Der in Trier geborene deutsche Philosoph und Gesellschaftstheoretiker Karl Marx (1818-1883) wirkte jahrelang als politischer Journalist in Köln. Von den Redaktionsräumen „seiner“ Rheinischen Zeitung in der Schildergasse (1841-1843) wie auch von denen der späteren Neuen Rheinischen Zeitung am Heumarkt (1848/49) finden sich heute keine Spuren mehr. Beide Häuser wurden im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs zerstört.
Die Rheinische Zeitung für Politik Handel und Gewerbe in der Schildergasse Die Schildergasse 99 liegt heute im Herzen der Kölner Ausgeh- und Shoppingmeile und die Hausnummern 99-101 beherbergen einen Herrenausstatter. Es erinnert nichts an die Jahre 1841-1843 in denen sich hier die Redaktionsräume des radikaldemokratischen Blattes Rheinische Zeitung für Politik Handel und Gewerbe befanden. Leitender Redakteur der Zeitung war der damals 23 Jahre alte Philosoph Karl Marx (1818-1883). Die als Aktiengesellschaft organisierte Zeitung wurde von liberalen Industriellen und Bankiers finanziert, darunter namentlich Ludolf Camphausen (1803-1899), Dagobert Oppenheim (1809-1889) und Gustav von Mevissen (1815-1899). Die Rheinische Zeitung war der zweite Versuch des liberalen Kölner Großbürgertums, ein Gegengewicht zur antipreußischen und streng katholischen Kölner Zeitung zu schaffen: Kurz zuvor war mit der Rheinischen Allgemeinen Zeitung der erste Versuch einer liberalen Zeitung in Köln gescheitert.
Der holprige Beginn einer Freundschaft Mit Marx' Eintritt in die Redaktion und seiner späteren Arbeit als Chefredakteur (ab dem 15. Oktober 1842) entwickelte sich das ursprünglich liberale Blatt in ein radikaldemokratisches Presseorgan; die Abonnentenzahl des erstmals zum 1. Januar 1842 erschienenen Blattes vervierfachte sich in diesen Monaten von 1000 auf 3500. In dieser Zeit begegnete Karl Marx auch seinem später besten Freund und wichtigstem Genossen, Friedrich Engels (1820-1895). Das erste Treffen zwischen Marx und Engels, dem Sohn eines Textilfabrikanten aus dem bergischen Land, verlief allerdings unerfreulich: Marx versuchte zu diesem Zeitpunkt einen Genossen von Engels aus der Redaktion zu drängen.
„Die Hure am Rhein“ In seiner Zeit als Redakteur schrieb Marx - seinerzeit noch „kein Kommunist, sondern bürgerlicher Demokrat“, so der Kölner Marx-Experte Christian Frings (www.stadtrevue.de) - nicht nur gegen die preußische Zensur an und forderte uneingeschränkte Pressefreiheit, er veröffentlichte auch gut recherchierte Artikel beispielsweise über Die Verhandlungen des Rheinischen Landtags über Holzdiebstahl (1842) oder Über die Zustände der Moselwinzer (1843). Viele Jahre später schrieb er 1859, dass diese Artikel „die ersten Anlässe zu meiner Beschäftigung mit ökonomischen Fragen“ gaben (www.rheinische-geschichte.lvr.de, Karl Marx). Gegen Ende des Jahres 1842 schritt die preußische Regierung ein und verbot die von König Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861, seit 1840 König von Preußen) als „Hure am Rhein“ geschmähte Zeitung zum 1. April 1843. Mit einer Erklärung vom 17. März 1843 hatte Marx zuvor seinen Austritt aus der Redaktion bekannt gegeben. Die Jahre 1843-1848 verbrachte Karl Marx in Paris und Brüssel, dort veränderte er seine politische Haltung. Aus dem Radikaldemokraten wurde ein Klassenkämpfer. Über die gemeinsame Arbeit an den Deutsch-Französischen Jahrbüchern wich die anfängliche Rivalität mit Friedrich Engels einer innigen Freundschaft. 1848 veröffentlichten Marx und Engels gemeinsam das meist rezipierte Dokument der arbeitenden Klasse, das Manifest der Kommunistischen Partei.
Die Neue Rheinische Zeitung am Heumarkt Im April 1848 wollten Marx und Engels die demokratischen Revolutionen in Deutschland publizistisch unterstützen. Sie kehren aus Paris nach Köln zurück und wählen ausdrücklich nicht die preußische Hauptstadt Berlin als ihren Wirkungsort. Marx wohnte zunächst in der Apostelnstraße Nr. 7, zog aber noch in der zweiten Hälfte des Jahres 1848 mit seiner Familie in die Cäcilienstraße Nr. 7 um (www.stadtrevue.de). Karl Marx und Friedrich Engels gründeten die nunmehr Neue Rheinische Zeitung, Organ der Demokratie mit neuen Redaktionsräumen am Kölner Heumarkt (vgl. dort). Marx wurde Chefredakteur der Zeitung, Engels sein Stellvertreter. Sowohl das Haus der Neuen Rheinischen Zeitung am Heumarkt wie auch die Räume der Rheinischen Zeitung in der Schildergasse wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört.
Archivalien im Kölner Stadtarchiv Das Kölner Stadtarchiv besaß eine große Sammlung von Originaldokumenten zur Geschichte der beiden Zeitungen in der Domstadt und zu Marx' Rolle als Journalist und Revolutionär. Fragmente daraus wurden 1983 in einem Ausstellungskatalog „Karl Marx und Köln 1842 - 1852“ herausgegeben. Beim Einsturz des historischen Archivs am 3. März 2009 wurde auch der größte Teil der ca. 6000 Dokumente zu Karl Marx verschüttet. Das Stadtarchiv Köln konnte 95% seiner Bestände retten, davon ist allerdings bis heute das meiste nicht identifiziert. Noch heute wird ein großer Teil der Archivalien restauriert und digitalisiert. Binnen der nächsten dreißig Jahre werden hoffentlich auch die redaktionellen Überreste der beiden Rheinischen Zeitungen identifiziert und digital zugänglich sein.
Hinweis Das publizistische Wirken von Karl Marx und Friedrich Engels bei der „Rheinischen Zeitung“ und der „Neuen Rheinischen Zeitung“ wurde unter „Schon gewusst, ...“ in Heft 5/2021 des Stadtmagazins KölnerLeben vorgestellt (koelnerleben-magazin.de).
(Lara-Maria Myller, LVR-Zentrum für Medien und Bildung Düsseldorf, 2021)
Internet museenkoeln.de: Vom Ende einer Geschichte - Die Neue Rheinische Zeitung (Bild der 19. Woche - 13. Mai bis 19. Mai 2019, Text: E. Burghardt, abgerufen 12.07.2021) www.stadtrevue.de: Kapitalismuskritik since 1867. „Das Kapital“ von Karl Marx wird 150 Jahre alt. Zweimal lebte Marx in Köln, doch in der Stadt sind seine Spuren gut versteckt (Stadtrevue. Kultur, Politik, Stadtleben in Köln, Ausgabe: 9/2017 vom 05.09.2017, Text Andreas Flammang, abgerufen 12.07.2021) www.kulturelles-erbe-koeln.de: Karl Marx, Neue Rheinische Zeitung, letzte „rote“ Nummer vom 19. Mai 1849, Reprint der Originalausgabe 19.05.1849 (abgerufen 12.07.2021) www.ksta.de: Auf den Spuren von Karl Marx durch Westeuropa (Kölner Stadt-Anzeiger vom 20.02.2018, abgerufen 12.07.2021) koelnerleben-magazin.de: „Schon gewusst, ... dass die Freundschaft zwischen Marx und Engels in Köln ihren Anfang fand?“ (Text Lara-Maria Myller, 2021, abgerufen 13.01.2022) www.rheinische-geschichte.de: Karl Marx, Kommunistischer Philosoph (1818-1883) (Text Jürgen Herres, abgerufen 06.07.2021) www.rheinische-geschichte.de: Friedrich Engels, Sozialrevolutionär (1820-1895) (Text Thomas Schleper, abgerufen 13.07.2021) www.rheinische-geschichte.de: Ludolf Camphausen, Unternehmer und preußischer Ministerpräsident (1803-1890) (Text Björn Thomann, abgerufen 13.07.2021) www.rheinische-geschichte.de: Familie Oppenheim, Bankiersdynastie (Text Gabriele Teichmann, abgerufen 13.07.2021)
Kölner Geheimnisse. 50 spannende Geschichten aus der Domstadt. S. 99-102, Überlingen.
Gerber, Jan (2018)
Karl Marx in Paris. Die Entdeckung des Kommunismus. München.
Kleinertz, Everhard / Historisches Archiv der Stadt Köln (Hrsg.) (1983)
Karl Marx und Köln, 1842-1852. Briefe, Texte, Bilder, Faksimiles. Ausstellung zum 100. Todestag, 3. März-20. Mai 1983. Köln.
Melis, François (2012)
Zur Geschichte der Neuen Rheinischen Zeitung und ihrer Edition in der Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA). (Berliner Verein zur Förderung der MEGA-Edition / Wissenschaftliche Mitteilungen 7.) Hamburg.
Sontheimer, Michael (2009)
Das liebe Geld und seine Rätsel. In: Spiegel Geschichte 4/2009, S. 72-77. o. O.
Wilhelm, Jürgen (Hrsg.) (2008)
Das große Köln-Lexikon. S. 333-334, Köln (2. Auflage).
Redaktionsräume der „Rheinischen Zeitung für Politik Handel und Gewerbe“ in der Schildergasse
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Empfohlene Zitierweise
„Redaktionsräume der „Rheinischen Zeitung für Politik Handel und Gewerbe“ in der Schildergasse”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-338896 (Abgerufen: 5. Dezember 2024)
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