Die Germaniasiedlung in Höhenberg ist ein herausragendes Beispiel für den frühen genossenschaftlichen Wohnungsbau in der Weimarer Republik. An den unterschiedlichen Bauabschnitten lassen sich die Entwicklung und Konzeptänderungen des sozialen Wohnungsbaus ablesen. Gleichzeitig ist sie durch die Baubeteiligung von 38 überwiegend Kölner Architekten eine für die Architekturgeschichte der Stadt bedeutende Siedlung. Die Germaniasiedlung ist heute ein herausragendes Zeugnis nicht nur für den Kölner genossenschaftlichen Siedlungsbau der Weimarer Zeit sondern auch über die Stadtgrenzen hinaus. In jüngerer Zeit erfolgte die Sanierung nach historischem Vorbild.
Namensgebung In Kalk wurde 1857 die Vorgängerfirma der späteren Maschinenfabrik Humboldt gegründet. Von den Aufsichtsräten dieser Maschinenfabrik wurden ab den 1870er Jahren rund 10 weitere montanindustrielle Gründungen in der Umgebung initiiert, so zum Beispiel das Hüttenwerk „Germaniahütte“ in Höhenberg. Nach zwischenzeitlichem Konkurs wurde die Hütte unter dem neuen Namen „Rheinischer Hüttenverein“ 1882 mit drei Hochöfen und 80 Koksöfen in Betrieb genommen, aber bereits nach 10 Jahren 1892 wegen Unrentabilität wieder geschlossen (Weyermann).
Die Germaniasiedlung gehörte zu den ersten Siedlungen im Rechtsrheinischen, die die GAG nach dem Ersten Weltkrieg in Auftrag gab. Weil der von Eisenbahnstrecken umschlossene, stark industrialisierte Stadtteil Kalk keine Bauflächen mehr bot, wich die GAG auf ein Gelände weiter östlich zwischen Eisenbahn und Frankfurter Straße aus. Hier hatte im späten 19. Jahrhundert ein Hüttenwerk mit dem Namen „Germania“ gestanden, das der Straße neben der Bahnstrecke und später auch der Siedlung den Namen gab.
Konzeption der Siedlung 1917 erwarb die 1913 gegründete „Gemeinnützige Aktiengesellschaft für Wohnungsbau“ (GAG) das Grundstück der ehemaligen Germaniahütte. Beteiligt waren u.a. Arnold von Guilleaume, Adolf Lindgens, Alfred Neven DuMont und Ernst Cassel als Kapitalgeber sowie Oberbürgermeister Adenauer als Initiator und Aufsichtsratsvorsitzender. Gemäß dem Satzungsziel der Genossenschaft sollten hier erschwingliche Wohnungen für Geringverdiener entstehen.
Für die städtebauliche Gesamtplanung verantwortlich zeichnete der technische Direktor der GAG, Fritz-Hans Kreis. Auch heute noch ist die Beeinflussung der Siedlungskonzeption durch die Gartenstadtidee zu erkennen. Das Besondere an der Germaniasiedlung ist aber, dass über die einzelnen Bauabschnitte hinweg der Versuch deutlich wird, das Gartenstadtprinzip auf den Geschosswohnungsbau zu übertragen, wodurch eine Reformhaussiedlung neuen Typs entstand. Trotz Blockrandbebauung gelang es, eine durchgrünte Siedlung mit Gemeinschaftsflächen zu schaffen. Die Siedlung wurde ursprünglich als reine Einfamilienhaus-Siedlung geplant. Die Einfamilienhäuser mit Garten wurden jedoch nur im ersten Bauabschnitt 1920/1921 (Germaniastraße /Meiningerstraße) erbaut, bereits im zweiten Bauabschnitt wurden nur noch Mehrfamilienhäuser erstellt, so dass heute 5- und 6-Familien-Häuser den dominierenden Haustyp der Siedlung bilden. In mehreren Bauabschnitten zwischen 1919 und 1928 entstanden insgesamt 1.400 Wohnungen. Grund für die Umorientierung war die wirtschaftlich schwierige Zeit (unter anderem geprägt durch die Inflation), durch die sich der Bau von mit öffentlichen Mitteln geförderten Einfamilienhäusern so stark verteuerte, das er nicht mehr durchführbar war.
Grund- und Aufriss Der in seiner äußeren Form fünfeckige Grundriss der Siedlung variiert die Straßenbreiten, so dass ein abwechslungsreiches Straßenbild entsteht. Diese Konzeption war eine bewusste Adaption an das mittelalterliche Stadtbild. Sie findet sich auch in der Architektursprache der Häuser wieder, zum Beispiel in der Verwendung von Torbögen, Zinnenkränzen und Erkern im Stil mittelalterlicher Wehrbauten. Die Haustypen wurden auch in den GAG-Siedlungen in Poll (Milchmädchensiedlung) und Bickendorf I verwendet. Die Entwürfe für die Häuser stammen von insgesamt 38 überwiegend Kölner Architekten, was die Siedlung auch besonders bedeutend für die Kölner Architekturgeschichte macht. Alle Entwürfe und Umsetzungen erfolgten im Heimatstil städtischer Prägung. Eine expressionistische Formensprache, besonders an den spitzen Ecken und Zacken erkennbar, und die Kombination von Backsteinornamentik und Putzflächen sowie die Variation der Dachaufbauten und Türeinfassungen tragen zu einem abwechslungsreichen Bild der gleichzeitig in sich geschlossenen Gesamtanlage bei. Die Wohnungen variieren in ihrer Ausstattung und Größe ebenso wie die architektonische Gestaltung der Häuser. Damit spiegeln sich die unterschiedlichen Sozialstrukturen der Bewohner auch in der Siedlungsgestaltung. Arbeiter und Angestellte der benachbarten Industriebetriebe in Kalk (zum Beispiel Chemische Fabrik Kalk, Klöckner-Humboldt-Deutz) wohnten hier ebenso wie Beamte der Reichsbahn und der Post. Als integrale Bestandteile der Siedlung wurden Infrastruktur- und Gemeinschaftseinrichtungen mit erbaut (Schule, Konsumanstalt, Ladenlokale). Der Weimarer Platz bildet das „Herz“ der Siedlung. Verwaltet wurde die Siedlung ganz nach dem genossenschaftlichen Prinzip von der „Bewohnergenossenschaft Eigenheim Mülheim“. Durch ihre Größe und Geschlossenheit wurde die Germaniasiedlung in der Folgezeit stadtteilbildend.
Museumswohnung Eine Museumswohnung haben die GAG und das Kölnische Stadtmuseum im Paul-Schwellenbach-Haus eingerichtet. Originalgetreu ausgestattet, bietet sie einen Einblick in die Wohnverhältnisse der Menschen in den 1920er Jahren. Ausgestellt sind außerdem historische Karten, Pläne und alte Fotos, die zeigen, wie die Germaniasiedlung vor fast 90 Jahren aussah.
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Empfohlene Zitierweise
Martina Gelhar, Walter Buschmann / Matthias Hennies / Alexander Kierdorf, 2019: „Germaniasiedlung in Höhenberg”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-244674 (Abgerufen: 7. Dezember 2024)
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