Der Gürzenich entstand nach Grundstückskäufen und Hausabbrüchen in den Jahren 1441 bis ca. 1444. Namensgebend war das dort schon im 12. Jahrhundert nachweisbare Stadthaus der aus der Gegend bei Düren stammenden Herren der Burg Gürzenich. Spätestens seit 1447 war der Gürzenich Zentrum des Kölner Fernhandels und das prächtigste unter den Kölner Kaufhäusern. Während das Obergeschoss auch festlichen und repräsentativen Veranstaltungen diente, war das Erdgeschoss der Lagerung von Gütern vorbehalten. Gelagert und gehandelt wurden hier: Gewürze, Kolonialwaren, Lebensmittel wie Schinken, Speck und Käse, Öle, Talg, Seife, Farb- und Gerbstoffe, Häute, Leder, Seide, Baumwolle sowie ein Teil der Flachs- und Leinenware. Der Gürzenich war auch das Kölner Eisenkaufhaus wobei Stabeisen allerdings direkt am Rhein gelagert und gehandelt wurde.
Zur Warenlagerung wurden beide Hauptgeschosse und das große Dachgeschoss genutzt. Zu besonderen Anlässen wurde das dafür leergeräumte Obergeschoss für Feierlichkeiten und Repräsentationszwecke hergerichtet. Dazu gehörten im 15. Jahrhundert Kaiserbesuche, Bankette im Anschluss an Bürgermeisterwahlen, auch ein Kaiserlicher Gerichtstag und 1505 ein Reichstag.
Mit der Franzosenzeit und der Gewerbefreiheit büßten 1794 alle Kaufhäuser in Köln ihre wichtige Handelsfunktion ein. Seit 1822 finden hier Karnevalsveranstaltungen statt und 1865 verbannte der Rat sämtliche Lagernutzungen aus dem Gebäude. Nach über 400 Jahren wurde der Gürzenich mit Um- und Anbauten endgültig ein reines Festhaus. Wie überall in den mittelalterlichen Städten gab es in den Häusern des Rates jedoch ursprünglich keine Trennung zwischen Festlichkeiten, Versammlungen, Repräsentation und wirtschaftlichen Funktionen. Der Gürzenich ist mit seiner Lager- und Handelsfunktion auch ein Dokument für die Wirtschaftskraft des mittelalterlichen Kölns.
Die bauliche Gestalt des Hauses wird geprägt durch die großen und halben Kreuzstockfenster, Zinnenkranz und Eckwarten. Auch die Elemente der Wehrarchitektur waren ernst gemeint: erst wenn die Handels- und Ratshäuser einer Stadt eingenommen waren galt auch die Stadt als erobert. Das Haus war ursprünglich eingebunden in die Wohnbebauung von Martinstraße und Quartermarkt. Erst mit der als Straßendurchbruch ausgeführten Gürzenichstraße wurde 1911–13 die südliche Längsfassade Teil des Stadtbildes.
Nach Kriegsschäden blieben vom Gürzenich nur die Außenmauern erhalten. Der Wiederaufbau 1952-55 unter Einbeziehung der als Ruine erhaltenen Pfarrkirche St. Alban nach Plänen von Rudolf Schwarz und Karl Band machte das Gebäude mit der exquisiten Innenausstattung auch zu einem der prächtigsten Denkmäler der 1950er Jahre in Köln. 1996/97 wurde das Haus erneut saniert mit Anfügung des vollständig verglasten Aufzugs an der Gürzenichstraße.
Hinweis Das Objekt „Gürzenich, Martinstraße 29-31“ ist ein eingetragenes Baudenkmal (Denkmalliste der Stadt Köln, laufende Nr. 93) und Merkmal des historischen Kulturlandschaftsbereiches Innenstadt Köln (Kulturlandschaftsbereich Regionalplan Köln 352).
Internet deu.archinform.net: Prof. Dr.-Ing. Rudolf Schwarz, Architekt und Autor (*1897 †1961) (abgerufen 18.11.2019) deu.archinform.net: Karl (Friedrich) (Heinrich) Band, Architekt (*1900 †1995) (abgerufen 18.11.2019) deu.archinform.net: Festhaus Gürzenich-Sankt Alban (abgerufen 18.11.2019) www.koeln-lotse.de: Der Gürzenich und Alt St. Alban: Orte der Gegensätze (Uli, der Köln-Lotse vom 14.12.2019, abgerufen 26.12.2019) www.das-alte-koeln.de: Ausschnitte aus dem Gemälde „Gürzenich Ostseite“ von Siegfried Glos (abgerufen 01.06.2021) alltagskulturen.lvr.de: Verkleiden, Bützen, Feiern - Karneval im Rheinland (abgerufen 06.03.2020) www.stadt-koeln.de: Interaktive Denkmalkarte Köln (abgerufen 18.01.2024)
Literatur
Buschmann, Walter; Hennies, Matthias; Kierdorf, Alexander (2018)
Via Industrialis. Entdeckungsreise Kölner Industriekultur. 22, Essen.
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