Kalksteinbrüche im oberen Düsseltal

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Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege
  • Bruch 4 - Düsselberg in Haan (2021)

    Bruch 4 - Düsselberg in Haan (2021)

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  • Einfahrt in den völlig zugewachsenen Bruch 3b in Mettmann (2021)

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  • Kalksteinbruch 2 im oberen Düsseltal (2021)

    Kalksteinbruch 2 im oberen Düsseltal (2021)

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  • Kalksteinbruch Frinsberg in Haan (2021)

    Kalksteinbruch Frinsberg in Haan (2021)

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  • Kalksteinbruch 5 in Haan-Gruiten (2021)

    Kalksteinbruch 5 in Haan-Gruiten (2021)

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Mitte des 19. Jahrhunderts beginnt in Zusammenhang mit der Gründung der Hütte Hochdahl der industrielle Abbau von Kalkstein im mittleren Düsseltal im sogenannten „Gesteins“. Nachdem die Vorkommen dort weitestgehend erschöpft sind, setzt Ende des 19. Jahrhunderts bei zugleich steigender Nachfrage nach hochofentauglichem Kalkstein, der industrielle Abbau auch im oberen Düsseltal ein. Bis etwa 1900 beschränkt er sich auf den Talabschnitt unterhalb von Gruiten, erst danach springt er auf den nördlich gelegenen Talabschnitt über.

Die Verarbeitung des im oberen Düsseltal gewonnenen Kalks erfolgte in den Kalkwerken bzw. Kalköfen bei Lindenbeck, Millrath, Gellenkothen und Fuhr bei Gruiten. Abgesehen vom Kalkwerk Lindenbeck, welches tief in einem Seitental der Düssel lag, besaßen alle Werke von Beginn an einen Gleisanschluss an die Düsseldorf-Elberfelder Bahn. Das Werk Lindenbeck ist von seinen historischen Wurzeln das älteste an der oberen Düssel.

Archäologische Funde und Quellen belegen eine Nutzung der Kalksteinvorkommen im Düsseltal seit dem Mittelalter. Die meist im bäuerlichen Nebenerwerb betriebenen Steinbrüche dienten der lokalen Gewinnung von Bausteinen sowie als Rohmaterial zur Herstellung von Branntkalk. Das Brennen erfolgte in kleinen, bäuerlichen Trichteröfen an den Brüchen. Den gebrannten Kalk nutzte man zur Düngung der Felder und zur Herstellung von Kalkmörtel. Dieser soll auch bis in die größeren Städte am Rhein transportiert worden sein.

Aufgrund Umstellung der Stahlverhüttung von Holzkohle auf Kokskohle Mitte des 19. Jahrhunderts erhöht sich drastisch die Nachfrage nach geeignetem, günstigem und leicht verfügbarem Kalkstein. Durch den Bau der ersten westdeutschen Eisenbahnlinie von Düsseldorf nach Elberfeld (1841), deren Trasse auf der Höhe unmittelbar südlich des Düsseltals verläuft, rücken die dortigen Kalksteinvorkommen schnell in den Mittelpunkt des Interesses. Zum einen besitzen sie die nötige Qualität als Zuschlagstoff bei der Verhüttung, zum anderen ist nun dank der Bahn ein wirtschaftlicher Transport möglich. Zudem finden sich beim Bau der Bahnlinie bislang unbekannte reiche Erzvorkommen. Diese günstigen Standortfaktoren führen 1847 zur Gründung der „Gewerkschaft Eintracht“ in Hochdahl direkt an der Düsseldorf-Elberfelder Bahn. Zweck der Gewerkschaft ist die Ausbeutung und Verhüttung der Erze im Raum Hochdahl. Schon 1847 beginnt man mit dem Bau des „Hüttenwerks Eintracht“ bei Hochdahl. Der neue Hochofen wird 1851 als einer der ersten in Westdeutschland angeblasen. Zugleich setzt um 1850 der industrielle Abbau des zur Verhüttung benötigten Kalksteins im sogenannten „Gesteins“ des Neandertals ein, eine enge Felsschlucht, wo sich die Düssel zwischen den harten Kalksteinen eine Passage geschaffen hat. Zwei Mitbetreiber der Eisenhütte gründen für die Gewinnung von Kalkstein im sogenannten „Gesteins“ und Belieferung der Hochdahler Hütte 1854 die „Aktiengesellschaft für Marmorindustrie im Neanderthal“.

Die rasant steigende Nachfrage nach Kalkstein führt zur Gründung weiterer Betriebe und Eröffnung von neuen Steinbrüchen am oberen Düsseltal bei Gruiten und Dornap. Im oberen Düsseltal ist dabei die 1872 gegründete Firma „O. & E. A. Menzel“ mit Niederlassungen in Millrath und Gruiten führend unter dem Andrang weiterer Unternehmen. Die Brüder Menzel waren zunächst im Baustoffhandel tätig und betrieben bereits eine Sandgrube bei Hochdahl sowie einen Kalksteinbruch für Baustein an der Düssel. Im Zeichen der hohen Nachfrage nach Kalkstein bauen sie ihren Bruch an der Düssel zügig aus und erwerben weitere Grundstücke entlang des Düsseltals. 1896 errichten sie einen Ringofen mit Kalkmühle bei Millrath neben der Elberfelder Bahn. Mit einem Vertrag bindet sich die Firma über fünf Jahre an die „RWK Dornap“, die feste Preise und Abnahmemengen zusagen. Im Gegenzug sind den Brüdern Menzel keine direkten, eigenständigen Lieferungen an die Hüttenwerke erlaubt (HAUMANN 2020, S. 162).

Der Abbau im Düsseltal wird nun erheblich intensiviert. Noch im selben Jahr werden die Kalksteinbrüche im Bracken (Bruch 2) und am Schragen (Brüche 3a und 3b) eröffnet. Wie auch im Neandertal erfolgt der Abbau vor allem im mühseligen, arbeitsintensiven Handbetrieb. Bohrungen, Verladung und Zerkleinerung werden manuell durchgeführt.
1897 erwerben die Brüder Menzel von Johann Carl Jacob, der sich aus dem Kalksteingeschäft zurückzieht, zusätzlich den Kalkofen Lindenbeck und den Ringofen Gellenkothen. Das Unternehmen entwickelt sich kräftig: „1899 unterhielten sie den zweitgrößten Steinbruchbetrieb in Mettmann (Anm. Kreis Mettmann) der durch eine 5,5 km lange Schmalspurbahn mit 5 Lokomotiven und 110 Waggons erschlossen wurde“ (HAUMANN 2020, S. 162). Dazu besaß man mittlerweile 145 Hektar potentiell abbauwürdiger Grundstücke. So wird das Abbaugebiet nun um die Brüche 6 und 7 (1899) an der Düsseler Mühle oberhalb Gruitens erweitert. Ein ausgedehntes Gleisnetz verbindet die Brüche untereinander und führt bis hinauf nach Millrath, wo sich eine Kalkmühle und der Ringofen IV befinden. Dort besteht eine Verladestelle auf die Elberfelder Bahn. An der Bracker Mühle im Düsseltal liegt ein kleines Bahnbetriebswerk. Insgesamt werden zu dem Zeitpunkt rund 90 Mitarbeiter beschäftigt.

Im Jahr 1900 beginnt die erst 1898 gegründete „Gewerkschaft Pluto“ 800 Meter talaufwärts am Düsselberg zwei weitere Brüche (Nr. 4a und 4b) anzulegen. Das bestehende Gleisnetz der Transportbahn wird dafür verlängert und durch das Düsseltal bis zur Heinhauser Löh (späterer Bruch Nr. 5) bei Gruiten ausgebaut. Von dort führen die Gleise zum neuen Kalkwerk an der Fuhr, südlich von Gruiten. Noch im selben Jahr geht dort ein neuer Doppelringofen (II+III) in Betrieb. Nach Ablauf des fünfjährigen Liefervertrags mit der ,,RWK Dornap„ fusioniert 1902 die Firma “O. & E. A. Menzel„ mit der finanzstarken “Gewerkschaft Pluto„ zur “Bergischen Dolomit- und Weißkalkwerke AG„. Die neue Aktiengesellschaft schließt 1902 einen lukrativen Vertrag mit der “Phoenix AG„ zur Belieferung der Hütte in Laar ab. Auf Basis dieses gesicherten Absatzes erwirbt sie entlang der Düssel über 100 Hektar Gelände zur Anlage weiterer Brüche. Im Werk Lindenbeck entstehen 1904 zwei weitere Trichteröfen zur Herstellung von Sinterdolomit. Das Geschäft entwickelt sich gut, so dass die neue Aktiengesellschaft bis 1905 bereits ein Viertel der gesamten Absatzmenge der ,,RWK Dornap“ stellt. Zur Umgehung der Ortslage Gruiten wird 1905 die Heinhauser Löh am Bruch 5 mit einem 300 Meter langen Tunnel für die Transportbahn durchörtert (= durchstoßen), um so die chronischen Probleme der Anwohner mit der Staub- und Lärmbelastung im Ort zu lösen.

Unter der Ägide der RWK Dornap wird das Kalkwerk in der Lindenbeck 1912 um fünf Kalköfen neusten Typs zur Herstellung von Kalksinter erweitert (BERNDT 2020, S. 26). Die Beschickung der Öfen erfolgt mittels Kippwaggons von oben. Zehn Meter tiefer kann der gebrannte Dolomit entnommen werden. Der zugehörige, höchste Schornstein Deutschlands wird Wahrzeichen der Anlage. 1920 endet der Betrieb des Kalkwerks, der Schornstein wird 1932 gesprengt.
Die Produktion von Kalksinter wird um 1927 in das modernisierte Werk an der Fuhr oberhalb von Gruiten verlagert. Dort entsteht anstelle des alten Doppelringofens eine neue Sinterofenanlage. Nach Stillegung der Steinbrüche 1-6 in den 1930er Jahren versorgen nun die Brüche 7-9 alleinig das Kalkwerk an der Fuhr. Auch die Ringöfen in Gellenkothen und Millrath werden in den 1930er Jahren aufgegeben. Die Hütte bei Hochdahl liegt schon seit 1912 still.

Dagegen wird 1954 das Kalkwerk an der Fuhr modernisiert und erhält fünf Schachtöfen neuester Bauart. Ein erster Drehrohrofen zur Sinterdolomiterzeugung geht 1956 in Betrieb, ein weiterer folgt 1960. 1966 wird der Standort überraschend von der ,,RWK Dornap„ aufgegeben, der Steinabbau rings um Gruiten ist damit Geschichte.

Heute ist das Düsseltal ein stiller, romantischer Ort mit Wiesen, Wasser und viel Wald. Unzählige Spaziergänger finden dort Ruhe und Erholung. Kaum vorstellbar, dass sich hier vor rund hundert Jahren eine kahle, durch zahlreiche Steinbrüche und Schutthalden geschundene Landschaft erstreckte. Und auch der Spazierweg von heute verläuft über nichts anderes als die ehemalige Trasse einer kilometerlangen, schmalspurigen Transportbahn. Fauchend und qualmend zogen Dampflokomotiven schwer beladene ratternde Kalkzüge von den Brüchen zu den verschiedenen Kalköfen.

(Jörn Kling, 2021)

Literatur

Berndt, Uwe / Eisenbahn- und Heimatmuseum Erkrath-Hochdahl e.V. (Hrsg.) (2020)
Transportbahnen in Hochdahl und Umgebung. Erkrath.
Haumann, Sebastian (2020)
Kalkstein als kritischer Rohstoff. Eine Stoffgeschichte der Industrialisierung, 1840 - 1930. (Umwelt- und Klimageschichte, Band 2.) Bielefeld.

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Jörn Kling (2021), „Kalksteinbrüche im oberen Düsseltal”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/SWB-343622 (Abgerufen: 6. Mai 2024)
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