In Nachbarschaft des nach Plänen von dem Kölner Gartenbaudirektor Friedrich August Ernst „Fritz“ Encke (1861-1931) in den 1920er-Jahren angelegten Volksparks Raderthal - dem heutigen „Fritz-Encke-Volkspark“ - entstand ab 1949 die Englische Siedlung, um Wohnraum für die britischen Soldaten zu schaffen. Nach dem Abzug der britischen Armee aus Köln ab 1957 veräußerte der Bund fast alle Häuser der Siedlung an private Käufer. Die Häuser in den nun als „Volksparksiedlung Raderthal“ bezeichneten Straßen wurden 1995 unter Denkmalschutz gestellt.
„Villa in begehrter Lage“ Eine Anzeige der Bundesanstalt für Immobilienangelegenheiten bot 2022 eine „Villa in begehrter Lage“ in der Eckdorfer Straße in Raderthal an. 2,2 Millionen Euro für ein 300 Quadratmeter großes, freistehendes Haus mit 2.000 Quadratmeter großem Garten wäre heute ein Schnäppchen. Allerdings ist diese Villa bereits längst verkauft. Und wer aktuell sucht, findet schlichtweg nichts: Es wird momentan (d.h. im Mai 2022) keine einzige Immobilie in der Englischen Siedlung in Köln-Raderthal angeboten. Diese bevorzugte Wohngegend im Kölner Süden ist extrem begehrt. Und die Häuser sind - wenn man denn überhaupt eines zum Kauf finden sollte - dementsprechend teuer.
Wohnraum für die Soldaten aus England Angelegt wurde diese Siedlung ab 1949, um Wohnraum für die britischen Soldaten zu schaffen. Am 6. März 1945 befreiten die Amerikaner Köln. Nur gute drei Monate später, am 21. Juni 1945, übernahm die britische Armee von den US-Truppen die Verwaltung der neuen Nord-Rheinprovinz, zu der auch Köln gehörte. Der Wohnraum in der großflächig zerstören Stadt war äußerst knapp. Um die britischen Soldaten und deren Familien unterzubringen, wurden kurzerhand Wohnungen und ganze Häuser in den vergleichsweise wenig zerstörten Vierteln Marienburg und Junkersdorf requiriert.
Für die längerfristige standesgemäße Unterbringung der Offiziere wurden 1949 und 1950 die Bauprogramme „JOINT“ und „ZECO“ aufgelegt. Das Ziel: Errichtung einer Gartenstadt nach englischem Vorbild. Die Briten machten exakte Vorgaben für die Häuser, die tatsächliche Planung und Ausführung wurde vom Land Nordrhein-Westfalen, der Stadt Köln, der Arbeitsgemeinschaft Besatzungsbauten Köln sowie der Gemeinnützigen Aktiengesellschaft für Wohnungsbau Köln (GAG Köln) übernommen. Renommierte Architekten wie zum Beispiel Wilhelm Riphahn, Fritz Schaller oder Theodor Kelter entwarfen die Bauten.
147 Häuser - basierend auf lediglich fünf Haus-Grundtypen Die Ein- und Zweifamilienhäuser der Englischen Siedlung basieren auf nur fünf Haus-Grundtypen: Die größeren Häuser, im inneren Bereich der Siedlung angelegt, waren für die Offiziere, die etwas kleineren in den Randbereichen für Unteroffiziere bestimmt. Die Häuser wurden versetzt und zum Teil gespiegelt errichtet. So herrscht in der Siedlung zwar ein einheitliches Gesamtbild, welches aber an keiner Stelle einförmig wirkt. Ergänzt wird das Ensemble durch drei Mehrfamilienhäuser mit jeweils zwölf Wohnungen und ein großes siebenstöckiges Wohnhochhaus mit 73 Wohnungen.
Der Volkspark Raderthal muss weichen Der neuen Siedlung fielen wesentliche Teile des bereits ab 1923 errichteten Volksparks Raderthal zum Opfer. So büßte der Park etwa zwei Drittel seiner Fläche ein. Insgesamt entstand so eine attraktive Siedlung mit 147 freistehenden Häusern, großzügigen Gärten und geschwungene Straßen. Spezielle Versorgungseinrichtungen, wie zum Beispiel der Naafi-Shop (= Navy, Army and Air Force Institutes, Geschäfte mit speziellen Einkaufsmöglichkeiten für im Ausland stationierten Soldaten) und eine Schule für die Kinder der Soldaten sollten hier einen „british way of life“ ermöglichen.
Die DEFA-Wochenschau der DDR präsentierte 1952 unter dem Titel „Besuch in Köln“ anhand der Siedlung mit zeitgemäß-gewohnter Systemkritik „die Schattenseiten des westlichen Kapitalismus“: Während gleichzeitig noch immer viele Kölner dazu gezwungen sind, zwischen Ruinen in Notquartieren zu hausen, entsteht in der Domstadt ein pompöser Versicherungs-Palast und ein neuer Wohnbezirk für britische Offiziere „finanziert aus den Steuergroschen der Bewohner der Elendshütten“ (www.koeln-im-film.de).
Skandale um die Nutzung der Wohnungen und Häuser Ab 1957 wurden wesentliche Teile der britischen Armee aus Köln abgezogen als die Royal Air Force unter anderem die Flugplätze Butzweilerhof und Köln-Wahn räumte. Bis etwa Ende 1965 verließen die Briten die Wohnungen und Häuser der Englischen Siedlung. Der Bund als Eigentümer musste nun entscheiden, wie mit der begehrten Wohnlage im Kölner Süden umgegangen werden sollte. Schnell wurden die Begehrlichkeiten geweckt. Die Soldaten der nur wenige Schritte entfernten Kaserne schauten aus ihren Büros sehnsüchtig auf die Villen der Siedlung - nur zu gerne wären die Offiziere sofort dort eingezogen. Doch ein Streit zwischen dem Verteidigungsministerium, dem Bundesschatzministerium (ein spezielles Ministerium zur Verwaltung der Gelder aus dem Marshall-Plan, welches 1969 aufgelöst wurde) und dem Bundeswohnungsministerium verhinderte eine schnelle Nutzung: Zwar gehörtem dem Bund die Immobilien, doch war die „Ausstattung der Wohnungen zu gut für die Angehörigen der Bundeswehr“ (www.koeln4.de). Den bereits in die Englische Siedlung umgezogenen Soldaten drohte zwischenzeitlich sogar eine Räumungsklage. Erst durch die Schadensersatzklage eines Oberstleutnants wurde dieser Schildbürgerstreich verhindert.
Neben den Soldaten weckten die attraktiven Villen aber auch das Interesse der führenden Bonner Politiker. Wirtschaftsminister Karl Schiller (1911-1994) ließ sich das Haus Eckdorfer Straße 6 gemäß seinen Wünschen umbauen und einrichten. Mit zehn Zimmern und großem Grundstück eine durchaus attraktive Immobilie - und das für gerade mal 972 DM monatliche Miete. Doch als die Öffentlichkeit darauf aufmerksam wurde, trat Schiller schnell den Rückzug an und verzichtete auf seine Kölner Villa.
„Kraut und Rüben beim Denkmalschutz“ Der Bund hat mittlerweile fast alle Ein- und Zweifamilienhäuser der Siedlung an private Käufer veräußert, nur das Hochhaus und die Mehrfamilienhäuser sind noch im öffentlichen Besitz. Die gesamte Siedlung wurde 1995 unter Denkmalschutz gestellt. Und die Auflagen des Denkmalschutzes sorgten für den nächsten Ärger in der Siedlung. Im Juli 2018 berichtete der WDR über die von den Bewohnern der Häuser als willkürlich empfundene Auslegung der Denkmalschutzregeln. So musste ein Besitzer ein neu gedecktes Dach umbauen lassen, weil es einen leichten Dachüberstand gab. Exakt dieser Dachüberstand wurde bei Nachbarhäusern problemlos toleriert. Fenster sind mal bodentief, mal nicht. Die Türen sehen fast alle unterschiedlich aus, die Fensterrahmen sind mal weiß und mal grau. Ein Anwohner bezeichnete diese Denkmalschutz-Auslegungen noch sehr diplomatisch als „gewisse Willkür“.
Und trotzdem bleibt die attraktive Englische Siedlung bevorzugtes Wohngebiet. Und wenn denn dort etwas zu verkaufen zu vermieten ist, sind zwar die Preise gepfeffert, aber dank der Nachfrage findet hier jede Immobilie ihren Käufer oder Mieter.
Baudenkmal, Hinweis, Objektgeometrie Zahlreiche Häuser in den als „Volksparksiedlung Raderthal“ bezeichneten Straßen wurden zum 25. April 1995 unter Denkmalschutz gestellt (www.stadt-koeln.de). Die heutige Siedlung Volkspark ist wertgebendes Merkmal des historischen Kulturlandschaftsbereiches Volkspark Raderthal und Siedlung Volkspark (Kulturlandschaftsbereich Regionalplan Köln 365).
Die hier eingezeichnete Objektgeometrie orientiert sich an den in der Denkmalliste genannten Straßen, in denen sich unter „Volksparksiedlung Raderthal“ geführte denkmalgeschützte Gebäude befinden (Buschdorfer Straße, Dransdorfer Straße, Eckdorfer Straße, Faßbenderkaul, Heidekaul, Herseler Straße, Hitzelerstraße, Hochkirchener Straße, Immendorfer Weg, Kardorfer Straße, Kreibohmstraße, Pingsdorfer Straße, Rösberger Straße, Schwadorfer Straße, Swisttalstraße, Urfelder Straße und Widdiger Straße, vgl. www.stadt-koeln.de und Kartenansicht ALKIS NRW) sowie an entsprechenden Hinweisen in der Dokumentation zum Raderthaler Sendegebäude (Schöndeling 2020, S. 202 f.). Die Geometrie erhebt somit keinen Anspruch auf Vollständigkeit bzw. eine historisch korrekte Darstellung der ursprünglichen bzw. ursprünglich geplanten Erstreckung der Siedlung - Hinweise dazu sind herzlich willkommen!
Quelle Schöndeling, Norbert (Hrsg.) und 15 weitere Bearbeiter*innen: Das ehemalige Sendegebäude in Köln-Raderthal: Erhaltung und Nutzung (Kölner Beiträge zur Baugeschichte und Denkmalpflege, Band 1), Köln 2020 (online unter cos.bibl.th-koeln.de, open access / CC BY-NC-ND 4.0, abgerufen 24.06.2022).
Internet www.koeln-lotse.de: Die „Englische Siedlung“ in Raderthal - Gartenstadt nach britischem Vorbild (Uli, der Köln-Lotse vom 28.05.2022, abgerufen 30.05.2022) www.koeln-im-film.de: „Der Augenzeuge - Besuch in Köln“, Defa Wochenschau 15/52, DDR 1952 (die Englische Siedlung und der Riphahn-Bau bei 1'30 min, abgerufen 03.06.2022) www.koeln4.de: „Für die Rheinarmee gut, für die Bundeswehr zu gut“ (Text Erwin Fischer, in: Frankfurter Rundschau vom 01.07.1966, PDF auf der Homepage der Arbeitsgruppe Wohnungsfürsorge Heidekaul, 1,05 MB, abgerufen 03.06.2022) de.wikipedia.org: Raderthal (abgerufen 30.05.2022) www.stadt-koeln.de: Interaktive Denkmalkarte Köln (abgerufen 18.01.2024) www.stadt-koeln.de: Suche in der Denkmalliste (abgerufen 30.05.2022, Inhalt nicht mehr verfügbar 18.01.2024)
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