„Stollwerck weitete das Brustbonbon-Imperium aus - innerhalb von 20 Jahren wurde sein Produkt an 900 Verkaufsstellen gehandelt, er erhielt ein Hoflieferantendiplom und wurde mehrfach ausgezeichnet. Parallel baute Stollwerck die Konditorei zur Gastwirtschaft aus, in der er auch Abendkonzerte veranstaltete. ... Ebenso unterhielt er Theater- und Konzertsäle.“ (Widdig 2013, S. 7)
„Die Verkaufsstrategie des Bäckers bestand darin, Cafés und sonstige Etablissements zu gründen, die seine Produkte vertrieben und die Popularität des Kölner Bäckers steigerten.“ (Burtz 2023, S. 226).
Das Stollwerck'sche Café Royal bzw. Deutsches Kaffeehaus
Das Kaffeehaus im Revolutionsjahr 1848
Thalia-Vaudeville-Theater, Wilhelm-Theater
Quellen, Internet, Literatur
Das Stollwerck'sche Café Royal bzw. Deutsches Kaffeehaus
Nachdem Franz Stollwerck sein Unternehmen 1845 durch die Eröffnung einer weiteren Filiale in Köln erweitert hatte, eröffnete er 1847 an Kölns großer Einkaufsstraße, der Schildergasse, das Café Royal. Das seinerzeit größte Café der Domstadt wurde von Stollwerck bereits nach wenigen Monaten um einen Ball- und Theatersaal erweitert, dessen Fassungsvermögen 3.000 Personen bertragen haben soll. Zum 1. April 1848 erfolgte die Umbenennung des offenbar rasch erfolgreichen und beliebten Cafés in Deutsches Kaffeehaus.
In der Kölnischen Zeitung vom 2. Januar 1848 bilanziert bereits während der Umbauten ein von „mehreren Bürgern Kölns“ eingesandter Artikel, dass, „Wenn das Ganze damit seine Vollendung erreicht haben wird, so darf sich Köln rühmen, ein Etablissement zu besitzen, welches den bedeutendsten in Brüssel und selbst in Paris die Spitze bieten darf.“
Auch wenn entsprechende Lobpreisungen stets mit Vorsicht zu betrachten sind, da Stollwerck diese offenbar teils selbst in Auftrag gab (Junggeburt 2014, S. 415), nachfolgend ein Auszug des Beitrags:
Eingesandt. Café Royal des Hern Franz Stollwerck hierselbst.
Wer bisher, von Paris oder Brüssel kommend die kölnischen Kaffeehäuser besuchte, der konnte sich nicht verhehlen, wie groß der Unterschied dieser Etablissements im Vergleich zu denjenigen der vorbenannten Orte ist. ... Um so mehr wurden wir überrascht, als wir vor einigen Tagen das Café Royal des Herrn Stollwerk besuchten und dort den so genannten Damensaal betraten. Ein Lichtmeer von 70 Glasflammen wogte uns blendend entgegen, welches von 10 Girandolen verbreitet und von den goldenen Wänden zurückgestrahlt wird. Den schönen Saal schmückten rings in kostbaren Rahmen große Landschaften, die in lebhafter Farbengbung die herrlichsten Punkte des Rheines in unser Gedächtniß zurückriefen. Reich, ganz dem Uebrigen entsprechend, fanden wir das anderweitige Mobilar. Kein Tabaksqualm verdüsterte den hellen Raum und beengte die athmende Brust. ...
Aber auch außer diesem Prachtsaale fehlt es dem Locale nicht an großen und geschmackvoll decorirten Räumen; es enthält außerdem nämlich einen Herrensaal, eine gesonderte Conditorei und einen Billardsaal, auf welchem zwei der vortrefflichsten, reicheingelegten Billards stehen.
... an Flächenraum vom Gürzenich übertroffen, wird es dennoch der großartigste Saal sein, den Köln besitzt. Ohne die Nebengemächer und die zum Theil geschlossenen Logen, welche ihn umgeben, hat er einen Flächenraum von 3500 [Quadrat]=Fuß und eine Höhe von 36 Fuß. ...
Die gereichten Getränke und sonstigen Erfrischungen lassen ebenfalls nichts zu wünschen übrig.
Indem wir das Publicum auf diese großartige Anlage aufmerksam machen, können wir den Wunsch nicht unterdrücken, Köln möge den Errichter eines Etablissemens, welches der Stadt zur Ehre gereicht, in seinem kühnen Unternehmen durch einen zahlreichen Besuch unterstützen. Nur dadurch, das es das Großartige beschützt, vermag Köln den Rang zu behaupten, der ihm gebührt.
Köln, im December 1847. Mehrere Bürger Kölns.
Und natürlich bewarb Franz Stollwerck seine Geschäfte und Produkte auch selbst über Werbeanzeigen, so etwa in der 1848/49 von Chefredakteur Karl Marx in dessen Redaktion am Heumarkt herausgegebenen Tageszeitung Neue Rheinische Zeitung vom 4. Juni 1848 (Sgr. = preußische Silbergroschen; die heutige Straße Kattenbug liegt unmittelbar nördlich des Kölner Appellhofplatzes, sie ist bereits im Mittelalter mit upme katzenbuch = „Auf dem Katzenbauch“ belegt, vgl. Signon 2006):
„Die so beliebten Kirschen=Torten sind täglich frisch zu 10 und 1 Sgr. das Stück zu haben, Schildergasse Nr. 49 und in meinen Nebengeschäften, Blindgasse und Cattenbug Nr. 12. ...
Eis täglich in und außer dem Hause à Portion 4 Sgr. bei Franz Stollwerck, Hoflieferant.“
Das Kaffeehaus im Revolutionsjahr 1848
Im Zuge der Deutschen Revolution von 1848/1849 (Märzrevolution), wurden auch in Köln ab Januar 1848 Säle und Wirtshäuser zu wichtigen Orten der politischen Willensbildung. So auch das Café Royal bzw. spätere Deutsche Kaffeehaus, das seinerzeit als der wichtigste Treffpunkt der rheinischen Demokraten rund um Karl Marx galt. Am 20. März 1848 fand im Stollwerck'schen Café eine Volksversammlung statt, auf der eine „Volksrepräsentation“ und eine „Volksbewaffnung“ gefordert wurden. Am 25. April 1848 gründete sich hier die Demokratische Gesellschaft, die neben dem zum 13. April 1848 gegründeten Kölner Arbeiterverein eine der wichtigsten Organisationen während der Revolutionsereignisse in Köln war (Jung 2004).
Der bedeutende Philosoph und Gesellschaftstheoretiker Karl Marx (1818-1883) wirkte in diesen Jahren als politischer Journalist in Köln. Die Vorläuferin der 1849 aufgrund der preußischen Pressezensur eingestellten Marx'schen Neuen Rheinischen Zeitung, die von liberalen Kölner Bürgern begründete radikaldemokratische Rheinische Zeitung für Politik Handel und Gewerbe, war bereits zwischen 1841 und 1843 in nicht weit vom späteren Standort des Café Royal liegenden Redaktionsräumen in der Schildergasse Nr. 99 unter Marx herausgegeben worden.
Aus den biographischen Angaben zu dem Café-Inhaber und Fabrikanten Franz Stollwerck erschließt sich indes nicht ganz, inwieweit dieser dem liberalen und demokratischen bzw. sogar revolutionären Gedankengut von um 1848 nahestand. Der katholische Unternehmer dürfte durch die Prägung der Wanderjahre seiner Lehrzeit, die ihn u.a. nach Frankreich geführt hatten (hierhin unterhielt er weiterhin Kontakte), eher kaum ein Anhänger der vorgeblichen „Erbfeindschaft“ gewesen sein. Inwieweit der Name seines Cafés Royal als frankophil oder als „preußisch-königlich“ gesinnt verstanden werden darf, bleibt jedoch ebenso offen, wie der Grund für die im April 1848 erfolgte Umbenennung in Deutsches Kaffeehaus als möglicherweise „nationales Bekenntnis“ im Sinne seiner Gäste (vgl. Junggeburth unter www.rheinische-geschichte.lvr.de). Eine persönliche Bekanntschaft des Café-Inhabers Stollwerck mit seinem Dauergast Karl Marx ist wohl anzunehmen, über eine ideelle Nähe lässt sich hingegen nur spekulieren.
Auf der anderen Seite brachte der bereits 1847 erlangte Titel eines preußischen Hoflieferanten - später folgte noch die Titulatur Kaiserlich Österreichischer Hoflieferant (vgl. Abb.) - dem Unternehmen Stollwerck nicht nur besondere Privilegien, sondern war seinerzeit das geschäftsfördernde Attribut überhaupt. Franz Stollwercks später im Unternehmen tätiger Sohn Heinrich (1843-1915) war zwischen 1902 und 1909 liberaler Stadtverordneter in Köln.
Das Stollwerck'sche Kaffeehaus mit Theater brannte am 14. März 1849 aus ungeklärten Gründen ab (so die Datierung unter de.wikipedia.org, Schildergasse). Eine zeitgenössische Notiz an der Abbildung des 1851 neu eröffneten Vaudeville-Theaters nennt hingegen den 15. März als Datum des Brandes (vgl. Abb.).
Thalia-Vaudeville-Theater, Wilhelm-Theater
Offenbar nur kurze Zeit nach dem Brand konnte Stollwerck an gleicher Stelle ein neues Theater eröffnen. Dieses wird bereits in der 1849er Ausgabe des Heynschen Adressbuchs für Köln als „neu konzessionierte[s] Vaudeville=Theater“ mit Franz Stollwerck als Direktor geführt. Der französische Begriff Vaudeville geht auf eine Liedgattung zurück und bezeichnete im 19. Jahrhundert ein typisch Pariser Theatergenre mit Gesang und Instrumentalbegleitung.
Wohl nur kurz später erhielt das Etablissement den Namen Thalia-Theater und wurde dann 1882 in Wilhelm-Theater umbenannt. Im Jahr 1883 wird es in Woerls Reisehandbuch als „Wilhelm-Theater, Schildergasse 49“ geführt.
Zumindest zeitweise diente der Theaterbau als Interimsstandort für das am 16. Februar 1869 abgebrannte Stadttheater in der Komödienstraße und dann auch für dessen nur kurz später am 9. Mai 1869 ebenfalls abgebrannte Ausweich-Spielstätte, das Actien-Theater im Riehler Vergnügungsviertel in der Frohngasse zwischen Zoo und Flora.
Im Jahr 1888 wurde das Gebäude abgebrochen. Heute befindet sich unter der Adresse Schildergasse 49 in einem nach der Nachkriegszeit entstandenen neuen Gebäude ein Kosmetikgeschäft Sephora.
(Ines Müller und Franz-Josef Knöchel, Digitales Kulturerbe LVR, 2025)
Quellen
- „Eingesandt. Café Royal des Herrn Franz Stollwerck hierselbst“, in: Kölnische Zeitung, Nummer 2 vom 2. Januar 1848 (online im Zeitungsportal NRW unter zeitpunkt.nrw, abgerufen 13.01.2025)
- Neue Rheinische Zeitung, Organ der Demokratie, verschiedene Ausgaben 1848 und 1849 (online im Zeitungsportal NRW unter zeitpunkt.nrw und unter www.deutschestextarchiv.de, abgerufen 05.12.2024)
- Kölner Adreß-Buch, hrsg. von Julius Gustav Heyn, Köln 1849, S. 467 (online unter services.ub.uni-koeln.de, abgerufen 05.12.2024)
- Woerls Reisehandbücher. Führer durch die Stadt Köln nebst einem Plane (5. Auflage), Würzburg / Wien 1883, S. 5 (online unter www.google.de/books, abgerufen 05.12.2024)
Internet
www.deutsche-biographie.de: Stollwerck (abgerufen 05.12.2024)
www.rheinische-geschichte.lvr.de: Franz Stollwerck (1815-1876), Unternehmer (Text Tanja Junggeburth, Bonn 2016/22, abgerufen 04.12.2024)
www.wikiwand.com: Schildergasse (abgerufen 13.01.2025)
de.wikipedia.org: Schildergasse (abgerufen 05.12.2024)
de.wikipedia.org: Demokratische Gesellschaft (abgerufen 13.01.2025)
de.wikipedia.org: Kölner Arbeiterverein (abgerufen 13.01.2025)
de.wikipedia.org: Geschichte des Kölner Theaters (abgerufen 05.12.2024)