Nach dem Abzug der Römer und dem Rückgang von geschätzten 60.000 Einwohnern im 4. Jahrhundert auf lediglich 5.000 am Anfang des 6. Jahrhunderts wurde Trier zunächst zu einer ‚offenen Stadt’. Der Bau der mittelalterlichen Stadtmauer wurde dann vor allem im 11. und 12. Jahrhundert vorangetrieben.
Stadtentwicklung in nachrömischer Zeit Nach dem Abzug der römischen Administration aus Trier, den verheerenden Wirren des fünften Jahrhunderts und dem damit verbundenen Bevölkerungsrückgang der Stadt von geschätzten 60.000 Einwohnern im 4. Jahrhundert n. Chr. auf lediglich 5.000 Bewohner am Anfang des 6. Jahrhunderts, wurde die Stadt zu einer ‚offenen Stadt’. „Der Schwerpunkt lag zweifellos im römisch ummauerten Stadtbereich, wobei es sicher bestimmte Siedlungszentren gab“ (Anton u. Haverkamp 1996, S. 14).
Dabei bildeten sich Akkumulationen der Bevölkerung bei den alten römischen Großbauwerken, die Baumaterial und Schutz boten, sowie bei dem Bischofssitz und den nördlich und südlich außerhalb der Stadt vorgelagerten Klöstern. Hier kam es auch zur Errichtung der ersten frühmittelalterlichen Pfarrkirchen in Trier. Exemplarisch stehen dafür Sankt Gervasius in den Kaiserthermen, Sankt Laurentius bei der Palastaula und Sankt Salvator in den Barbarathermen. Die Bauleute veränderten und überformten das römische Ruinenfeld im Laufe der Zeit, sodass neue Siedlungspunkte entstehen konnten.
Die römische Stadtmauer, die zwar teilweise bis ins 9. Jahrhundert erhalten blieb, konnte die Schutzfunktion nicht mehr erfüllen. Deshalb verbarrikadierte sich die Bevölkerung in den alten römischen Großbauten. Im 7. und 8. Jahrhundert entwickelte sich die Bischofsherrschaft und es vollzog sich der Feudalisierungsprozess in der Stadt, wodurch sich allmählich die mittelalterlichen Konturen im Stadtbild herausbildeten: „Im Dom und seinem Bering, der ‚Domburg’, gewann die Stadt nun ihren Mittelpunkt“ (Landesbildstelle Rheinland-Pfalz 1984, S. 53). Die Stadt Trier konnte ihren römischen Charakter bewahren, der nun jedoch durch die mittelalterlichen und kirchlichen Konturen ergänzt wurde. Dazu zählen die Bevölkerungskonzentration im Bereich des Doms und der Grabbasiliken sowie die zahlreich stattfindenden Neugründungen von Kirchen und Klöstern in der Stadt und in ihrem Umfeld. Der frühmittelalterliche Gelehrte und Berater Kaiser Karls des Großen Alkuin (735-804) beschreibt Trier um das Jahr 800 als „eine im Umbruch begriffene Stadt, die sich aus den Relikten ihrer großartigen antik-heidnischen Vergangenheit und den diese allmählich überlagernden christlichen Kultstätten, zugleich Zentren des neuen Siedlungsgefüges, zusammensetzt“ (Clemens 2007, S. 67). Ein für Trier einschneidendes Ereignis war der Normanneneinfall 882, bei dem die Stadt in Flammen aufging und das römische Straßennetz endgültig aufgelöst wurde.
Das mittelalterliche Straßenraster Im Süden der Stadt befand sich ein vornehmlich agrarisch genutzter Bereich. Damit in Verbindung stehend wird für den Trierer Süden, im Bereich des alten römischen Stadttores ‚Porta Media‘ in direkter Nachbarschaft zum Kloster Sankt Matthias, ein temporärer Markt als Konzentrationspunkt angenommen.
Einen zentralen Siedlungsschwerpunkt stellte die Domimmunität dar, die als „topographische Keimzelle des hochmittelalterlichen Triers“ anzusehen ist (Anton u. Haverkamp 1996, S. 218). In diesem Umfeld bildete sich ein zweiter Siedlungsschwerpunkt heraus, die Marktsiedlung in direkter westlicher Nachbarschaft zum Dombezirk beim heutigen Hauptmarkt. Obwohl gegen Ende des 10. Jahrhunderts der Bischof von Trier immer mehr Macht bekam, konnte sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum Dombering ein weiteres Zentrum herausbilden: der Hauptmarkt, der 958 durch Bischof Heinrich I. (Erzbischof von Trier 956-964) ein Marktkreuz erhielt. Dieser Bereich entwickelte sich zum zweiten bedeutenden Siedlungszentrum der Stadt. Dieses Doppelzentrum wurde auch ein verkehrstechnischer Mittelpunkt für die umliegenden Einzelsiedlungen und Pfarrbezirke im Tal. Das sternförmig zulaufende mittelalterliche Straßennetz fand hier seinen Ursprung.
Beim Straßennetz kam es zur allmählichen Überprägung des römischen Straßenrasters, wobei verheerende Ereignisse dafür förderlich waren. Während verschiedener Wiederaufbaumaßnahmen erfolgte die Ausrichtung der Verkehrsachsen auf die neuen Zentren des Mittelalters, wodurch das schachbrettartige römische Straßenraster immer mehr an Bedeutung verlor. Somit bildete sich eine direkte Verbindung vom Hauptmarkt über die heutige Fleisch-, Brücken- und Karl-Marx Straße zur Römerbrücke heraus. Eine weitere Verbindung ging vom Hauptmarkt zur Palastaula über die Palaststraße, die in einem sanften Bogen an der Domimmunität entlang lief. Zudem entwickelte sich eine Nord-Süd Verbindung von der Porta Nigra über die Simeon-, Graben-, Brot-, Neu- und Saarstraße in den Trierer Süden heraus. Diese mittelalterliche Straßenachse lehnte sich an den römischen ‚cardo’ (die in Nord-Süd-Richtung angelegte Hauptachse der römischen Stadt) als Nord-Süd Verbindung an. Die heutigen Straßennamen verdeutlichen noch, dass sich einzelne Handwerkszünfte in dem lockeren Siedlungsgefüge konzentrierten und dadurch gleichzeitig zu Namensgebern für das Viertel oder die Straße wurden.
Im 12. Jahrhundert wird anhand des Siedlungsgefüges der Niedergang der spätantiken Großstadt Trier besonders deutlich. Es gab große bauliche Veränderungen, die von einer gleichzeitigen landwirtschaftlichen Nutzung im lockeren Siedlungsgefüge begleitet wurde. Der Wohnbau wurde dabei von burgenähnlichen Wohntürmen wohlhabender Familien dominiert. Um dieses Siedlungsbild entstand mit der Zeit eine erweiterte Befestigungsanlage. Da sich die mittelalterliche Stadt verkleinerte, wurde am südlichen Ende der Neustraße das mittelalterliche Neutor errichtet. Neben der Nord-Süd Verbindung konnte auch die West-Ost Verbindung des römischen Straßenrasters im mittelalterlichen Straßenbild im Alleengrün zwischen der Kaiserstraße und der Südallee ansatzweise überdauern. Das hängt auch damit zusammen, dass die mittelalterliche Stadt eine um rund ein Drittel reduzierte Siedlungsfläche hatte. Am heutigen Pferdemarkt bildete sich ein weiteres Zentrum heraus, das heute noch gut als sternförmiges Zusammentreffen von sieben Straßenzügen im Straßennetz erkennbar ist. Im Spätmittelalter entwickelte sich die ehemalige Streusiedlung zu einer immer dichter bebauten Stadt mit einem gleichzeitig ansteigenden Wirtschaftsleben, in dem sich die Zünfte etablieren konnten. Im Straßenbild Triers dominieren nun immer mehr geschlossene Häuserzeilen, die sich vor allem an den beschriebenen Verkehrsadern bildeten.
Die mittelalterliche Stadtbefestigung Der Bau der Stadtmauer wurde nach ersten Arbeiten unter seinen Vorgängern im 11. Jahrhundert insbesondere durch Anstrengungen des Erzbischofs Albero von Montreuil (um 1080/85-1152, Erzbischof von Trier 1132- 1152) um das Jahr 1143 vorangetrieben. Rund ein Jahrhundert später unter Arnold II. von Isenburg (1190-1259, Erzbischof von Trier 1242-1259) wurde der Bau weitgehend abgeschlossen.
Der Verlauf der Stadtmauer entlang des heutigen heutigen Alleenrings richtete sich an der römischen West-Ost Verbindung von der Römerbrücke über die Kaiserthermen bis hin zum Amphitheater aus. Die Kaiserthermen wurden zur Eckbastion mit mittelalterlichem Stadttor ausgebaut. Von dort verlief die neue mittelalterliche Stadtmauer nach Norden auf den heutigen Standort des Balduinbrunnens zu. Von hier aus, auf einem nördlichen Teilstück in Richtung Mosel, kam es zu einer teilweisen Einbindung der römischen Mauerreste. Die übrigen römischen Mauerreste fielen nun meist endgültig dem Steinraub zum Opfer, jedoch sind sie zum Teil noch im Verlauf einzelner Straßenzüge erkennbar, die sich am ehemaligen römischen Stadtmauerverlauf orientieren. Die mittelalterlichen Mauer verläuft teil parallel zur Ringstraße der römischen Stadtbefestigung, exemplarisch zu erkennen in der Bergstraße im Osten und der Töpferstraße im Süden (ehemals Ziegelstraße). Das Ende der mittelalterlichen Stadtbefestigung hing mit dem „starken städtischen Wachstum im 19. Jahrhundert zwischen 1888 und 1912“ zusammen (Landesbildstelle Rheinland-Pfalz Koblenz 1986, S. 8), bei dem die Stadt über den mittelalterlichen Mauerring hinauswuchs, der seine Funktion als städtische Umrandung und Sicherung verlor.
Vergleich des römischen und des mittelalterlichen Straßenrasters Legt man das römische und das mittelalterliche Straßenraster übereinander, so fällt auf, dass die Straßen südlich der mittelalterlichen Stadtbefestigung deutlichere Anhaltspunkte für das frühere römische Straßenraster liefern. Die Saarstraße repräsentiert noch den südlichen Teil des ‚cardo’, ferner sind die Gilbertstraße und die Nikolausstraße sowie die diese kreuzende Friedrich-Wilhelm Straße noch mit dem römischen Straßenraster deckungsgleich. Die Verläufe der der Gilbertstraße und der Nikolausstraße konnten sich wohl auch deshalb so gut erhalten, da es nach dem Abzug der römischen Administration zu einer Stadtverkleinerung kam, in deren Folge die römischen Straßenzüge im Südteil außerhalb der mittelalterlichen Stadtgrenze lagen und damit nicht vollends der Überprägung ausgesetzt waren, wie dies beim römischen Straßenraster innerhalb des späteren mittelalterlichen Mauerberings der Fall war. Im ehemals südlichen Bering der römischen Stadt „wurden die römischen Straßen als Feldwege weiter genutzt, eine Tatsache, die sich auch nach der Aufsiedlung dieser Bereiche während des 19. Jahrhunderts bis heute im Stadtplan widerspiegelt“ (Clemens 2007, S. 75 f.). Darüber hinaus ist die Feldstraße im Westen ebenfalls kongruent mit dem römischen Straßenraster. Sie bildet mit ihren Verlängerungen Windmühlenstraße (nördlich) und Lorenz-Kellner Straße (südlich) die westliche Begrenzung der römischen Gründungsstadt, wodurch sich dieser Straßenzug ebenfalls sehr an das römische Straßenraster anlehnt.
Abschlussbetrachtung Es wird ersichtlich, dass Trier rund 1500 Jahre benötigte, um wieder die Ausdehnung der spätantiken Stadt zu erreichen. Im Mittelalter kam es jedoch zur Verschiebung des Siedlungsschwerpunktes vom römischen Forum am Kreuzungspunkt der Hauptachsen des römischen Straßenrasters hin zum Dombereich. Der heutige Dombereich, der sich zum ersten neuen mittelalterlichen Zentrum herausbildete, geht noch auf Kaiser Konstantin den Großen (um 275-337, römischer Kaiser 306-337) selbst zurück und fußt auf einer Doppelkirchenanlage im Norden der Konstantinischen Großbauten.
In der Folge entwickelte sich im nördlichen Bereich der ehemaligen Kaiserresidenz der Markplatz mit seiner umliegenden Bebauung zu einem zweiten Zentrum in unmittelbarer Nähe des Domes.
(Christoph Jürgens, Universität Koblenz-Landau, 2014)
Trier im Mittelalter. (2000 Jahre Trier, Band 2.) S. 9ff, Trier.
Clemens, Lukas (1998)
Trier um 1120. Prolegomena zum Versuch einer Stadtrekonstruktion (mit Plakatbeilage „Trier um 1120“). In: Funde und Ausgrabungen im Bezirk Trier, hrsg. vom Rheinischen Landesmuseum Trier, Band 30, S. 91-108. Trier.
Clemens, Lukas; Clemens, Gabriele (2007)
Geschichte der Stadt Trier. S. 67ff, München.
Cüppers, Heinz (1990)
Die Römer in Rheinland-Pfalz. 616, Stuttgart.
Kessler, Marzena (2015)
Das städtische Bauwesen in Trier am Ende des Mittelalters (1370-1520). (Trierer historische Forschungen 69.) Trier.
Landesbildstelle Rheinland-Pfalz (Hrsg.) (1984)
Trier und seine Region im Luftbild. S. 43ff, Koblenz.
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