Der Kottenforst ist neben dem Villewald ein bereits in der Landgüterverordnung Karls des Großen erwähntes Waldgebiet, welches insbesondere für die Jagd genutzt wurde. Er zählte neben der Rheinebene und dem Hümmling nördlich von Osnabrück zu den bevorzugten Jagdgebieten des Kölner Kurfürsten Clemens August. Unter ihm wurde er zum Parforcejagdgebiet ausgebaut, dessen Zentrum das Jagdschloss Herzogsfreude darstellen sollte. Aus dieser Zeit erhalten ist das sternförmig auf das ehemalige Schloss zulaufende System aus Jagdschneisen, die sogenannten „Bahnen“ oder Alleen.
Die Jagdleidenschaft des Adels Die anfangs rein zur Nahrungsmittelbeschaffung praktizierte Jagd entwickelte sich im Laufe der Zeit bis zum 18. Jahrhundert für den Adel zu einer Art Freizeitbeschäftigung und Zeremoniell (Hocker & Wessel 1999, S. 227), wobei die höfische Jagd der Demonstration absoluter Macht diente (Hausmanns 2014, S. 74). Das Privileg der Jagd war nur dem Adel vorbehalten (Hausmanns 1989, S. 41). Die Jagdleidenschaft verschiedener Kölner Erzbischöfe hinterließ ihren Einfluss auf die linksrheinische Landschaft, besonders ablesbar an der Residenzstadt Brühl und ihrer Geschichte – jedoch prägte keiner seiner Vorgänger die Landschaft des Kurfüstentums Köln so wie Clemens August in seiner Amtszeit als Erzbischof und Kurfürst 1723-1761. In seiner Person vereinigten sich die Leidenschaft für prachtvolle Bauten und die Jagd, die er durch die landschaftliche Neukonzeption der Region zwischen den Residenzstädten Bonn und Brühl zum Ausdruck bringen wollte. Die in Form verschiedener Prachtbauten durchgeführte Vereinigung seiner Passion für Jagd, Kunst und Architektur beschränkte Clemens August dabei räumlich nicht nur auf das Kurfürstentum Köln, sondern setzte er auch im Herzogtum Westfalen und in der kurkölnischen Exklave, dem Vest Recklinghausen, um. Insgesamt war Clemens August gegen Ende seiner Amtszeit im Besitz von etwa 22 Anlagen, die er zwar nicht alle neu erbauen, jedoch vielfach neu ausstatten ließ (Hansmann und Knopp 1986, S. 21). Zusätzlich sah Clemens August vor, seine Schlösser und andere funktionsbezogene Bauten, Infrastrukturmaßnahmen und Jagdreviere zwischen Brühl und Bonn miteinander in Beziehung zu setzen und zu verbinden. Höhepunkt seiner landschaftsgestaltenden Maßnahmen war die Ertüchtigung seines Lieblingsjagdreviers Kottenforst für die Parforcejagd und Sauhatz. So sollte in dessen Zentrum, nahe der Siedlung Röttgen, das Jadgschloss Herzogsfreude („Joie de Duc“) errichtet werden, auf welches das Jagdrevier ausgerichtet wurde. „Bewusst gewählt war auch der Standort des Schlosses inmitten des Kottenforstes als perfekte Inszenierung des barocken Herrschaftsanspruchs. Schließlich spiegelten das Jagdschloss und das auf die dreiflügelige Anlage ausgerichtete Jagdrevier die Bedeutung und den Rang seines Erbauers wider“ (Hausmanns 2014, S. 75).
Geschichte und Beschreibung Bereits kurz nach seinem Amtsantritt begann Clemens August, den Kottenforst für die Belange der Jagd herrichten zu lassen. Der Kottenforst wurzelte auf sumpfigem Gelände und enthielt Ödlandflächen. Clemens August veranlasste die Aufforstung von Ödland, Baumpflegemaßnahmen sowie die Anlage von Entwässerungsgräben zur Drainage (Hausmanns 1989, S. 51). Die Arbeiten zur Vermessung des Waldgebietes und zur Anlage des Schneisensystems begannen bereits 1727. Als Vermessungspunkt diente dabei, neben weiteren anderen, auch der sogenannte Eiserne Mann, eine vermutlich mittelalterliche Eisensäule, die eine Grenzmarke zwischen den Gemeinheiten Alfter und Meckenheim darstellte. Gleichzeitig wurden Grenzsteine (datiert mit der Jahreszahl 1734) zur Markierung des kurfürstlichen Besitzes aufgestellt, dessen Grenzen mit den heutigen noch übereinstimmen. Entlang des Wegesystems wurden Forsthäuser (Forsthaus Venne 1728/29 und Schönwaldhaus 1730/31) und Pferdewechselstationen (Jägerhäuschen an der Merler Bahn) errichtet (Hausmanns 2014, S. 73 und 1989, S. 51). Bis 1756 waren die Hauptjagdschneisen Dottendorfer Allee, Wattendorfer und Villiper Allee, Merler Bahn, Flerzheimer sowie Witterschlicker Allee fertiggestellt, die mittels zahlreicher Querverbindungen ein auf die Bedürfnisse der Parforcejagd ausgerichtetes Wegenetz innerhalb des Kottenforstes bildeten (Hausmanns 2014, S. 73). Mit den Querverbindungen wurde weitere kleine Parforcesterne gebildet, auf die die Namen „Am großen Stern“ und „Am kleinen Stern“ hinweisen (Hausmanns 1989, S. 52). „Wenn bei der Parforcejagd die Reiter meist unmittelbar hinter der Meute quer durch den lichten Wald ritten, erleichterten sternförmig zusammenlaufende, schnurgerade Jagdscheisen – die sogenannten Alleen oder Bahnen – das Vorwärtskommen erheblich. Vor allem war hier die Möglichkeit gegeben, schneller als im Waldbestand vorzugreifen, das heißt, dem verfolgten Wild den Fluchtweg abzuschneiden. (…) Diese Scheisen wurden aus den Parkanlagen, die um die (Jagd-) Schlösser angelegt waren, in die Wälder und zum Teil auch in die freie Landschaft weitergeführt“ (Hocker & Wessel 1999, S. 239). Da Clemens August ein frommer Jägersmann war, ließen er und seine Anhänger, um eine erfolgreiche Jagd zu erbitten, Wegekreuze entlang des Wegenetzes errichten. Sie wurden bevorzugt an Wegekreuzungen aufgestellt und dienten somit wohl auch der Orientierung während der Jagd: Jakobs- oder Wolffskreuz, Veritaskreuz, Rollkreuz, Dickbaumskreuz, Venner Kreuz, Kurfürstenkreuz (Hocker & Wessel 1999, S. 241). Auch einfache Leute ließen zu dieser Zeit Kreuze errichten: das Jägerkreuz, das Rote Kreuz und das Schwarze Kreuz. Bereits 1740 war eine Kapelle in Röttgen fertiggestellt und durch Clemens August eingeweiht worden. Sie diente als Ordenskapelle des von ihm gestifteten Jagdordens „de la Clémence“ und war dem Heiligen Venantius, lateinisch „Jäger“, gewidmet (Plagemann 1969, S. 30). Meist hielt die Jagdgesellschaft eine Andacht in der St. Venantius-Kapelle ab, um für eine glückliche Jagd zu beten. Die Alleen wurden aufgrund des sumpfigen Geländes im Kottenforst leicht erhöht gebaut und beidseits mit Entwässerungsgräben versehen. Entlang der Alleen wurden bevorzugt Eichen gepflanzt, die der Wildmast dienen sollten und teilweise bis heute, als Naturdenkmale geschützt, noch existieren. Die Alleen wurden auch als Viehtriften genutzt, hielt doch das Hornvieh, welches auf ihnen zur Waldweide getrieben wurde, die Schneisen frei von Baumbewuchs (Hocker & Wessel 1999, S. 240).
„1752 war die Meckenheimer Chaussee entstanden, die vom Schloß Poppelsdorf bei Bonn quer durch den Kottenforst führte“ (Plagemann 1969, S. 30). Von dieser nun bequemer zu bereisenden Straße aus zweigte der Aufstieg zur Heiligen Stiege und Wallfahrtskapelle auf dem Kreuzberg ab. Gleichzeitig konnte über die ausgebaute Straße einiges an Baumaterial für den bevorstehenden Schlossbau herantransportiert werden (Hausmanns 2014, S. 75). Quer über diese Chaussee und perfekt in den Jagdstern eingemessen wurde Schloss Herzogsfreude ab 1753 nach Plänen des Architekten Johann Heinrich Roth (Hausmanns 2004) errichtet. Der Mittelpunkt des Jagdsterns lag dabei im Salon des Schlosses (Hausmanns 2014, S. 78), welches mit 170 Metern Frontlänge und den beiden 53 Meter langen Seitenflügeln „das größte Jagdschloss im heutigen Nordrhein-Westfalen“ (Hocker & Wessel 1999, S. 233f) darstellte. Es handelte sich um den letzten und größten Schlossbau von Clemens August.
Die Breite Allee Die Witterschlicker Allee verbindet das ehemalige Schloss Herzogsfreude und Witterschlick. Ab Burg Ramelshoven nimmt die sogenannte Breite Allee ihre Flucht auf und verläuft schnurgerade bis zum Hövener Hof an der Swist nordwestlich von Metternich. Diese etwa 10 Kilometer lange Verbindung durfte Kurfürst Clemens August auch auf fremden Grundstücken bauen, da es die Jagdrechte für die Parforcejagd und die Falknerei in der Feudalzeit zuließen (Hocker & Wessel 1999, S. 239 nach Grewe 1978). So verlief die Trasse auch durch die Ländereien des Oberen Dützhofs und Unteren Dützhofs. Im Unteren Dützhof soll laut Bölkow (1974, S. 86) Clemens August mit seinem Jagdgefolge Station gemacht haben. Die vorrangige Funktion der Witterschlicker bzw. Breiten Allee war es, Schloss Rösberg, in dem der kurkölnische Oberjägermeister von Weichs günstig zwischen den Wäldern Kottenforst und Ville sowie den Residenzstädten Bonn und Brühl wohnte (Hocker & Wessel 1999, S. 229), mit Schloss Herzogsfreude zu verbinden. Das Hofamt des Obrist- oder Oberjägermeisters wurde seit 1595 den Freiherrn von Weichs mit der Herrschaft Roesberg erblich verliehen (Hausmanns 1989, S. 43).
Heutiger Zustand und kulturhistorische Bedeutung Die Hauptschneisen und Querverbindungen des Parforcesternes sowie Teile der Breiten Allee sind bis heute erhalten und prägen das Bild des Kottenforstes. Sie dienen Erholungsuchenden als Spazier- und Reitwege im Kottenforst, der ohne Clemens August heute vermutlich ein anderes Gesicht hätte: Die Jagdleidenschaft des Kurfürsten hatte eine walderhaltende Wirkung, sodass weder Raubbau, Rodungen noch andere zerstörende Maßnahmen stattfanden. Der Wald sowie das Schneisensystem sind Relikte und Zeugnisse des kurfürstlichen Jagdgebietes Kottenforst, gleichzeitig aber auch Bestandteile des von Clemens August erdachten Bezugssystems zwischen seinen Schlössern, Straßen und Kanälen im linksrheinischen Gebiet. „Der Kölner Kurfürst schuf durch diese gedachten und teilweise ausgeführten Verbindungen im modernen Sinne eine Infrastruktur. Für die fünf Jahrzehnte bis zum Abriss von Herzogsfreude verlieh er mit seinem barocken Gestaltungswillen auch dem Kottenforst eine besondere Würde, einen physischen und geistigen Mittelpunkt, der den Wald ordnete und durchdrang. Letztlich hat Clemens Augusts Tod verhindert, dass Schloss Herzogsfreude seine Bestimmung wirklich erfüllen konnte“ (Hausmanns 2014, S. 75). In dem Bestreben nach Ordnung und Gestaltung, also der Unterwerfung der Landschaft nach eigenen Vorstellungen spiegelt sich der barocke Gedanke wider (Hausmanns 1989, S. 54). Die Anlage sternförmiger Jagdschlossanlagen tritt gehäuft im 18. Jahrhundert auf und sind „Ausdruck des ichbetonten Macht- und Mittelpunktsdenken eines absoluten Fürsten“ (Hausmanns 1989, S. 43, zitiert nach Pappenheim 1969, S. 19). Ein weiteres Parforcejagdgebiet hatte Clemens August im Villewald anlegen lassen, namentlich die Brühlsche Bahn, die Badorfer Bahn, die Sechtemer Bahn, die Mertener Bahn, die Triebelsdorfer Bahn, die Kreuzallee, die Allee an den drey Wegen, die Waldorfer Bahn und die Allee am Dützhöfer Acker. „Nur wenige der alten Bezeichnungen haben sich erhalten. Außerdem ist besonders der nördliche Teil der Ville derart von Braunkohlengruben und Haldenaufforstungen durchsetzt, daß sich ein einheitliches System von Jagdschneisen nicht mehr erkennen läßt“ (Hocker 1969, S. 39).
Auch wenn Schloss Herzogsfreude nicht erhalten ist und die infrastrukturelle Verbindung der kurfürstlichen Einrichtungen nicht endgültig realisiert werden konnten, sind die Breite Allee sowie der Jagdstern beeindruckende ablesbare und nachvollziehbare Zeugnisse für die Zeit des Absolutismus und sein Gedankengut. Das Objekt ist daher von hoher kulturhistorischer Bedeutung, insbesondere in der Zusammenschau mit anderen Objekten, die auf die Zeit der Wittelsbacher als Kurfüsten von Köln zurückgehen.
Hinweis Das Objekt „Breite Allee und Jagdstern im Kottenforst“ ist wertgebendes Merkmal der historischen Kulturlandschaftsbereiche Burg Kriegshoven, Dützhöfe (Kulturlandschaftsbereich Regionalplan Köln 200) und Kottenforst (Kulturlandschaftsbereich Regionalplan Köln 266).
Clemens August. der letzte Wittelsbacher als Kurfürst und Bauherr am Rhein. München.
Hausmanns, Barbara / Stadtarchiv und Wissenschaftliche Stadtbibliothek (Hrsg.) (1989)
Das Jagdschloss Herzogsfreude in Bonn-Röttgen (1753-1761). eine baumonographische Untersuchung zum letzten Schlossbau des Kurfürsten Clemens August von Köln. (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Bonn 45.) Bonn.
Hausmanns, Barbara; Otzen, Hans; Wessel, Wolfgang / Förderverein Haus der Natur - Waldinformationszentrum (Hrsg.) (2014)
Zur Freude des Fürsten - Joie de Duc. In: Erlebnis Kottenforst und Villewald, S. 71-79. Rheinbach.
Zur Jagdgeschichte der Kurfürsten von Köln. In: Bonner Geschichtsblätter Band 23, S. 23-50. Bonn.
Hocker, Rolf; Wessel, Wolfgang / Zehnder, Frank Günter; Schäfke, Werner (Hrsg.) (1999)
Die Jagd in Kurköln zur Zeit von Clemens August. (Eine Gesellschaft zwischen Tradition und Wandel. Alltag und Umwelt im Rheinland des 18. Jahrhunderts. In: Der Riss im Himmel: Clemens August und seine Epoche, Band 3.) S. 227-246. Köln.
Pappenheim, Hans E. (1969)
Schloß Clemenswerth, Niedersachsens Musterbeispiel für die jagdlichen Zentralbauten des Barocks. In: Jahrbuch des Emsländischen Heimatbundes, o. O.
Plagemann, Volker (1969)
Die Jagdschlösser des Kurfürsten Clemens August. Falkenlust, Clemenswerth, Herzogsfreude. (Die Jagd in der Kunst, [6,5].) Hamburg.
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Empfohlene Zitierweise
Nicole Schmitz (2018): „Breite Allee und Jagdstern im Kottenforst”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-273428 (Abgerufen: 14. Dezember 2024)
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