Unter dem Begriff „Kurfürstliches Bonn“ werden die Jahre von 1715 bis 1794 verstanden. Es ist die Zeit der kölnischen Erzbischöfe und Kurfürsten, vorrangig Joseph Clemens von Bayern (1671-1723, Erzbischof und Kurfürst von Köln 1688-1723) und Clemens August von Bayern (1700-1761, Kurfürst und Erzbischof von Köln 1723-1761), die in Bonn eine umfangreiche Bautätigkeit entwickelten und die Stadt nachhaltig prägten. Joseph Clemens war bis 1715 im französischen Exil und hatte dort die französische Schlossarchitektur, Kunst und Lebensgestaltung kennengelernt. In Bonn wurde das Hofbauamt neu eingerichtet. Es stand ganz unter französischem Einfluss und arbeitete mit französischen Baumeistern und Bauleuten zusammen. In dieser Zeit wurde die Festung Bonn aufgegeben. Dies gab die Möglichkeit, die Residenz als offenes Schloss mit großen Gartenanlagen zu gestalten. An den Zentralbau des Schlosses wurden zwei Seitenflügel angeschlossen. Im Westen kam der Buenretiro hinzu, gedacht als Privatwohnung des Kurfürsten. Von hier aus gab es eine Sichtachse auf Schloss Clemensruhe (Poppelsdorf) und den Kreuzberg. An den östlichen Flügel schloss sich das Michaelstor (Koblenzer Tor) an und von dort eine niedrige Galerie bis zum Rhein.
Vor der Südfassade legte man den Hofgarten an. Der wurde im Süden von einem Weg begrenzt, der vom Martinsplatz durch das neue Martins-Tor (Neutor) nach Kessenich führte. Die Baumaßnahmen am Schloss waren 1717 weitgehend vollendet. Neben seiner Residenz im Schloss wünschte sich Joseph Clemens ein maîson de plaisance, das Sommerschloss in Poppelsdorf. Die Verbindung zwischen Schloss und Poppelsdorf sollte zunächst ein Kanal herstellen, es entstand dafür die Poppelsdorfer Allee. Am Ende der so entstandenen Achse liegt der Kreuzberg. Hier verbinden sich italienische Baugedanken (architektonisch ausgestaltete Achse) mit den französischen (eine Landschaft mit einem point de vue). Nach Süden öffnete sich nun die Stadt in die Landschaft des Mittelrheintals. Am Rhein entstand das kleine, für intime Gesellschaften bestimmte Wingertschlösschen, die Vinea Domini. Mittelpunkt war der versenkbare runde Speisetisch, entworfen vom Architekten Johann Conrad Schlaun (1695-1773).
Im Nordosten der Stadt Bonn wurden Grundstücke aus kirchlichem Besitz erworben. Man legte neue gerade Straßen an, die dem Stilempfinden dieser Zeit entsprachen. Auch wurde der heutige Alte Friedhof angelegt, als erster außerhalb der Stadtmauern. Er diente vorrangig der Entlastung der mittelalterlichen Pfarrfriedhöfe. Zusätzlich zur kurfürstlichen Bautätigkeit errichteten die adligen Hof- und Staatsbeamten neue Wohnhäuser im Stil der Zeit. Allerdings verhinderte andauernde Geldnot die Umsetzung der großen Pläne von Joseph Clemens. Diese vollendete ab 1723 sein Nachfolger, Kurfürst Clemens August. Er begann mit dem Schloss Brühl, das mit einer Straße mit dem Poppelsdorfer Schloss verbunden werden sollte. Die Verbindung wurde weiter bis zum Kreuzberg gezogen. Hier entstand 1746 die Heilige Stiege, der Anbau an die frühbarocke Servitenkirche. In Röttgen entstand in den 1750er Jahren das Jagdschloss Herzogsfreude im Kottenforst. Dieses wurde zwar baulich vollendet, aber nie genutzt. Den Kottenforst selbst fügte man in die barocke Landschaftsgestaltung mit ein. Es entstanden Wege- und Sichtachsen, die die Bonner Bauten, aber auch weitere Landschaftselemente miteinander verbanden. Neben den Neubauten vollendete Clemens August die Baumaßnahmen seines Vorgängers. Das Michaelstor wurde 1751 bis 1755 ausgeführt. Das Schloss stattete er prächtig im barocken Stil aus. Die alte Schlosskapelle reichte durch alle drei Stockwerke des Schlosses (sie entstand nach einem Brand von 1777 an heutiger Stelle neu).
Im Schloss Clemensruhe (Poppelsdorf) nahm man die Bauarbeiten 1735 wieder auf und vollendete sie unter Leitung von Balthasar Neumann (1687-1753). Im Schlossgarten baute man Wasserspiele ein; für Fahrten auf dem Schlossweiher stand eine Prunkgondel zur Verfügung. Auf dem Gelände nördlich des Schlosses (heute zwischen Meckenheimer und Endenicher Allee) entstanden eine Schweizerei mit Hyazinthenburg und eine Fasanerie sowie ein Gartenhaus. Gleichzeitig wurde die Poppelsdorfer Allee angelegt. Beim Rondell am Schlossweiher errichtete man zwei Wachhäuschen (eines davon erhalten). 1746 konnte der Adelshof „Zum Sack“ erworben werden. Er fügte sich in die Reihe der Häuser Poppelsdorf und Vinea Domini und diente als Gästehaus des Kurfürsten. 1772 kam das Haus in den Besitz des Ministers des Kurfürsten Max Friedrich, Kaspar Anton von Belderbusch (1722-1784).
In Bonn wurden in der Zeit von Clemens August neue Kirchen errichtet, an deren Bauten der Erzbischof und Kurfürst seinen Anteil hatte. Die Damen des Stiftes Dietkirchen erhielten die Stiftskirche auf dem Stiftsplatz. 1750 errichteten die Welschnonnen eine neue Kirche mit angeschlossenen Klostergebäuden, das Welschnonnenkloster. Die 1754 abgebrannte Kapuzinerkirche wurde neu erbaut, unter Leitung des Baumeisters Michael Leveilly (um 1700-1762) und kurfürstlicher Künstler (ihre Altäre stehen heute in der Namen-Jesu-Kirche). Und auch im Bonner Münster erfolgten umfangreiche Umbauten unter dem kurfürstlichen Einfluss. Gefördert wurde der große Schulbau der Jesuiten, der auf dem freien Platz vor der Jesuitenkirche entstand.
In der Zeit der Kurfürsten Clemens August und Maximilian Friedrich von Königsegg-Rothenfels (1708-1784, Erzbischof und Kurfürst von Köln 1761-1784) kamen umfangreiche Maßnahmen in der Stadt und der Umgebung hinzu. Das barocke Rathaus entstand 1737 bis 1738 unter Leveilly. Das Haus war zugleich Konzerthalle und Kaufhaus: Keller und Speicher nutzte man als Warenlager. Angrenzend an das Rathaus errichtete das Metzgeramt 1780 die Fleischhalle. 1777 wurde der Marktbrunnen erbaut, ein Trachytobelisk. Die Worte IUSTITIA und MANSUETUDINE (Gerechtigkeit und Sanftmut) erinnern noch an die alte Justitiasäule. Die Umwandlung von geistlichem Besitz in bürgerliche Wohnstraßen wurde fortgesetzt. Und es entstanden neue Adelshöfe, wie der Metternicher Hof. Vor dem Sterntor entstand 1739 der kurfürstliche Marstall, zwischen Sterntor und Rhein erstreckten sich Kasernen.
Mit den politischen und sozialen Umwälzungen in Frankreich zum Ende des 18. Jahrhunderts war diese Periode zu Ende. Am 3. Oktober 1794 verließ Kurfürst Maximilian Franz von Österreich (1756-1801, Erzbischof und Kurfürst von Köln 1784-1801) endgültig Bonn. Von der Rathaustreppe erteilte er seinem Volk letztmalig den Segen, bevor er in einer Ponte über den Rhein fuhr.
(LVR-Redaktion KuLaDig, 2013/2017)
Literatur
Ennen, Edith (1989)
Die kurkölnische Haupt- und Residenzstadt in einem Jahrhundert der friedlichen und glanzvollen Entwicklung. In: Höroldt, Dietrich (Hrsg.): Geschichte der Stadt Bonn. Band 3. Bonn als kurkölnische Haupt- und Residenzstadt. 1597-1794, S. 205-349. Bonn.
Ennen, Edith; Höroldt, Dietrich (1967)
Vom Römerkastell zur Bundeshauptstadt. Kleine Geschichte der Stadt Bonn. S. 118-136, Bonn (1. Auflage).
Handbuch der Historischen Stätten Nordrhein-Westfalen. (HbHistSt NRW, Kröners Taschenausgabe, Band 273.) S. 131-156, Stuttgart (3. völlig neu bearbeitete Auflage).
Kirschbaum, Cornelia (2016)
Wohnbauten des Hofadels in der kurkölnischen Residenzstadt Bonn im 17. und 18. Jahrhundert. (Unpubl. Dissertation Bonn.) Bonn.
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