Entsprechend ihrer Rolle als wichtigstem Energielieferant nahm Braunkohle eine zentrale Stellung in der Analyse-, Planungs- und Forschungsarbeit des Instituts ein. Der Auftrag der Konzeptionalisierung der zielgerichteten Steuerung und Entwicklung der Energiewirtschaft und Kohlenindustrie basierte auf einer umfassenden Nutzung der Braunkohle als auf dem Staatsterritorium der DDR vorhandenem Rohstoff. Die Frage nach der Verfügbarkeit fossiler Rohstoffe begleitete die Institutsarbeit ständig. Die Berechnungen und Untersuchungen sowie die auf Jahre und Jahrzehnte vorausschauende Planung wurde in interdisziplinärer Zusammenarbeit von Ingenieuren, Ökonomen und Wissenschaftlern geleistet und durch eine internationale Vernetzung unterstützt. Unter anderen entstanden Energiestatistiken, Studien über die Verflechtung der verschiedenen Energieträger und ein standardisiertes begriffliches Instrumentarium (»Energetische Begriff zur Energiebilanzierung«). Zudem wurden in Laborarbeit auch technologische Neuentwicklungen und Verbesserungsvorschläge insbesondere im Bereich der Gaserzeugung angestrebt. Ebenso war die rationelle Energieumwandlung sowie die Rationalisierung von Kraft- und Heizwerken eine Zielstellung des Instituts. In den 1960er Jahren erfolgte eine Umprofilierung des Instituts: Die laborbasierte technische und technologische Forschung wurde aufgegeben und die Rationalisierung von Leitung und Planung in den Betrieben der Kohle- und Energiewirtschaft sowie Energieanwendungsforschung rückte in den Vordergrund. 1976 wurde die Zentralstelle für rationelle Energieanwendung angegliedert. Zu den herausragenden Qualitäten gehörte der frühe Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung zur Lösung der Planungs- und Analyseaufgaben.
Ein weiterer Forschungsbereich bestand auf dem Feld des Umweltschutzes, in dem technische Maßnahmen entwickelt und durchgesetzt werden sollten, die zum Beispiel der Wasserreinhaltung oder der Rauchgasentschwefelung dienten. In einem 1989 publizierten Sammelband zum 35-jährigen Institutsjubiläum wird die generelle Umweltschädlichkeit der Braunkohlennutzung betont sowie die zukünftige Fokussierung auf Kernenergie als Alternative in den Vordergrund gestellt: »Die Verbrennung von Braunkohle […] führt primär zur Freisetzung von Schadstoffen. Die Anreicherung von CO2 in der Lufthülle kann aber zu einschneidenden Klimaveränderungen führen…« Perspektivisch sollten alternative Energiequellen erschlossen, statt neue Methoden der Braunkohlennutzung entwickelt werden. Seit Mitte der 1980er Jahre äußerte sich dies in der zunehmenden Konzentration auf Atomenergie, ihre Anwendung und Nutzbarmachung als Elektroenergie und führte 1987 zur Angliederung des Instituts an das Kombinat Kernkraftwerke »Bruno Leuschner«.
Das 1990 liquidierte Institut wurde als GmbH in einzelnen der Gebäude weitergeführt. Der Zentralbau an der Torgauer Straße sowie einzelne Bauten an dessen Hinterseite wurden und werden für einen Schul- und Kindergartenkomplex saniert. Ein im hinteren Grundstücksbereich liegender Garagenhof wurde zu großen Teilen abgebrochen. Ebenso sind eine Reihe weiterer Bauten im südöstlichen Grundstücksbereich nicht mehr vorhanden. Diese ehemals giebelständig zur Torgauer Straße stehenden Gebäude waren jeweils als Labor für Wärme und Elektroenergieerzeugung sowie als Prüfstand für Öl- und Kohleerzeugung errichtet, mit der Umorientierung auf planerische- und Rationalisierungsfragen jedoch anderweitig oder fremdgenutzt worden. Nordöstlich des Ursprungsbaus entstand unter Einbeziehung historischer Gebäude des Instituts in jüngerer Zeit ein neues Forschungszentrum.
Das Institut für Energetik ist als Zeugnis für den zentralistischen Charakter der DDR-Energiewirtschaft ein herausragendes Zeugnis und stellt ein Bindeglied zwischen der Braunkohlengewinnung und -Verarbeitung einerseits, dessen Verbrauch andererseits her. Nicht zuletzt verweist die Existenz des Instituts und seiner Forschung, die die Rationalisierung diverser Bereiche zum Ziel hatte, auf den Entwicklungsbedarf im Bereich der Kohlenwirtschaft sowie den steigenden Energiebedarf der Planwirtschaft hin. Eine der Kernaufgaben des Instituts umfasste die Vermittlung des hier generierten Wissens. Insofern ist das Institut als sowohl forschende als auch vermittelnde Einrichtung von wissenschaftsgeschichtlicher Bedeutung.
(Isabell Schmock-Wieczorek, Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, 2022)
Datierung:
- Erbauung 1956–1990
Quellen/Literaturangaben:
- Lehmann, Rainer: 35 Jahre Institut für Energetik; In: o.?Hg.: 35 Jahre Institut für Energetik. 1953-1988, Leipzig 1989, S. 15–21.
- Enderlein, Christine/Sachsen, Archivwesen: Sächsisches Staatsarchiv, 20309 Institut für Energetik Leipzig. URL: https://archiv.sachsen.de/archiv/bestand.jsp?oid=04.02.06&bestandid=20309&_ptabs=%7B%22%23tab-einleitung%22%3A1%7D&syg_id=219196#einleitung (29.11.2022).
Bauherr / Auftraggeber:
- Bauherr: VEB Energieversorgung Leipzig (GND: 1074407253)
- Bauherr: Institut für Energetik (GND: 2013768-0)
- Eigentümer: BIP-Kreativitätszentrum (Leipzig) (GND: 10199774-7)
- Eigentümer: Deutsches Biomasseforschungszentrum (GND: 6078377-1)
BKM-Nummer: 30500133