Zahlreiche der bis zu 50.000 britischen Soldaten, die während der alliierten Rheinlandbesetzung zwischen 1918 und 1926 in der Domstadt stationiert waren, übertrugen damals ihre Motorradbegeisterung auf viele junge Kölner. Um 1920 kämpften in Köln dann bereits nicht weniger als 18 Motorradhersteller um Marktanteile und während der 1920er-Jahre bestand nahezu die gesamte deutsche Straßenfahrer-Nationalmannschaft aus gebürtigen Domstädtern. Köln war zu einer Rennfahrerhochburg geworden.
Kölner Motorrad- und Maschinenfabrik Franz Becker (KMB)
KMB-Firmenstandorte in Köln und General- und Gebietsvertretungen
KMB-Motorsportaktivitäten
Konkurs und Ende 1925/1926
Lage, Objektgeometrie
Quellen, Internet, Literatur
Kölner Motorrad- und Maschinenfabrik Franz Becker (KMB)
Anfang des Jahres 1922 entstand durch die Umbenennung einer seit 1918 bestehenden Werkzeugmaschinenfabrik das Unternehmen Kölner Motorrad- und Maschinenfabrik Franz Becker (meist abgekürzt KMB bzw. K.M.B.; vgl. Kölnische Zeitung vom 26. Januar 1918 und vom 22. Januar 1922).
„Seit deren Gründung im Januar 1918 war diese in der Siedlung-Bickendorf/Ehrenfeld im Melatener Weg 18 ansässig. Ab September 1918 ändert sich die Anschrift in Köln, Vogelsanger Straße 260. Mit Umfirmierung zur KMB wechselt der Firmensitz zur Lindenstraße 14, die ebenfalls im linksrheinischen Innenstadtbereich von Köln liegt und die 1922 die Adresse der Geschäftsstelle des Clubs für Motorsport e.V. Köln war, bei dem Franz Becker aktiv mitwirkte.“ (motopedia-online.info, Kraus und Grüneboom 2024, vgl. auch nachfolgend)
Zu dem Firmengründer Franz Becker findet sich über entsprechende Recherchen zu etwaigen Lebensdaten, dem Tätigkeitsort Köln, der Firma KMB usw. im Personenkatalog der Deutschen Nationalbibliothek wie auch im Verzeichnis der Deutschen Biographie keine eindeutig zuzuordnende Person. Ein für Franz Becker immer wieder angeführter „Dr.“-Titel geht zudem womöglich einzig auf eine fehlerhafte Lesung von „Fr.“ für Franz zurück (Hinweis Kraus, vgl. ebd.).
[Anmerkung: Anders als häufig dargestellt, hatte das Unternehmen KMB des Franz Becker nichts mit der ebenfalls in Köln Motorräder produzierenden Firma Imperia-Werk, Motorradbau GmbH des Jakob Becker in Kalk zu tun. Imperia war auch nicht die Nachfolgefirma der KMB (vgl. dazu ausführlicher bei Imperia).]
Die wohl ab September 1922 angebotenen Maschinen waren vermutlich vor allem in der Ausführung der Vorderradgabel modifizierte Modelle englischer Triumph-Motorräder und wurden zuweilen auch als „Kölner Triumph“ bezeichnet. Laut der damaligen Fachzeitschrift „Das Motorrad“ wurden KMB-Modelle bereits 1922 auf der Internationalen Automobil-Ausstellung IAA in der Berliner Funkhalle präsentiert.
Die technischen Angaben zu Ausstattung, Hubraumgröße, Leistung usw. der KMB-Maschinen variieren stark (vgl. hierzu ausführlicher motopedia-online.info). Auf Kundenwunsch wurden von KMB Ende 1924 auch Modelle mit Einbaumotoren hergestellt, darunter Blackburne-Motoren der Firma Burney & Blackburne Ltd. aus Bookham, JAP-Motoren von J. A. Prestwich Industries (J.A.P.) aus Tottenham sowie Schweizer Motoren von Motosacoche Acacias Genève (MAG).
KMB-Firmenstandorte in Köln und General- und Gebietsvertretungen
Für den Standort Köln listet die Fahrzeugenzyklopädie motopedia ab Januar 1918 verschiedene linksrheinische KMB-Produktionstandorte und Vertriebsniederlassungen auf:
- Franz Becker, Werkzeugmaschinenfabrik, Köln, Bickendorf, Melatener Weg 18 (Januar 1918 - September 1918)
- Franz Becker, Werkzeugmaschinenfabrik, Köln, Vogelsanger Straße 260 (September 1918 - Januar 1922)
- Kölner Motorrad- und Maschinenfabrik Franz Becker, Köln, Lindenstraße 14 (Januar 1922 - 1925)
- Kölner Motorrad- und Maschinenfabrik Franz Becker, Köln-Junkersdorf, Aachener Straße 23 (bis März 1926)
In Greven's Kölner Adressbuch wird die Firma 1925 unter „Kölner Motorrad- & Maschinenfabrik Franz Becker (Franz Becker), Lindenstraße 14.“ geführt (hier: 2. Teil, S. 452, und ebenso S. 43). Die Lindenstraße befindet sich rund 500 Meter südöstlich des Aachener Weihers im heutigen Stadtteil Neustadt-Süd und die Aachener Straße führt von der Kölner Altstadt ausgehend durch den gesamten Kölner Westen.
Der Kölner Zweiradexperte Horst Nordmann führt in „Die wilden Zwanziger…“ ferner an, KMB habe „anfangs“ auch in der Peter-Stühlen-Straße in Kalk Motorräder gebaut.
Laut zeitgenössischen Werbeanzeigen oblag der Vertrieb der KMB-Motorräder für Bayern 1922 der Münchener Bayerische Automobil-Handels AG (BAHAG), welche dort die Generalvertretung innehatte. Ferner werden in den folgenden Jahren für den Vertrieb eine KMB-Generalvertretung bei der Aachener Auto- und Maschinenbau GmbH und weiterhin ein Hans Schinzinger aus Stuttgart als KMB-Händler angeführt.
Mitte des Jahres 1925 übernahm die Kölner Firma Gödde & Brecke GmbH, Kattenbug 4, den Generalvertrieb für Deutschland (die heutige Straße Kattenbug liegt unmittelbar nördlich des Kölner Appellhofplatzes, sie ist bereits im Mittelalter mit upme katzenbuch = „Auf dem Katzenbauch“ belegt, vgl. Signon 2006). Einer der Namensgeber, Hermann Gödde, nahm mit KMB-Motorrädern auch an Rennen teil, so wie auch Fritz Stüpp aus Solingen-Ohligs, der KMB-Gebietsvertreter für das Bergische Land war.
KMB-Motorsportaktivitäten
Wie fast alle anderen Auto- und Motorradhersteller, war auch die nur kurzlebige KMB nach der bis heute gültigen Regel „Win on sunday, sell on monday“ motorsportlich aktiv.
Bereits bei einem Straßenrennen der Kölner Motorradfahrer im März 1923 siegte Josef Gertis aus Köln auf einer KMB-Maschine, „gebaut von der Firma Franz Becker, Köln, Lindenstraße Nr. 14, welche überlegen als erste und in vorzüglichem Endspurt durchs Ziel ging.“
Bei einem Bahnrennen im Juli 1923 auf der Köln-Riehler Rennstrecke waren dann die beiden Kölner Fahrer Heinz Bätz und Adolf Esch mit KMB-Erfolgen in verschiedenen Klassen beteiligt. Der in den 1920ern noch zu den besten Kölner Radsportlern gehörende Esch war aufgrund eines Herzleidens zum Motorsport gewechselt und seitdem ein ebenso erfolgreicher Motorradrennfahrer. Adolf Esch betrieb später eine Manufaktur Esch-Record für hochwertige Sport- und Tourenmotorräder im Bereich der damaligen Tritschgasse / Weichserhof an der heutigen linksrheinischen Auffahrt zur Kölner Severinsbrücke.
Für ihre Leistungen bei der überaus strapaziösen Deutschlandfahrt im Februar 1924 - diese dauerte 17 Tage und führte über mehr als 3.000 Kilometer bei eisigen Temperaturen und Schneegestöber! - wurden die KMB-Fahrer Heinz Bätz, der als Einziger mit einem nicht benannten Beifahrer fuhr, und Fritz Stüpp auf einem zwei Jahre alten KMB-Modell mit einer silbernen Plakette sowie Adolf Esch mit einer bronzenen Plakette ausgezeichnet.
Bei zahlreichen regionalen und nationalen Motorradrennen erzielten KMB-Fahrer gute Resultate, darunter bei Rennen in Köln, Hannover, Münster, Wuppertal-Elberfeld, den frühen Eifelrundfahrten (wenn auch ohne Eintrag in die Siegerlisten, vgl. Behrndt u.a. 2009), der Unterfränkischen Zuverlässigkeitsfahrt sowie beim Schleizer Dreiecksrennen in Thüringen, an dem Adolf Esch und Willi Ehrlenbruch oft mit KMB-Maschinen am Start waren. Bei der Niederrheinischen Zuverlässigkeitsfahrt im Juni 1924 errang der Kölner Rennfahrer Harry Herzogenrath (1903-1973) einen Ersten Platz auf KMB.
Der vorab genannte Generalvertreter Hermann Gödde nahm auf KMB bei einem im November 1924 in Köln-Ehrenfeld ausgetragenen Geschicklichkeitswettbewerb und an der Deutschlandfahrt 1925 teil. Gödde und die dort ebenfalls startenden Fahrer Merges aus Kleve, Swinkels (Mönchengladbach) und der Kölner Elsen waren allerdings nicht so erfolgreich wie im Vorjahr.
Konkurs und Ende 1925/1926
Zum 28. November 1925 wurde das Konkursverfahren über die KMB und über das Vermögen des Kaufmanns Franz Becker eröffnet. Das Verfahren wurde Ende März 1926 mangels Masse eingestellt, während zeitgleich ein Franz Becker gehörendes Grundstück in der Aachener Straße 23 „mit Wohnhaus, Hausgarten und 37,31 ar großem Fabrikgelände“ zwangsversteigert wurde.
Das hier genannte 3.731 Quadratmeter umfassende Gelände befand sich wohl nicht unter der heutigen Adresse, da die Nr. 23 seinerzeit noch im weiter außerhalb von der Kölner Innenstadt an der Aachener Straße liegenden Junkersdorf zu verorten ist.
Zu den Gründen für die Einleitung des Konkursverfahrens über die Kölner Motorrad- und Maschinenfabrik Franz Becker finden sich keine weiteren Angaben (ob Zufall oder nicht - nur zwei Tage später wurde der Konkurs über das Kalker Imperia-Motorradwerk eröffnet). Mit aller gebotenen Vorsicht sind auch für die KMB finanzielle Schwierigkeiten aufgrund der allgemein ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnisse der 1920er-Jahre als Ursache für das Ende des Unternehmens anzunehmen.
Lage, Objektgeometrie
Die einstigen Produktionsstätten der nur wenige Jahre existierenden Firma KMB sind hier mit allem Vorbehalt an der heutigen Lindenstraße Nr. 14 dargestellt. Eine präzise Lokalisierung der einstigen Fabrikstandorte ist weder über die zeitlich etwas frühere Preußische Neuaufnahme (1891-1912) noch über die jüngeren topographischen Karten TK 1936-1945 möglich (vgl. Kartenansichten), ebensowenig über die zeitgenössischen Stadtpläne unter landkartenarchiv.de.
Ergänzende Hinweise zu der Kölner Motorrad- und Maschinenfabrik Franz Becker - insbesondere auch zur Lage der Fabriken an den genannten KMB-Standorten in der Lindenstraße und an der Aachener Straße - sind willkommen!
(Franz-Josef Knöchel, Digitales Kulturerbe LVR, 2025)
Quellen
- Freundliche Hinweise von Herrn Helmut Kraus, Fahrzeugenzyklopädie motopedia, 2025.
- Freundliche Hinweise von Herrn Horst Nordmann, Kölner Zweiräder, darunter das Manuskript „Die wilden Zwanziger…“, 2025.
- Freundliche Hinweise von Herrn Dr. Marco Kieser, LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland, 2025.
- Historische Zeitungen im Zeitungsportal zeit.punktNRW, online unter zeitpunkt.nrw (abgerufen im März 2025, verschiedene regionale Zeitungen in den entsprechenden Jahrgängen)
Internet
motopedia-online.info: Die Fahrzeugenzyklopädie im Internet, Hersteller KMB (Text Helmut Kraus und Frank Grüneboom, Juni 2024, abgerufen 03.04.2025)
motopedia-online.info: Imperia (Text Helmut Kraus, Mai 2024, abgerufen 03.04.2025)
de.wikipedia.org: Liste von Motorradmarken (ohne eigene Artikel zu KMB und Esch-Rekord, abgerufen 03.04.2025)
www.koelner-zweiraeder.de: Esch Record (abgerufen 03.04.2025)
www.dnb.de: Personensuche in der Deutschen Nationalbibliothek (abgerufen 03.04.2025)
www.deutsche-biographie.de: Personensuche in der Deutschen Biographie (abgerufen 03.04.2025)
www.landkartenarchiv.de: Plan der Stadt Köln (um 1900), hrsg. von der Kölner Verlags-Anstalt u. Druckerei A.G. (abgerufen 03.04.2025)
www.landkartenarchiv.de: Plan von Köln 1938, Werbebeigabe des Kaufhauses Carl Peters in Köln, Verlag Ernst Moißl sen., Köln (abgerufen 03.04.2025)