Synagoge Deutz

Standorte der ersten (bis 1784) und der zweiten Synagoge (1786-1914)

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege, Landeskunde
Gemeinde(n): Köln
Kreis(e): Köln
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Koordinate WGS84 50° 56′ 10,95″ N: 6° 58′ 10,11″ O 50,93638°N: 6,96948°O
Koordinate UTM 32.357.330,31 m: 5.644.712,89 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.568.190,84 m: 5.645.016,36 m
  • Die zweite, von 1786 bis 1914 genutzte Deutzer Synagoge am Rheinufer während des Abrisses des Hotels "Prinz Carl" im Jahr 1884; am Flussufer hat ein Lastkahn festgemacht. Aquarell des deutschen Kunstmalers Wilhelm Scheiner (1852-1922).

    Die zweite, von 1786 bis 1914 genutzte Deutzer Synagoge am Rheinufer während des Abrisses des Hotels "Prinz Carl" im Jahr 1884; am Flussufer hat ein Lastkahn festgemacht. Aquarell des deutschen Kunstmalers Wilhelm Scheiner (1852-1922).

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    Scheiner, Wilhelm / gemeinfrei (via Wikimedia Commons)
    Fotograf/Urheber:
    Wilhelm Scheiner
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  • Ansicht von Deutz von der Stadtkölner Seite (1896). Im Bildvordergrund der Zugang zur Pontonbrücke, auf der anderen Rheinseite links die Badeanstalt und der "Mindener Bahnhof" der Köln-Mindener Eisenbahn, rechts der Brücke Lastkähne, Sankt Heribert und die St. Johanneskirche. Mittig vor der 1892-1896 erbauten Pfarrkirche St. Heribert ist die damalige zweite Deutzer Synagoge (1786-1914) auszumachen.

    Ansicht von Deutz von der Stadtkölner Seite (1896). Im Bildvordergrund der Zugang zur Pontonbrücke, auf der anderen Rheinseite links die Badeanstalt und der "Mindener Bahnhof" der Köln-Mindener Eisenbahn, rechts der Brücke Lastkähne, Sankt Heribert und die St. Johanneskirche. Mittig vor der 1892-1896 erbauten Pfarrkirche St. Heribert ist die damalige zweite Deutzer Synagoge (1786-1914) auszumachen.

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    gemeinfrei / aus: Köln in Bildern, Verlag Paul Neubner, Köln 1896
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  • Gedenktafel zur Erinnerung an die Deutzer Synagoge am Reischplatz (2007).

    Gedenktafel zur Erinnerung an die Deutzer Synagoge am Reischplatz (2007).

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    Horsch, Willy / CC BY 3.0
    Fotograf/Urheber:
    Willy Horsch
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Im Jahr 1424 erfolgte die Ausweisung der hier urkundlich bereits seit dem Jahr 321 nachgewiesenen Juden aus der Stadt Köln „up ewige tzyden“ („auf alle Zeiten“). Danach siedelten viele Juden in den rechtsrheinischen Raum um, unter anderem in das seinerzeit noch eigenständige Deutz. Der Zuzug von vertriebenen Juden machte Deutz mit einem jüdischen Bevölkerungsanteil von bis zu 10 % zu einem Zentrum des Judentums im damaligen Kurköln.

Die jüdische Gemeinde Deutz seit dem frühen 19. Jahrhundert
Gemeindegröße
Die erste Synagoge (bis 1784)
Die zweite Synagoge (1786-1914)
Beschneidungsbank
Lage auf historischen Karten, Objektgeometrie
Die dritte Synagoge (1915-1938)
Stolpersteine, Gedenktafel
Quellen, Internet, Literatur

Die jüdische Gemeinde Deutz seit dem frühen 19. Jahrhundert
Die jüdische Gemeinde in Deutz war in der Frühen Neuzeit eine der wichtigsten Gemeinden in Kurköln. Nach der Wiederansiedlung von Juden in Köln verlor sie an Bedeutung. 1927 traten die Deutzer Juden der Kölner Gemeinde bei. Die in Kalk lebenden Juden gehörten zur Deutzer Gemeinde (1871 49 u. 1895 119). 1891 und 1894 wurden Gesuche, einen eigenen Begräbnisplatz in Kalk einrichten zu dürfen, abgelehnt; 1904 scheiterte der Versuch, eine eigene Synagogengemeinde zu gründen (Reuter 2007).

Gemeindegröße
um 1815: 160 (1790) / 225 (1817), um 1880: 213 (1871), 1932: o. A., 2006: - (Angaben nach Reuter 2007).
Daneben finden sich die Angaben, dass 1595 ca. 80 Juden in 19 Familien in Deutz lebten, 1634 17 jüdische Familien, um 1665 65 Juden (bei einer damaligen Gesamtzahl von einigen hundert Einwohnern entsprach dies ca. 10 % der gesamten Bevölkerung von Deutz).
Für um 1790 werden ca. 165 bzw. Ende des 18. Jahrhunderts 163 Personen gezählt, „darunter sechs Metzger, fünf Kaufleute, vier Handwerker, ein Uhrmacher, ein Krämer, vier Musikanten, ein Rabbiner, ein Vorsänger und ein Schulmeister“, 1816 248 und 1843 238. Nach der Aufhebung des Niederlassungsverbots für Juden in der Stadt Köln 1798 zogen viele von ihnen über den Rhein dorthin (vgl. Beines 1988/98, Schulte 1992, S. 26, Pracht 1997, S. 257-258, www.jüdische-gemeinden.de und de.wikipedia.org, Synagoge Deutz).
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Die erste Synagoge (bis 1784)
Eine erste Synagoge in dem kleinen Deutzer Judenviertel wird 1426 erstmals erwähnt und im 16. Jahrhundert erneut: „Ob es sich dabei um zwei verschiedene Gebäude an gleicher Stelle an der Freiheitstr. 4 oder um dasselbe handelte, ist unklar. Auch das Aussehen der Synagoge ist unbekannt.“ (de.wikipedia.org, Synagoge Deutz). Diese Synagoge bestand bis zu ihrer Zerstörung durch das katastrophale Hochwasser von 1784.

Vor allem die Stadt Köln war von dem auch als „Jahrhundert-Eisgang“ oder „Eisflut“ bezeichneten Rheinhochwasser im Frühjahr 1784 betroffen, das als eine der größten Naturkatastrophen der frühen Neuzeit in Mitteleuropa gilt. Nach dem überaus harten Winter von 1783/84 ließ ein plötzlicher Temperatursprung im Frühjahr den Kölner Rhein von seinem normalen Pegel von 3,48 Metern auf 13,55 Meter ansteigen. In der Stadt waren 65 Tote zu beklagen. Den zahlreichen Zerstörungen fielen fast alle Gebäude im Ort Mülheim zum Opfer, darunter auch das dortige jüdische Gotteshaus, das etwa zeitgleich mit der Deutzer Synagoge neu errichtet wurde.
In Deutz rettete sich der größte Teil der Bevölkerung, darunter auch die Juden, in das Obergeschoss der Abtei Sankt Heribert. Der als jüdischer Religionslehrer in Mülheim tätige Historiker Carl Brisch (1845-1900) schilderte das Ereignis rund 100 Jahre später:
„Am andere Tage (28. Februar), vor Tagesanbruch, wagen sich einige beherzte Männer in die Synagoge hinüber, und es gelang ihnen, 13 Thorarollen zu retten, mit denen sie den Rückzug über die Dächer der benachbarten Häuser nehmen. Am Sabbatnachmittag sah man die Synagoge bis auf den Grund zusammenbrechen.“ (hier zitiert nach Beines 1988/98)
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Die zweite Synagoge (1786-1914)
Der Neubau am westlichen Ende der so genannten „Freiheit“ (in etwa entlang der heutigen Straße Deutzer Freiheit) konnte bereits 1786 eingeweiht werden.
Die neue Synagoge bestand aus zwei Teilen, einem Vorhaus und der eigentlichen Synagoge, und war lediglich durch eine schmale Uferstraße und eine Häuserzeile vom Rhein getrennt. Es bestimmte über viele Jahre als prägendes Element das Deutzer Rheinpanorama, bevor es Mitte des 19. Jahrhunderts durch den Bau des bereits 1884 wieder abgerissenen Hotels „Prinz Carl“ verdeckt wurde (vgl. Abb.):
„Zur Freiheitstraße hin stand ein zweieinhalbgeschossiges Haus, in dem die Schule und die Dienstwohnungen der Gemeinde untergebracht waren. Dahinter lag, verbunden durch ein großzügiges Treppenhaus mit einem ‚eleganten Treppenlauf' in der untersten Etage, der Betsaal. Vom Eingangstor des Vordergebäudes führte eine steile Treppe hinunter zur Mikwe, die allerdings im 19. Jahrhundert nicht mehr benutzt wurde. Die Schaufront war wie die anderen drei Seiten durch drei Fenster unterteilt und lag zum Rhein hin“ (Beines 1988/98)
Das Gebäude wurde wegen des 1913 bis 1915 erfolgten Baus der Deutzer Hängebrücke (ein Vorgängerbau der heutigen Deutzer Brücke) im Jahr 1914 abgerissen. Möglicherweise hat sich ein Teil der zugehörigen Mikwe, des brunnenartig angelegten jüdischen Ritualbads im Keller des Gemeindehauses, noch bis heute unter der Aufschüttung der Rampe zur Brücke erhalten. Beim Bau der Brücke zwischen 1913 und 1915 wurden Überreste entdeckt, die sich bis heute unter der Brückenrampe befinden (Fußbroich 2007).
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Beschneidungsbank
Aus den Synagogen in Deutz und in Krefeld sind jeweils im Stil des Rokoko und Louis XVI. gestaltete Beschneidungsbänke des 18. Jahrhunderts bekannt, die häufig ein Teil des Inventars älterer Synagogen in Deutschland waren: „Der zweisitzigen Konstruktion kam eine bestimmte Funktion zu: Ein Sitz der Beschneidungsbank war für den Paten des Kindes bestimmt, der zweite Sitz wurde für das Erscheinen des Elias freigehalten, der als Beschützer der Kinder und Verkünder des Messias gilt und während der Zeremonie jeden Augenblick erwartet wurde.“
Eine ähnliche Beschneidungsbank - ein Exemplar aus Holz mit Korbgeflecht aus Südhessen von um 1750 - befindet sich im Bestand des Jüdischen Museum in Berlin (Hinweis Frau Pinon; vgl. objekte.jmberlin.de und dortige Abbildung).

Lage auf historischen Karten, Objektgeometrie
Auf den historischen Karten der Topographischen Aufnahme der Rheinlande (1801-1828), der zwischen 1836 und 1850 erarbeiteten Preußischen Uraufnahme sowie in der Preußischen Neuaufnahme (1891-1912) findet sich die Deutzer Synagoge nicht gesondert eingezeichnet (vgl. Kartenansichten).
Verschiedene Stadtpläne vom Beginn des 20. Jahrhunderts zeigen jedoch zumindest die ungefähre Lage des früheren Gotteshauses unmittelbar südlich der auf die Schiff- bzw. Hängebrücke führenden Straße „Freiheit“ und nördlich der damaligen „Schneeberg-Straße“ im Bereich des heutigen Herbert-Liebertz-Wegs (vgl. landkartenarchiv.de).
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Die dritte Synagoge (1915-1938)
Als Ersatz für die 1914 abgerissene zweite Deutzer Synagoge ließ „wohl die Stadt Köln“ 1915 am etwa 500 Meter entfernten Reischplatz ein neues Gebäude als nunmehr dritte Deutzer Synagoge errichten (vgl. dort). Das neue jüdische Gemeindezentrum, in dem Betraum und Religionsschule untergebracht waren, wurde während der NS-Novemberpogrome am 9. November 1938 stark beschädigt und nach dem Zweiten Weltkrieg in veränderter Form wieder aufgebaut.

Stolpersteine, Gedenktafel
In den Straßen von Deutz erinnern verschiedene Stolpersteine nicht nur an jüdische Opfer der NS-Gewaltherrschaft.
Eine an dem heutigen Haus am Reischplatz 6 befindliche, undatierte Gedenkplatte erinnert an die Deutzer Judengemeinde mit ihrem letzten Gotteshaus. Die Tafel aus Stein trägt die Inschrift:

Im Jahre 1915 wurde anlässlich / des Brückenbaues die nach dem
grossen Eisgang des Jahres / 1786 an der Freiheit wieder
aufgebaute Deutzer Synagoge / an diese Stelle verlegt
Am 9.11.1938 wurde die / Synagoge ebenso wie
die mit ihr verbundene / Religionsschule zerstört.
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(Franz-Josef Knöchel, Digitales Kulturerbe LVR, 2020/24)

Quellen
  • Freundliche Hinweise zur Beschneidungsbank von Frau Charlotte Pinon, MiQua. LVR-Jüdisches Museum im Archäologischen Quartier Köln, 2020.
  • Freundliche Hinweise von Frau Renate Franz, Köln, 2024.

Internet
www.jüdische-gemeinden.de: Deutz (abgerufen 13.05.2024)
de.wikipedia.org: Synagoge Deutz (abgerufen 13.05.2024)
de.wikipedia.org: Jüdische Geschichte in Köln (abgerufen 17.01.2020)
de.wikipedia.org: Winter 1783/84 (abgerufen 17.01.2020)
landkartenarchiv.de: Stadtplan von Köln 1:10.100, Mai 1912, aus dem Städteatlas von 1912/13 (abgerufen 13.05.2024)
landkartenarchiv.de: Stadtplan Cöln, Februar 1914 (abgerufen 13.05.2024)
landkartenarchiv.de: Stadtplan von Cöln - Grosse Ausgabe, Januar 1922 (abgerufen 13.05.2024)
objekte.jmberlin.de: Jüdisches Museum Berlin, Beschneidungsbank, Inventar-Nr. KGH 81/21/0 (abgerufen 05.10.2020)
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Literatur

Becker-Jákli, Barbara / NS-Dokumentationszentrum Köln (Hrsg.) (2012)
Das Jüdische Köln. Geschichte und Gegenwart. Ein Stadtführer. Köln.
Beines, Johannes Ralf (1998)
Die Alte Synagoge in Deutz. Nachdruck des Aufsatzes von 1988. In: Köln, 85 Jahre Denkmalschutz und Denkmalpflege 1912-1997, Band 2, (Stadtspuren - Denkmäler in Köln 9.) S. 543-549. Köln.
Beines, Johannes Ralf (1988)
Die alte Synagoge in Deutz. In: Rechtsrheinisches Köln, Jahrbuch für Geschichte und Landeskunde, hrsg. vom Geschichts- und Heimatverein Rechtsrheinisches Köln e. V, Band 14, Köln.
Brisch, Carl (1973)
Geschichte der Juden in Cöln und Umgebung aus ältester Zeit bis auf die Gegenwart. Zwei Bände, unveränderter Neudruck der Ausgabe von 1879-1882. Walluf.
Fußbroich, Helmut (2007)
Die alte Synagoge in Deutz. In: Zwei Jahrtausende Jüdische Kunst und Kultur in Köln, hrsg. von Jürgen Wilhelm, S. 179-183. Köln.
Jellinek, Adolf (1881)
Märtyrer- und Memorbuch. Verzeichniss der Märtyrergemeinden aus den Jahren 1096 und 1349, das alte Memorbuch der Deutzer Gemeinde von 1581 bis 1784 nebst Auszügen aus dem neuen von 1786 bis 1816. Wien.
Meynen, Henriette (1992)
Kalk. (Rheinischer Städteatlas, Lieferung X, Nr. 54.) S. 8, Köln.
Pracht, Elfi (1997)
Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen, Teil I: Regierungsbezirk Köln. (Beiträge zu den Bau- und Kunstdenkmälern im Rheinland 34.1.) Köln.
Reuter, Ursula (2007)
Jüdische Gemeinden vom frühen 19. bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts. (Geschichtlicher Atlas der Rheinlande, VIII.8.) S. 33, Bonn.
Schulte, Klaus H. S. (1992)
Familienbuch der Deutzer Juden. Köln, Weimar, Wien.
Wilhelm, Jürgen (Hrsg.) (2008)
Das große Köln-Lexikon. S. 438-439, Köln (2. Auflage).

Synagoge Deutz

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
Herbert-Liebertz-Weg / Deutzer Freiheit
Ort
50679 Köln - Deutz
Fachsicht(en)
Kulturlandschaftspflege, Landeskunde
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Literaturauswertung, Auswertung historischer Karten, Auswertung historischer Schriften, mündliche Hinweise Ortsansässiger, Ortskundiger
Historischer Zeitraum
Beginn vor 1426, Ende 1914

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Empfohlene Zitierweise
„Synagoge Deutz”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-305448 (Abgerufen: 14. Mai 2024)
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