Brüche im Neandertal - „Gesteins“

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Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege
  • Kalksteinbruch der ehemaligen Kalksteinwerke Neandertal GmbH in Mettmann (2021)

    Kalksteinbruch der ehemaligen Kalksteinwerke Neandertal GmbH in Mettmann (2021)

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  • Reste des Kalktrichterofens (1854-1867) am Rande des Fraunhofer Bruchs (2021)

    Reste des Kalktrichterofens (1854-1867) am Rande des Fraunhofer Bruchs (2021)

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  • Fraunhofer Bruch - Neandertal (2021)

    Fraunhofer Bruch - Neandertal (2021)

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Mitte des 19. Jahrhunderts beginnt der industrielle Abbau von Kalkgestein im mittleren Düsseltal, im sogenannten „Gesteins“. Der dortige Abbau ist sozusagen Wiege und Startpunkt der industriellen Massenkalkgewinnung im Niederbergischen Land. Auslöser für die Massenkalkgewinnung ist die Umstellung der Stahlverhüttung von Holzkohle auf Kokskohle zur Mitte des 19. Jahrhunderts, ein neues Verfahren, welches erstmals in England und Belgien angewandt wurde. Die erschöpften Wälder konnten kaum noch die zur Verhüttung benötigten Holzkohlen liefern. Zur Neutralisierung des im Koks enthaltenen Schwefels bei der Verhüttung wird kohlensaurer Kalk benötigt und es entsteht eine enorme Nachfrage nach geeignetem, günstigem und leicht verfügbarem Kalkstein. Der Schwefelanteil führt sonst zu einer spröden Qualität des Eisens.

Geschichte
Künstlerische Auffassung
Knochenfunde des Neandertalers

Geschichte
Schon 1842 hatten die Kaufleute Friedrich Wilhelm Beckershoff und Wilhelm Diepgen Steinbrüche im Neandertal erworben, wo sie Werksteine herstellen ließen (HAUMANN 2020, S. 83). Mit Interesse beobachten sie das Aufkommen der neuen Kokshochofentechnologie und überzeugen Investoren aus Köln und Düsseldorf erfolgreich dazu eine Hütte bei Hochdahl oberhalb des Neandertals anzulegen. Dort sollte natürlich der Kalkstein aus deren Brüchen im Neandertal genutzt werden, ohne dass anfänglich sicher war, ob dieser auch wirklich geeignet war (HAUMANN 2020, S. 86). Neben den Kalksteinvorkommen war auch die Anbindung an die 1841 erbaute Düsseldorf-Elberfelder Eisenbahn sowie die beim Bau der Bahn gefundenen Erzvorkommen ausschlaggebend.

1847 gründet man die „Gewerkschaft Eintracht“, an der die beiden Unternehmer mit 25% beteiligt sind und beginnt 1848 mit dem Bau des „Hüttenwerks Eintracht“ bei Hochdahl. Experimentell wird der Verhüttungsprozess an die Eigenschaften des Neandertaler Steins angepasst. Die Hütte Eintracht ist dann das erste koksbetriebene Hochofenwerk an Rhein und Ruhr, welches über ein Versuchsstadium hinauskommt. Der neue Kokshochofen wird 1851 angeblasen und wird bis 1856 ununterbrochen laufen (HAUMANN 2020, S. 87).
Beckerhoff und Diepgen wandeln 1854 ihren Steinbruchbetrieb in die „Aktiengesellschaft für Marmorindustrie im Neanderthal“ um, zwecks Gewinnung von Kalkstein im sogenannten „Gesteins“ und Belieferung der Hochdahler Hütte (HAUMANN 2020, S. 86). Damit setzt der industrielle Abbau des zur Verhüttung benötigten Kalksteins im sogenannten „Gesteins“ ein, was die völlige Zerstörung der schluchtartigen Klamm des Neandertals durch den Steinabbau nach sich zieht.

1865 übernimmt der „Bergische Gruben- und Hüttenverein AG“ die Hochdahler Hütte. Zu dem Zeitpunkt gehörte die Hütte zu den drei größten Hochofenanlagen des Ruhrgebiets. Das Werk ist mit vier Hochöfen, 120 Koksöfen, 18 Rostöfen, 17 Dampfkesseln, 12 Winderhitzern, 4 Gebläsen, 4 Steinbrechern und 6 Wasserpumpen imposant ausgestattet. 1912 schließt die Hütte in Folge einer allgemein schlechten Absatzsituation.

Die „Aktiengesellschaft für Marmorindustrie im Neandertal“ lässt 1867 an der Elberfelder Bahn den ersten Hoffmannschen Ringofen Europas errichten (BERNDT 2020, S. 20). Typisch ist die anfangs kreisrunde Bauform, erst später werden die Ringöfen als langgestreckte Ovale konstruiert. Ein baugleicher Ofen entsteht 1868 bei Dornap. Zu Beginn wird der neue Ofen noch zum Brennen von Ziegeln genutzt. Als Ausgangsmaterial nutzt man die lehmigen Deckschichten, die über dem Kalkstein liegen und die ohnehin abgetragen werden müssen. Danach beginnt die Branntkalkproduktion.

Die Neandertaler Steinbrüche und Kalköfen werden bereits im Dezember 1887 von der nur einige Monate zuvor gegründeten „Dornap Angerthaler Aktiengesellschaft für Kalkstein und Kalksteinindustrie“ übernommen, der zukünftigen „RWK Dornap“. Diese befindet sich zu dem Zeitpunkt noch in der Gründungsphase. Schon im Februar 1888 ändert man den Titel zu „Rheinisch Westfälische Kalkwerke“ – im weiteren „RWK Dornap“ genannt. Noch im selben Jahr lässt die „RWK Dornap“ einen zweiten Ringofen errichten, diesmal in der langovalen Bauform.

Erst 1916 beginnt auch die „Mannesmann AG“ einen eigenen Steinbruch mit zugehörigem Kalkwerk im Neandertal anzulegen.
In den 1930er Jahren kommt es aufgrund der Wirtschaftskrise und eines allgemeinen Konzentrationsprozesses im Kalksteinabbau zur zeitweisen Stilllegung der Steinbrüche (HAUMANN 2020, S. 296). 1937 werden in der Festschrift zum 50-jährigen Bestehen der RWK die Werksanlagen der Betriebsabteilung Neandertal wie folgt gelistet (ROTHE 1937, S. 36):

Betriebsanlagen:
- Ringöfen mit 4 Feuern
- Trichterofen
- Kalkmahlanlage
- Werkstatt

Soziale Einrichtungen:
- Badeanstalt

Häuser:
- Bürogebäude und 23 Wohnhäuser = 92 Wohnungen

Erzeugung:
- Weiskalk in Stucken und gemahlen
- Kalksteine

Der Steinbruchbetrieb mit den zugehörigen Kalköfen in Hochdahl läuft bis 1945 (BERNDT 2020, S. 20). Die Kalköfen müssen kurz nach der Stillegung abgerissen worden sein. Auf dem Luftbild von 1954 sind sie nicht mehr festzustellen.
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Künstlerische Auffassung
Parallel zum Einsatz des Kalkgestein-Abbaus kommt es durch Düsseldorfer Künstler (Schüler der „Düsseldorfer Schule“) zu einer Romantisierung des Neandertals mit seiner engen Felsschlucht, wo sich die Düssel tief zwischen den harten Kalksteinen eingeschnitten hat.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hinterlassen die Maler beeindruckende Darstellungen der ehemaligen Naturschönheit. Auch sie nutzten vermutlich bald die neu angelegten Bahnen. Heute sind um 150 Werke bekannt, die u.a. im Neandertal Museum gezeigt werden (EGGERATH 2012).
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Knochenfunde des Neandertalers
In Zusammenhang mit dem Kalksteinabbau werden 1856 die Knochen des Neandertalers in der kleinen Feldhofer Grotte gefunden. Die Fundstelle liegt am Rande des Fraunhofer Steinbruchs und ist heute als Landschaftspark für Besucher hergerichtet. Der Zugang erfolgt über eine Fußgängerbrücke am Rabenstein. Der Rabenstein ist eine schmale Felspartie, Reststück der ehemaligen Felsklamm.
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(Jörn Kling, 2021)

Literatur

Berndt, Uwe / Eisenbahn- und Heimatmuseum Erkrath-Hochdahl e.V. (Hrsg.) (2020)
Transportbahnen in Hochdahl und Umgebung. Erkrath.
Eggerath, Hanna / Bergischer Geschichtsverein e. V. (Hrsg.) (2012)
Im Gesteins – das ursprüngliche Neandertal in Bildern des 19. Jahrhunderts. (mit Fotos von Anton Rose. (Bergische Forschungen 26.) Düsseldorf (2. ergänzte und überarbeitete Auflage der Ausgabe Köln 1996).
Haumann, Sebastian (2020)
Kalkstein als kritischer Rohstoff. Eine Stoffgeschichte der Industrialisierung, 1840 - 1930. (Umwelt- und Klimageschichte, Band 2.) Bielefeld.
Rothe, Ferdinand / Rheinisch-Westfälische Kalkwerke (Hrsg.) (1937)
50 Jahre Rheinisch-Westfälische Kalkwerke, Dornap. 1887-1937. Mainz.

Brüche im Neandertal - „Gesteins“

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Jörn Kling (2021), „Brüche im Neandertal - „Gesteins“”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/SWB-343595 (Abgerufen: 19. Mai 2024)
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