Besitzgeschichte
Der belgische Unternehmer Charles Détillieux mutete zwischen Moitzfeld und Herkenrath 1852 zahlreiche Grubenfelder; das aussichtsreichste benannte er wohl nach dem sächsischen Mineralogen Christian Samuel Weiß (1780-1856). Détillieux fasste seinen Grubenbesitz rechts des Rheins in der „Westerwald-Rheinischen Bergwerksgesellschaft“ zusammen, von der die Grube nach einem Zusammenbruch der Muttergesellschaft 1873 an die neu gegründete „Rheinisch-Nassauische Bergwerks- und Hütten AG zu Stolberg“, noch immer überwiegend in belgischem Besitz, kam. 1874 wurde sie mit der benachbarten, 1855 eröffneten Grube Himmelsglück aus gleichem Unternehmensbesitz zur „Consolidierten Weiss“ zusammengelegt, 1890 mit den inzwischen ebenfalls von der „Rheinisch-Nassauischen“ erworbenen benachbarten Gruben Mariensegen und Leopold von Buch.
Bis 1938 änderte die Muttergesellschaft ihren Namen über „AG für Blei- und Zinkfabrikation“ zur „Stolberger Zink AG. In diesem Jahr wurde das seit 1930 nicht mehr fördernde Unternehmen aufgeteilt und das alte Grubenfeld Mariensegen sowie ein Teil von Leopold von Buch an das belgische Zinkunternehmen der “Vieille Montagne„ abgegeben. In deren Besitz - in Gestalt ihrer deutschen Tochter “Gesellschaft des Altenbergs„ gelangte 1963 auch der Grubenteil “Consol. Weiss„.
2002 gingen die Rechte schließlich an die Nachfolgegesellschaft Umicore über.
Der industrielle Grubenbetrieb
Jedes der einst selbständigen Grubenfelder verfügte, wenn dort erfolgreich nach Erz gegraben wurde, über ein Zechenhaus und eine - wenn auch oft sehr primitive - Schachtförderung. Im Bereich der Grube Weiß ist davon noch der Laveissière-Schacht in Steinacker erhalten, jedoch nicht mehr zugänglich.
Um 1900 wurde am heutigen noch sichtbaren Bergwerksstandort ein neues, eisernes Fördergerüst mit Fördermaschine als Hauptschachtanlage aufgebaut. Hier waren sowohl Erzförderung als auch “Seilfahrt„ für die Bergleute möglich. Um diese Schachtanlage gruppierten sich die Aufbereitung, das noch erhaltene Verwaltungsgebäude mit Magazin sowie die ebenfalls erhaltene Transformatorenstation.
Die Aufbereitung der Grube und die Förderung - bisher durch Dampfkraft aus kohlebeheizten Kesselhäusern und Dampfmaschinen und mit Transmissionsanlagen betrieben - wurden Mitte der 1920er Jahren elektrifiziert, wobei der dazu notwendige Strom nicht mehr vor Ort erzeugt, sondern per Hochspannungsleitung herangeführt und im Transformatorenhaus entsprechend umgespannt wurde. Schon seit 1905 gab es elektrische Beleuchtung im Bergwerk. Der Strom dazu wurde wohl in einem der Maschinenhäuser durch die dort stehenden Dampfmaschinen und eigene Generatoren (mit-)erzeugt. Er reichte aber nicht zum Betrieb größerer Maschinen aus.
Nach dem Ende des Grubenbetriebs
Die 1924 bis 1929 erbaute Flotation (Schwemmaufbereitung) blieb auch über die Schließung des eigentlichen Bergbaubetriebs 1930 in Betrieb. Hier wurde Haldenmaterial der Aufbereitungen der Gruben Weiß, Blücher und Berzelius sowie Ablagerungen aus Klärteichen nochmals verarbeitet und verwertet. In der Nacht vom 15. zum 16. August 1932 kam es dabei zum Dammbruch eines Klärteichs, durch den das gesamte Eschbachtal bis Untereschbach mit einer Flutwelle überschwemmt wurde. Nicht nur kamen zahlreiche Nutztiere ums Leben, die mit giftigen Chemikalien angereicherten Fluten machten auch über Jahre Ackerboden und Wiesen unbrauchbar.
Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Flotation durch Kriegseinwirkung zerstört. Nach dem Krieg transportierte man mehrere LKW-Ladungen Aufbereitungsmaschinen als Reparationen ab. 1947 und 1948 wurden Flotation und Aufbereitung jedoch wieder aufgebaut und mit neuen Maschinen ausgestattet, so dass sie bald wieder in Betrieb gehen konnten. In der Hochpreisphase des Zinks um 1950 wurde auch die erneute Aufbereitung des Halden- und Absetzmaterials intensiv betrieben. Nach Ende dieser Hochkonjunktur wurde am 1. Dezember 1957 auch die Flotation auf Grube Weiß stillgelegt und abgebrochen. 1963 übernahm die Vieille Montagne/Gesellschaft des Altenbergs bzw. ihr Mutterkonzern Umicore als Betreiber des letzten aktiven Bergwerks Lüderich die Förderrechte für den verbliebenen Felderbestand.
Soziale und politische Aspekte des Bergbaus
Aus sozialer und ökonomischer Sicht waren die letzten Betriebsjahre der Grube Weiß geprägt von dem abrupten Übergang von der Kriegswirtschaft des Ersten Weltkriegs mit intensiver Förderung zur Besatzungs- und Nachkriegszeit, in der unterbrochene Verkehrs- und Handelsbeziehungen, Reparationsauflagen, schwache Inlandsnachfrage und eine turbulente politische Lage die Wirtschaft in komplexer Weise beeinflussten. Zunächst mussten bei weiterlaufender Förder- und Verarbeitungsleistung die bis dahin eingesetzten Kriegsgefangenen durch “freie„ Arbeitskräfte ersetzt werden, was nur durch Anwerbung von Bergleuten aus anderen Regionen bis hin zum Ausland, etwa Italien, gelang. Für sie und ihre Familien wurde nicht nur die Siedlung Erlenhof errichtet, sondern auch Schulen und religiöse “Versorgung„ mussten ausgebaut werden - hier kam es zur Einrichtung der Notkirche und späteren “Kapellengemeinde„ Moitzfeld.
Politische Agitation durchdringt in der neuen Weimarer Demokratie weite Teile des Lebens. Parteien, Kirche und Gewerkschaften sind untrennbar miteinander verbunden. Die schwierige ökonomische Lage, insbesondere durch die Hyperinflation 1923, fand in Streiks und Protestversammlungen ihren Ausdruck. So wird auch auf der Grube Weiß mehrfach gestreikt, und besondere Ablehnung erfährt der als “rechtsradikal„ bezeichnete Direktor Mülhau. Während es im Strudel solcher Auseinandersetzungen 1924 zur Schließung der benachbarten Grube Berzelius kommt, bemüht man sich “auf„ Weiß durch Investitionen wie die kostenintensive Elektrifizierung von Förderung und Aufbereitung und deren Ergänzung durch die “experimentelle„ Flotation um Sicherung des Fortbestands der Grube, die allerdings 1929 und 1930 dann doch weitgehend scheitert.
Die eigentlichen Schachtanlagen der Grube Weiß wurden infolge dessen bis auf Verwaltung mit Magazin, Transformatorenhaus und Fördermaschinenhaus bereits 1932 abgebrochen. Aufsehen erregte die am Sonntag, den 12. Juni 1932 erfolgte Sprengung des großen Schornsteins, die zahlreiche Schaulustige anzog.
Während des Zweiten Weltkriegs diente das Werksgelände zeitweise als Stützpunkt einer militärischen Kraftwageneinheit, die dort ihre Fahrzeuge reparierte.
Nutzung des Geländes nach dem Zweiten Weltkrieg
In den 1960er und 1970er Jahren wurde ein Teil des von der damals noch eigenständigen Stadt Bensberg übernommenen ehemaligen Bergwerksgeländes als Müllkippe genutzt. Auf Teilen der alten Halden wurde in den 1970er Jahren die Firma Interatom angesiedelt, aus deren Baukomplex ab 1990 der Technologiepark Moitzfeld entstand.
Ein Gelände mit ehemaligen Absetzteichen wurde in den 1980er Jahren als Naturschutzgebiet ausgewiesen und eingezäunt. Auf einem dort angelegten Rundweg wurde neben der Flora und Fauna auch die Bergbaugeschichte thematisiert.
Um 2020 erwarb ein privater Investor die zum Abbruch vorgesehenen historischen Gebäude und richtete das Verwaltungsgebäude mit Magazin als Atelierhaus und Eventlocation her.
(Alexander Kierdorf, BGV Rhein-Berg, 2025)