine Facettierung der Oberflächen ermöglichte. Diese Entwicklung legte den Grundstein für das lokale Diamantschleifergewerbe. Nur wenige Jahre später, 1886, führte die Idarer Firma Phil. Hahn die Diamantschleiferei aus Amsterdam ein. Im Jahr 2001 tagte der „Weltverband der Diamantbörsen“ in Idar-Oberstein. Das Diamant-Prüflabor Idar-Oberstein erhielt durch die Akkreditierung nach einer ISO-Norm in dem Jahr die Kompetenz für die Qualitätsprüfung geschliffener Diamanten. Nach London und Antwerpen wurde Idar-Oberstein im Jahr 2004 als dritte Stadt Sitz einer europäischen Zertifizierungsstelle für Rohdiamanten. Noch heute gibt es mehrere Diamantschleifereien in Idar-Oberstein.
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Anfänge der Modeschmuckindustrie
Innovationen im Bereich der Materialtechnik, der Oberflächenverarbeitung und der maschinellen Fertigung von Halbfabrikaten waren die Voraussetzungen für die wirtschaftliche Erfolgsgeschichte des Modeschmucks im 19. und 20. Jahrhundert. Zahlreiche Obersteiner Fabriken entstanden, die Schmuck und Metallwaren aus kostengünstigen Materialien seriell herstellen und zu günstigen Preisen anbieten konnten. Die gesellschaftlichen Umbrüche im 19. Jahrhundert, bedingt durch die politischen und wirtschaftlichen Veränderungen im Zuge der Industrialisierung, ließen einen neuen Kundenkreis für Schmuck entstehen. Denn die Industrialisierung brachte nicht nur die neue, soziale Schicht des Arbeiters hervor, sondern auch die der Angestellten. Diese auf Dienstleistungsberufen basierende Mittelschicht orientierte sich in ihrem äußeren Erscheinungsbild an den sozial höherstehenden Schichten und suchte sich bewusst von der Arbeiterschaft abzugrenzen. Doch konnte man sich echten Gold- und Silberschmuck nicht leisten und erwarb die kostengünstigere, aber nicht billige „unechte Bijouterie“. Man schmückte sich mit dem Luxus, sich schmücken zu können. Das verwendete Material war nur insofern von Bedeutung, dass es durch die Oberflächenbehandlung des Vergoldens und Versilberns den Vorbildern der Oberschicht möglichst nahekam. Quelle der Inspiration für modisches Auftreten sowie der Herstellung von Modeschmuck wurde das neue Medium der Modezeitschrift. Nach dem Vorbild des Modemagazins Harper's Bazaar, erstmals 1867 in New York in Druck gegangen, entstanden in den europäischen Zentren London, Paris und Berlin Modezeitschriften mit einer für diese Zeit sehr hohen Auflage. Wurde der Modeschmuck in Idar-Oberstein im 19. Jahrhundert als „unechte Bijouterie“ bezeichnet, zeigt der vor dem Zweiten Weltkrieg immer häufiger auftauchende Begriff des „Fantasieschmucks“ ein neues Selbstbewusstsein der Modeschmuckindustrie. Man setzt sich nicht mehr in Relation zum Gold- und Juwelenschmuck, sondern unterstreicht mit der Bezeichnung den Variantenreichtum des Modeschmucks. Herausragendes Beispiel für den Schmuck des Art déco sind die erhaltenen Schmuckstücke aus dem Bestand der Firma Jakob Bengel. Ähnlicher Schmuck wurde von den Obersteiner Firmen Klein & Quenzer und Carl Keller Chr. Sohn gefertigt. Aufgrund der engen wirtschaftlichen Verbindungen der regionalen Firmen nach Paris, kann man davon ausgehen, dass inspirierende Impulse von Entwürfen französischer Schmuckfirmen ausgingen. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass die Ausbildung in der Obersteiner Gewerbeschule, die in den 1920er Jahren im Geist des Werkbundes unterrichtete, die Goldschmiede und Mustermacher beeinflusste.

Galanteriewaren
Die Herstellung von Galanteriewaren war neben der Schmuckproduktion das zweite Standbein der Obersteiner Industrie. Das Wort Galanteriewaren leitet sich von „galanterie“, französisch für „Liebenswürdigkeit“, ab und bezeichnet modische Accessoires aller Art. Dies können Gebrauchsgegenstände (Tabak- und Pillendosen), Ergänzungen der Kleidung (Knöpfe, Gürtel- oder Schuhschnallen, Hutnadeln) sowie Toilettenartikel (Bürsten, Spiegel, Puderdosen) sein. Die Anfänge dieser Entwicklung lagen in einem bereits am Markt etablierten Produkt, den Tabakdosen aus Achat. Der hiesige Achat war aufgrund seiner schönen Färbung und Zeichnung und der verfügbaren Größe sehr beliebt für die Anfertigung von Galanteriewaren. So verlangt die Zunftordnung für Obersteiner Goldschmiede von 1745 für die Meisterprüfung kein Schmuckstück, sondern eine Dose aus gefassten Achatplatten. Die Firmen Gebrüder Schmidt (gegr. 1818) und Gebrüder Stern (gegr. 1898) waren bedeutende Produzenten von Galanteriewaren in Oberstein. Die Geschäftsidee beider Firmen war, sich von Luxusprodukten der großen Kaufhäuser in Paris und London inspirieren zu lassen und diese in unechten Materialien zu imitieren. Es entstanden modische Objekte für den „eleganten Herrn und die elegante Dame“. Im Gegensatz zu ihren Vorbildern bestanden sie nicht aus Gold und Silber, sondern wurden meist in versilbertem Tombak produziert. Die farblichen Akzente setzen statt Edelsteinen, Elfenbein oder aufwendigen Lackarbeiten, die neuen Kunststoffe Bakelit und Galalith. In großer Stückzahl produziert waren sie auch für den aufstrebenden Mittelstand erschwinglich.
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Die Produktion von Uhrketten
Die Fertigung von Uhrketten war neben der Herstellung von Halbfabrikaten und Galanteriewaren ein wichtiger Produktionsbereich in den Anfängen der Obersteiner Schmuckindustrie. Zunächst wurden die Ketten noch zum großen Teil mit der Hand gefertigt: Draht wurde mit Hilfe einer Maschine zu einer Spirale gewickelt. Diese wurde händisch aufgeschnitten, zu Kettenringen geformt, verhängt und verlötet. Ende des 19. Jahrhunderts begannen einige Obersteiner Firmen Kettenmaschinen aus dem Ausland zu importieren. In Oberstein selbst wurde 1902 die erste deutsche Kettenmaschine von dem Mechanikermeister Hauschild konstruiert. Im Industriedenkmal Jakob Bengel können verschiedene historische Maschinen zur Fertigung von Uhrenketten besichtigt werden.

Berufe in der „unechten Bijouterie“
Die Ausrichtung auf die Herstellung „unechter Bijouterie“ machte es notwendig, die Produktion eines Schmuckstückes in einzelne Arbeitsschritte aufzuteilen, um die Kosten zu reduzieren. So wurden Schmuckelemente seriell in Handarbeit und zunehmend maschinell gefertigt. In einem zweiten Schritt fügte man die sogenannten Halbfabrikate zu Schmuckstücken oder Galanteriewaren zusammen. Der Produktionsprozess in der Modeschmuckindustrie verlangt daher nach anderen Berufsbildern als in der klassischen Goldschmiedewerkstatt. Es gab Menschen im Büro, für die Prozesse des Eloxierens, des Galvanisierens, für Goldschmiedetätigkeiten, für Hilfsarbeitern, es gab Lehrlinge, Personen für das Metalldrehen, das Packen, das Pressen und Putzen, für Schlosser- und Schreinertätigkeiten, um Stahl zu gravieren und zu stanzen, zudem Werkzeugmacher und weitere. Aufgrund der Arbeitsteilung wurde die Anstellung ungelernter Arbeitskräfte ermöglicht. Daher waren im Vergleich zu anderen Berufszweigen überdurchschnittlich viele Frauen in der „unechten Bijouterie“ tätig, da sie in dieser Zeit häufig keine weiterführende Ausbildung hatten, aber zum Lebensunterhalt der Familie beitragen mussten. Hinzu kam eine große Zahl an Heimarbeitern - und auch hier vorwiegend Heimarbeiterinnen, die in Handarbeit die unterschiedlichen Produktelemente zu Hause montierten.
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Die maschinelle Fabrikation
Die Fertigung von Uhrketten war neben der Herstellung von Halbfabrikaten und Galanteriewaren ein wichtiger Produktionsbereich in den Anfängen der Obersteiner Schmuckindustrie. Zunächst wurden die Ketten noch zum großen Teil mit der Hand gefertigt: Draht wurde mit Hilfe einer Maschine zu einer Spirale gewickelt. Diese wurde händisch aufgeschnitten, zu Kettenringen geformt, verhängt und verlötet. Ende des 19. Jahrhunderts begannen einige Obersteiner Firmen Kettenmaschinen aus dem Ausland zu importieren. In Oberstein wurde 1902 die erste deutsche Kettenmaschine von dem Mechanikermeister Hauschild konstruiert. Noch heute stehen in der Maschinenhalle von Jakob Bengel über 40 Kettenmaschinen. Die älteste Maschine ist über 100 Jahre alt. Die Obersteiner Firmen investierten bereits im 19. Jahrhundert in industrielle Produktionsmittel und legten damit den Grundstein für die Modeschmuckindustrie in der Region. Zunächst wurden vorwiegend Pressen und Stanzen zur Formgebung des Metalls genutzt. Musterbücher der Firma Gebrüder Schmidt lassen den Schluss zu, dass schon früh mit einfachen Metallgießverfahren wie dem Sandguss gearbeitet wurde. Doch erst der Schleuderguss, Mitte des 20. Jahrhunderts in der industriellen Produktion von Modeschmuck nachweisbar, eröffnete die Möglichkeit komplexe, dreidimensionale Schmuckentwürfe in serieller Fertigung umzusetzen. Der Schleuderguss ist ein Gießverfahren bei dem durch Zentrifugalkraft Metalle im flüssigen Zustand verformt werden. Im Gegensatz zum Pressen konnte auch die Rückseite eines Schmuckteils geformt werden. Zudem lässt der Schleuderguss eine Oberflächengestaltung zu, die an eine handwerkliche Fertigung erinnert. Obersteiner Firmen wie Klein & Quenzer, Ziemer und Söhne oder Christ. Melsheimer Nachf. stehen für den Erfolg des Modeschmucks dieser Zeit.

Material für die Modeschmuckindustrie
Verschiedene Materialien wurden zu Modeschmuck verarbeitet. Neben Metall - meist Messing oder Tombak, später Aluminium - wurden seit der Mitte des 19. Jahrhunderts Kunststoffe in der Modeschmuckindustrie industriell produziert und verarbeitet. Besonders Verbreitet war der halbsynthetische Kunststoff Galalith. Des Weiteren wurden Glassteine aus den Produktionsorten Venedig und Gablonz, das heutige Jablonec in der Tschechischen Republik, zur Verarbeitung importiert.
Kunststoffe erfreuten sich zunehmender Beliebtheit, weil sie sich in vielen Farben einfärben lassen und ein geringes Gewicht aufweisen. Zudem lassen sie sich drehen, bohren, fräsen, prägen und löten. Galalith beispielsweise ist im Gegensatz zum Zelluloid nicht brennbar, dafür polierfähig. Eingefärbt kann es eine Vielzahl von Materialien wie Lapislazuli, Bernstein, Koralle, Elfenbein oder Schildplatt imitieren.
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Entwicklung der Modeschmuckindustrie in Idar-Oberstein
In der Blütezeit waren in Oberstein etwa 5.000 Menschen - einschließlich der Heimarbeiter - in der Schmuck- und Metallwarenindustrie beschäftigt. Heute ist dieser spezielle Industriezweig, der seine Grundlage in der Massenfertigung hatte, aufgrund des weltweiten Wettbewerbs und der veränderten Umweltvorschriften an diesem Standort nicht mehr konkurrenzfähig. Bis in die 1960er Jahre gehörte Oberstein noch zu den führenden Modeschmuckzentren der Welt. Von hier wurden große Mengen an Metallwaren im niedrigen Preissegment exportiert wurden.

Forschung und Lehre
1925 richtete Georg Otto Wild ein Institut (edelsteinkundliches Laboratorium) in der Gewerbehalle ein, in dem er Grundlagenforschung betrieb. Dieses private Institut wurde im Jahre 1936 zum Außeninstitut der Universität Frankfurt/Main. Wild blieb örtlicher Leiter. Die „Deutsche Gesellschaft für Edelsteinkunde“ wurde 1934, ebenfalls durch Georg Otto Wild, gegründet. Im Jahre 1963 erfolgte die Umbenennung in „Deutsche Gemmologische Gesellschaft e.V.“.
Im Jahr 1947 beauftragte der damalige Landrat Heep Professor Schloßmacher ein Edelsteinforschungsinstitut aufzubauen. Das heutige „Institut für Edelsteinforschung“ wurde im Juni 1948 eingerichtet und ist eine Außenstelle der Universität Mainz. Eine gemeinnützige Stiftung des Privatrechts, die „Professor-Dr. Karl-Schloßmacher-Stiftung“, wurde 1969 errichtet. Seit 01.01.1979 heißt diese Stiftung „Deutsche Stiftung Edelsteinforschung (DSEF) - Karl- Schloßmacher-Stiftung“. Eine Fachschule für „Edelstein- und Schmuckgestaltung“ wurde im August 1980 eingerichtet, 1986 gefolgt von der Fachhochschule für „Edelstein- und Schmuckgestaltung“. Diese ist heute an die Hochschule Trier angegliedert. Um Fachkompetenzen zu bündeln, wurden 1999 die „Deutschen Diamant- und Edelsteinlaboratorien“ (DEL) gegründet. Dazu gehören die „Deutsche Gesellschaft für Edelsteinbewertung“, die „Deutsche Gemmologische Gesellschaft“, das „Diamant-Prüflabor“, das „Institut für Edelsteinforschung“, die „Deutsche Stiftung Edelsteinforschung“ und das Forschungsinstitut für mineralische und metallische Werkstoffe Edelsteine/Edelmetalle GmbH (FEE).
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Heutiger Umgang mit dem kulturellen Erbe
Der Schmuck- und Edelsteinpreis wird seit 1970 in Idar-Oberstein verliehen. Im Oktober 1985 eröffnete die INTERGEM - die 1. Internationale Fachmesse für Edelsteine und Edelsteinschmuck in der Stadt. Der 1989 erstmals durchgeführte „Deutsche Nachwuchswettbewerb für Edelstein- und Schmuckgestaltung Idar-Oberstein“ ergänzt den Deutschen Schmuck- und Edelsteinpreis. Auch er wurde geschaffen, um mehr Aufmerksamkeit auf Edelsteine und Schmuck zu lenken und richtet sich an junge Kreative im In- und Ausland. Ebenfalls im Jahr 1989 wurde das Forschungsinstitut für mineralische und metallische Werkstoffe Edelsteine/Edelmetalle GmbH (FEE) gegründet. Gesellschafter sind das Land Rheinland-Pfalz, die Stadt Idar-Oberstein, der Landkreis Birkenfeld und der Bundesverband der Edelstein- und Diamantindustrie. Die „Stiftung Deutsches Edelsteinmuseum“ wurde 1995 ins Leben gerufen. Im Folgejahr bezog das Deutsche Edelsteinmuseum, das sich vorher im Gebäude der Edelstein- und Diamantbörse befunden hatte, das Haus in der Hauptstraße 118 im Stadtteil Idar, in dem es noch heute zu finden ist. Gemeinsam mit dem Deutschen Mieralienmuseum stellt es Preziosen der heimischen Edelsteinverarbeitung aus. Am 17.10.2001 wurde die Jakob-Bengel-Stiftung auf Initiative von Frau Christel Braun (geb. Hartenberger), einer Urenkelin des Firmengründers, ins Leben gerufen. Das Erbe der 1873 gegründeten Firma Jakob Bengel wird auf diese Weise weitergeführt. Das Fabrikgebäude, der Maschinenpark und das Wohnhaus stehen unter Denkmalschutz und durch Einrichtung eines Industriemuseums wird der einstige Fabrikationsbetrieb noch heute zu neuem Leben erweckt. Im Oktober 2012 fand die Gründungsversammlung des Förderverein Deutscher Schmuck- und Edelsteinpreis in Idar-Oberstein statt.


(Thomas Dierks, Industriedenkmal Jakob Bengel Idar-Oberstein; Isabelle Hahn, Stadt Idar-Oberstein, 2022)


Quellen
Stadtarchiv Idar-Oberstein: Daten zur Geschichte der Idar-Obersteiner Schmuckindustrie

Internet
www.jakob-bengel.de: Jakob Bengel Industriedenkmal (abgerufen 23.06.2023)
bv-edelsteine-diamanten.de: Die deutsche Edelstein- und Diamantindustrie auf dem Welt- und Inlandsmarkt (abgerufen 23.06.2023)
www.regionalgeschichte.net: Die Edelsteinbearbeitung in Idar-Oberstein (abgerufen 23.06.2023)
www.wirtschaftsgeschichte-rlp.de: Zeitzeugengespräche zur Geschichte der Schmuck- und Edelsteinindustrie in Idar-Oberstein (abgerufen 23.06.2023)
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Edelsteinverarbeitung und Schmuckindustrie in Idar-Oberstein

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Thomas Dierks (2022), Isabelle Hahn (2022), „Edelsteinverarbeitung und Schmuckindustrie in Idar-Oberstein”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/SWB-345326 (Abgerufen: 29. April 2024)
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