Durch zahlreiche Tragödien und tödliche Unfälle wurde die Rennstrecke als „Grüne Hölle“ weltbekannt – sie gilt daneben auch als „Millionengrab“. Seit den letzten größeren Umbauten 2001/2002 beträgt die Länge der Grand Prix-Strecke 5,148 Kilometer und die der Nordschleife 20,832 Kilometer.
Die Idee zu einer Eifel-Rennstrecke
„Gebirgs-, Renn- und Prüfungsstraße“ – Bau, Eröffnung und erste Jahre
„Hitler hat das gebaut“ – der Nürburgring unter dem Hakenkreuz
„Grüne Hölle“ – Mythos und Tragödien
6:11,13 – Rekorde und Ehrungen
Neue Grand Prix-Strecke ab 1984, „Truck-Grand-Prix“ und „Rock am Ring“
Investitionsruinen „Motorland 1990“ und „Nürburgring 2009“
Aktuelle Situation und Ausblick
Hinweis, Quellen, Internet, Literatur
Die Idee zu einer Eifel-Rennstrecke
Nachdem bereits vor der Wende zum 20. Jahrhundert aus den ersten Vergleichsfahrten der Automobilhersteller allmählich echte Autorennen wurden und diese dann zu Beginn des 20. Jahrhunderts zunehmend populärer wurden, kamen schon in den 1900er-Jahren die ersten Ideen zu einer vom Straßenverkehr unabhängigen Renn- und Teststrecke für die Automobilhersteller auf.
Schon unter Kaiser Wilhelm II., von dem zwar das Zitat „Ich glaube an das Pferd, das Automobil ist nur eine vorübergehende Erscheinung“ kolportiert wird, der aber nichtsdestotrotz als großer Bewunderer der neuen Technik galt und seit 1905 auch Schirmherr des Kaiserlichen Automobil-Clubs war, reifte der Wunsch nach einer „eigenen Strecke für die deutsche Industrie“.
Aufgrund ihrer Topographie mit vielen Steigungs- und Gefällestrecken wurde die Eifel bereits seinerzeit als bestgeeigneter Ort für einen solchen Kurs angesehen. Schwindendes Interesse, mangelnde Finanzierungsmöglichkeiten und nicht zuletzt der Erste Weltkrieg machten erste Planungen allerdings zunichte.
Erst die zunehmende Motorisierung nach dem Krieg sorgte für eine Wiederbelebung des Motorsports und beflügelte erneut das Interesse an einer geeigneten Rennstrecke, zumal die immer noch auf abgesperrten öffentlichen Straßen durchgeführten Rennen für alle Beteiligten lebensgefährlich waren. Auch die 1921 als Autobahn-Stadtring eröffnete Berliner Automobil-Verkehrs- und Übungs-Straße (AVUS) konnte den Anforderungen nur bedingt gerecht werden.
Vor allem der von 1924 bis 1932 amtierende Landrat des damals „ärmsten Kreises im Land“ Adenau, Dr. Otto Creutz (1889-1951), förderte die Idee einer Automobil-Rennstrecke inmitten der Eifel – der auch „preußisch Sibirien“ genannten Region, die durch einen staatlichen Eifelfonds wirtschaftlich subventioniert werden musste. Bau und Betrieb der Strecke sollten sowohl die Wirtschaft wie auch den Tourismus in der kargen und traditionell strukturschwachen Eifel fördern (Haffke / Knöchel 2013, S. 231f. und rheinische-geschichte.lvr.de).
Zunächst war auch hier lediglich ein Verlauf über bereits bestehende Straßen angedacht, ähnlich dem Kurs der seit 1922 bei Nideggen im Kreis Düren ausgetragenen Eifelrennen des ADAC. Dessen Austragung im Juli 1924 besuchten Dr. Creutz und seine Mitstreiter aus dem Kreistag in Adenau – zu nennen sind hier v.a. der Nürburger Gemeindevorsteher Hans Pauly, der örtliche Bäckermeister Franz-Xaver Weber und Hans-W. Weidenbrück, ein Bonner Kaufmann, der die Jagd in Nürburg gepachtet hatte. Nach dem Rennen stand Dr. Creutz dem Vorhaben zunächst ablehnend gegenüber, vor allem weil Besucher, Bewohner und auch das Vieh trotz der Absperrungen ständig über die Strecke des Eifelrennens liefen:
„Ich lasse mir doch meine Kühe nicht über den Haufen fahren. Ich bin in erster Linie Landrat für die Bauern hier und dann erst für die Autofahrer.“ (zitiert nach Ridder 2019)
Da sich der Landrat jedoch vom Bau einer Rennstrecke eine maßgebliche Verbesserung der Wirtschafts- und Infrastruktur in der Eifel versprach, entwickelte Creutz die Idee eines völlig neu zu bauenden Kurses „um die Nürburg herum, mit Über- und Unterführungen ... eine Gebirgsrennstrecke ganz losgelöst vom normalen Verkehr“ (ebd.) – also genau das Vorhaben, das schließlich von einem eigens zu diesem Zweck gegründeten örtlichen Automobilclub (unter dem Vorsitz von Landrat Dr. Creutz) und vom Kölner ADAC gefördert, als größte Arbeitsbeschaffungsmaßnahme des deutschen Reiches umgesetzt wurde.
Am 15. April 1925 traf sich Landrat Creutz in Berlin mit Vertretern des Preußischen Wohlfahrtsministeriums und des Reichsverkehrsministeriums und erläuterte diesen die Wichtigkeit der geplanten Rennstrecke als dringliche Notstandsmaßnahme. Der Bau der Strecke wurde nun endgültig beschlossen, wobei die Gesamtkosten auf zunächst 2,5 Millionen Reichsmark veranschlagt wurden, was noch im gleichen Jahr auf 4 Millionen und 1926 auf 5 Millionen korrigiert wurde. Ende April 1925 begann man mit den ersten Vermessungsarbeiten.
Ein erstes kleineres Autorennen rund um die Nürburg fand kurz nach dem ersten Spatenstich für die neue Strecke am 10. Juli 1925 statt. Vom ADAC Köln ausgerichtet, führte die Route über öffentliche Straßen von Adenau aus über die Orte Breidscheid, Döttingen, Virneburg, Boos und Kelberg (Ridder 2019), was einer Strecke von gut 40 Kilometern entsprach.
Am gleichen Tag fand auf der Nürburg eine öffentliche Versammlung statt, bei der Natur- und Heimatschutzverbände die Gelegenheit bekamen, Stellungnahmen zu der geplanten Rennstrecke vorzubringen. Etwa 110 Anwesende brachten Bedenken vor, darunter auch der Eifelverein, der eine Verunstaltung der Eifellandschaft befürchtete. Die Einsprüche wurden jedoch von den genehmigenden Behörden als gegenstandslos verworfen (www.pro-steilstrecke.de und www.rheinische-geschichte.lvr.de).
„Gebirgs-, Renn- und Prüfungsstraße“ – Bau, Eröffnung und erste Jahre
Der Baubeginn an der neuen Rennstrecke erfolgte zum 1. Juli 1925, obwohl die erforderliche Genehmigung erst am 13. August erteilt wurde. Der Grundstein im Bereich des Start- und Zielgeländes wurde am 27. September 1925 gelegt. Am 30. Oktober 1925 wurde der offzielle Name „Nürburg-Ring“ für den während der Planungen „Erste Deutsche Gebirgs-, Renn- und Prüfungsstraße für Kraftfahrzeuge“ benannten Kurs festgesetzt.
Bis zur Eröffnung beliefen sich die Baukosten letztlich auf insgesamt 8,1 Millionen Reichsmark, wobei bis zu 3.000 Arbeiter in Lohn und Brot standen.
Nach zweijähriger Bauzeit wurde der Nürburgring am 18. und 19. Juni 1927 mit dem zuvor im Kreis Düren ausgetragenen Eifelrennen eingeweiht. Das Hauptrennen über 340 Kilometer (12 Runden auf dem Gesamtkurs inklusive der Beton- und der Südschleife) gewann der im nahegelegenen Remagen geborene Rudolf „Karratsch“ Caracciola (1901-1959) auf Mercedes-Benz in 3:33:21,0 Stunden, was einer Durchschnittsgeschwindigkeit von rund 96 km/h entsprach.
Beim Eifelrennen 1931 erfolgte erstmals eine Radioübertragung und 1936 wurde ein festes Rundfunkkabel rund um den Ring verlegt, um das Geschehen auf der längsten Rennstrecke der Welt aktueller kommentieren zu können (Rhein-Zeitung 2017).
Das Ziel einer nachhaltigen Wirtschaftsförderung konnte der Nürburgring indes nur bedingt erfüllen: Kostenexplosionen verursachten bereits in den 1930er-Jahren erste wirtschaftliche Probleme am „Ring“ und bedingt durch die Weltwirtschaftskrise ab 1929/30 fielen die „Großen Preise von Deutschland“ 1930 und 1933 aus. Gleichwohl stand dem bereits in den ersten Jahren ein bis heute ungebrochener Zuspruch rennsportbegeisterter Massen gegenüber. Zum Grand Prix am 23. Juli 1939 bejubelten nur sechs Wochen vor Beginn des Zweiten Weltkriegs 100.000 Zuschauer den Sieger Caracciola.
„Hitler hat das gebaut“ – der Nürburgring unter dem Hakenkreuz
Die nationalsozialistische Machtergreifung brachte nach 1933 auch an der noch jungen, aber bereits überaus populären Rennstrecke ihre Veränderungen mit sich. Der Nürburgring wurde durch die NS-Propaganda vereinnahmt, die die Rennfahrer zu Nationalhelden stilisierte, welche die Überlegenheit der deutschen Fahrzeuge in heldenhaften „Rennschlachten“ demonstrierten: „Dann ist die SA aufmarschiert. Alles im Namen von Hitler, Hitler hat das gebaut – das haben viele geglaubt“, erinnerte sich noch 70 Jahre später die Zeitzeugin Gisela Herbstrith (1922-2021), die Tochter des seit Anfang 1933 im Ruhestand befindlichen vormaligen Landrats Dr. Otto Creutz (Zitat nach wdr.de 2014). Als Mitglied der katholischen Zentrumspartei ein Gegner der Nazi-Ideologie, stand der geistige Vater des Nürburgrings den NS-Herrschern bei ihrer propagandistischen Vereinnahmung im Wege und wurde 1938 wegen angeblicher Untreue zu einem Jahr Gefängnis verurteilt (Ridder 2019 und www.rppd-rlp.de).
„Auf dem Nürburgring ist Otto Creutz jetzt nicht mehr erwünscht [und] muss die Rennen am Radio verfolgen. Zu sehen, wie die Autos um die Kurven schießen, das Benzin zu riechen – das alles bleibt ihm verwehrt.“ (nach wdr.de).
Im Zweiten Weltkrieg wurden die Anlagen zu großen Teilen zerstört. Nach der Wiederherstellung unter der französischen Besatzung erfolgte die Wiedereröffnung des Rings mit einem Rennen im Jahr 1947.
Grand Prix-Veranstaltungen fanden erst ab 1951 wieder in der Eifel statt – und das mit Erfolg: Alleine der Große Preis von Deutschland und Europa von 1954 lockte bereits wieder 300.000 Zuschauer an die Strecke (sogar „mehr als 400.000“ nennt Förster 2011, S. 31).
Dr. Otto Creutz wurde während der Nachkriegs-Besatzungszeit von den US-Amerikanern 1945 als Landrat im bayrischen Eggenfelden eingesetzt, wo es aber zu „neuen Unregelmäßigkeiten“ kam weswegen er bereits 1946 wieder abgesetzt wurde. Creutz erfuhr Zeit seines Lebens keine Rehabilitierung und wählte am 21. Februar 1951 in einer Freiburger Heilanstalt den Freitod. Später wurde sein Leichnam nach Adenau umgebettet (Ridder 2019).
Seit 2002 erinnert ein Gedenkstein vor dem Dorint-Hotel an ihn (neben dem ursprünglich vor dem Fahrerlager gelegten Grundstein des Rings) und im Ring-Städtchen Adenau wurde der zentrale Dr.-Creutz-Platz nach dem Schöpfer des Nürburgrings benannt.
„Grüne Hölle“ – Mythos und Tragödien
Bereits zur Eröffnung 1927 konstatierte ein englischer Journalist, dass „man wohl einen torkelnden Riesen im Vollrausch losgeschickt hat, um die Strecke festzulegen“ (nuerburgring.de, Nordschleife).
Es ist vor allem die klassische, 22,8 Kilometer lange Nordschleife, die bis Anfang der 1970er-Jahre noch häufig zusammen mit der 7,7 Kilometer langen Südschleife befahren wurde, der der Ring rasch seinen Ruf als furchteinflößende und unbarmherzige Strecke verdankte: Über Steigungen von bis zu 17 Prozent – die Steilstrecke, ein separater Abschnitt von 450 Metern Länge, weist sogar 27 Prozent Steigung auf! – ging es über rund 60 bis 70 Kurven durch die Eifelwälder (Anzahl der Kurven je nach Zählweise, die Rhein-Zeitung nennt 2017 sogar „173 Kurven – 89 nach links und 84 nach rechts“). Bis 1970/71 noch ohne Leitplanken, dafür aber über Sprungkuppen und Steilkurven wie dem Karussell.
Das erste Todesopfer war bereits am 15. Juli 1928 zu beklagen, als der tschechoslowakische Rennfahrer Čeněk Junek (1894-1928) mit seinem Bugatti 35B am Streckenabschnitt Bergwerk tödlich verunglückte. Ihm folgten zahlreiche weitere tödliche Unfälle und Tragödien, die bereits in den ersten Jahren des Bestehens der Rennstrecke ihren eher zweifelhaften Status begründeten. Selbst Ring-Legende Caracciola soll hier Rennen mit den Worten „Ich bin doch nicht verrückt!“ vorzeitig aufgegeben haben. Jochen Rindt (1942-1970), der später tödlich verunglückte Formel-1-Weltmeister von 1970, brachte es nach seiner ersten Fahrt auf dem „Ring“ auf den Punkt: „Ich hatte richtig Angst.“ (Förster 2011, S. 18)
Seinen bekannten Namen „Grüne Hölle“ verdankt der Kurs dem schottischen Rennfahrer Sir John Young „Jackie“ Stewart (*1939, dreifacher Formel 1-Weltmeister 1969, 1971 und 1973 und Grand Prix-Sieger auf dem Nürburgring 1968, 1971 und 1973).
Schon längst vor dem wohl berüchtigtsten Unglück auf dem Nürburgring, dem spektakulären Feuerunfall des österreichischen Rennfahrers Andreas Nikolaus „Niki“ Lauda (1949-2019, dreifacher Formel 1-Weltmeister 1975, 1977 und 1984) vor dem Streckenabschnitt Bergwerk beim Großen Preis von Deutschland am 1. August 1976, war das Ende der Nordschleife als Grand Prix-Kurs beschlossen, auch wenn die Legende „wegen des Lauda-Unfalls“ teils noch bis heute gepflegt wird (vgl. RSR Nürburgring GmbH 2019, S. 39).
Den nach zahlreichen tödlichen Unfällen in den 1960er- und 1970er-Jahren immens gestiegenen Sicherheitsanforderungen des hochtechnisierten Motorsports der höheren Rennklassen war der alte Kurs nicht mehr gewachsen. Presseberichten zufolge hatten alleine bis 1976 insgesamt 78 Rennfahrer auf dem Ring den Tod gefunden. Nicht erfasst sind dabei weitere Todesopfer bei Touristenfahrten auf der Nordschleife, wo man für seinerzeit 4 DM eine mehr oder weniger schnelle Runde drehen konnte (wdr.de ). 2019 betrug der Preis für dieses nun als „Green Hell Driving“ bezeichnete Vergnügen 25 € bzw. von Freitag bis Sonntag 30 € (nuerburgring.de).
Nach Laudas schwerem Unfall bilanzierte das Nachrichtenmagazin Der Spiegel:
„Außer zehn Formel-1-Rennfahrern starben fast 300 Menschen am Ring. Fast 80 bei kleineren Rennen oder Versuchsfahrten, dazu 53 Ausflügler, die sich mit eigenem Auto oder Motorrad auf den Kurs begeben hatten. Vier Zuschauer und ein Streckenposten wurden bislang von Trümmern erschlagen. Mehr als 150 Menschen starben bei den An- und Abfahrten zur abgelegenen Rennstrecke.“ (Der Spiegel 33/1976)
Zu den Gefahren, aber auch zur Faszination der Strecke zitiert der Artikel den Kölner Formel-1-Fahrer Rolf Stommelen (1943-1983), der später bei einem Sportwagenrennen in Kalifornien tödlich verunglückte (Behrndt / Födisch 2012, S. 142-145, Kräling / Messer 2013, S. 46-51):
„Der Ring ist die schönste, aber auch die schwerste Rennstrecke der Welt. Am Karussell oder im Kesselchen, auf der Hohen Acht oder im sogenannten Schwalbenschwanz geraten auch die besten Fahrer der Welt in Schwierigkeiten. Auf Wehrseifen muß die Geschwindigkeit in der Regel auf weniger als 100 km/h gedrosselt werden, weil die Kurve nach außen hin abfällt. Am Schwedenkreuz kann man bis zu Tempo 270 aufdrehen. Am Flugplatz oder auf der Döttinger Höhe, wo mehr als 300 km/h erreicht werden, heben die Rennwagen manchmal meterhoch und bis zu 20 Meter weit ab. Keine andere Rennpiste katapultiert Rennwagen so vehement, daß die Metallteile bei der Landung Funken schlagen und grell klingen, als würden hundert Glocken gegeneinanderschlagen.“ (Der Spiegel 33/1976)
6:11,13 – Rekorde und Ehrungen
Am 28. Mai 1983 erzielte Stefan Bellof (1957-1985) beim Training zum in diesem Jahr letztmalig auf der Nordschleife ausgetragenen 1000-km-Rennen mit seinem Werks-Porsche 956-007 der Sportwagen-Gruppe C eine Rundenzeit von 6:11,13 Minuten. Die Rekordfahrt mit einem Schnitt von 202,07 km/h erfolgte durch seinerzeitige Bauarbeiten bedingt auf einer verkürzten Distanz von 20,835 Kilometern und konnte danach aufgrund nicht mehr zugelassener Fahrzeug-Kategorien regulär nicht mehr unterboten werden. Der später ebenfalls bei einem Sportwagenrennen im belgischen Spa-Francorchamps tödlich verunglückte Bellof gilt damit – wenn auch inoffiziell – als schnellster Nordschleifen-Pilot (Behrndt u.a. 2008, S. 140, Hézard / Legangneux 2011, S. 89, Behrndt / Födisch 2012, S. 149-153, Kräling / Messer 2013, S. 82-91).
Die eigentlich als „Streckenrekord für die Ewigkeit“ geltende Runde Bellofs wurde erst 35 Jahre später von Timo Bernhard (*1981) unterboten. Der Porsche-Werkspilot fuhr am Morgen des 29. Juni 2018 mit einem Porsche 919 Hybrid Evo eine Zeit von 5:19,546 Minuten, was einem Durchschnitt von 234,69 km/h entspricht. Da diese Fahrt allerdings mit einem speziell dafür aufbereiteten Prototypen-Fahrzeug und quasi unter Laborbedingungen auf freier Strecke erfolgte, werden „Puristen und Rennhistoriker den neuen Rekord vermutlich nicht gelten lassen“ (www.auto-motor-und-sport.de).
Stefan Bellof fuhr seine Bestmarke im Rahmen eines Rennwochenendes „im Verkehr“ und mit einem den technischen Regularien entsprechenden Fahrzeug. Ihm zu Ehren wurde 2013 zum 30. Jahrestag des Rekords ein Streckenabschnitt im Pflanzgarten in Stefan-Bellof-S umbenannt.
Bereits 2001 wurde die Karussell-Steilkurve anlässlich des hundertsten Geburtstags von Rudolf „Karratsch“ Caracciola (1901-1959), dem Rekordsieger des Großen Preises von Deutschland – 1926 auf der Berliner AVUS sowie 1928, 1931, 1932, 1937 und 1939 auf dem Nürburgring – offiziell in Caracciola-Karussell umbenannt. 2017 wurde Caracciola mit einem Denkmal in Form einer Bronzebüste geehrt.
Ferner werden vor Ort durch individuell gewidmete Denkmäler die Automobilrennfahrer Wolfgang Graf Berghe von Trips (1928-1961) und Juan Manuel Fangio (1911-1995) geehrt sowie weitere rund 60 mit dem „Ring“ verbundene Motorsportler und Funktionäre über die namentliche Benennung der Garagenboxen im alten Nürburgring-Fahrerlager.
Auf der neuen Grand Prix-Strecke trägt das frühere Shell-S seit 2007 zu Ehren des siebenfachen Formel 1-Weltmeisters Michael Schumacher (*1969) den Namen Michael-Schumacher-S.
Am 18. Juni 2021 wurde die erste Linkskurve der Nordschleife, die vormalige Nordkehre unmittelbar nach dem Streckenabschnitt Tribüne T13, nach der Autorennfahrerin Sabine Schmitz (1969-2021, zeitweise verheiratete Reck) offiziell in Sabine-Schmitz-Kurve umbenannt. Die bereits zu ihren Lebzeiten überaus populäre „Königin der Nordschleife“ hatte sich 1996 und 1997 gleich zweimal in die Siegerliste des bedeutenden 24-Stunden-Rennens eintragen können.
Neue Grand Prix-Strecke ab 1984, „Truck-Grand-Prix“ und „Rock am Ring“
Von 1977 bis 2008 fand der Grand Prix von Deutschland der Formel 1 auf der Rennstrecke im badischen Hockenheim statt. Eine Ausnahme war das Jahr 1985, als der Große Preis auf der neu erbauten Grand Prix-Strecke Nürburgring gastierte. Die Bauarbeiten zum „neuen“ Ring hatten am 30. November 1981 begonnen und zum 12. Mai 1984 konnte die seinerzeit „modernste Rennstrecke der Welt“ mit zunächst sechs Links- und acht Rechtskurven über 4,542 Kilometer (im Jahr 2000 erweitert auf 5,1 km) und einer Kapazität für 120.000 Zuschauer eröffnet werden. Mit letztlich 82 Millionen DM wurden die 1977 ursprünglich projektierten Baukosten von 79 Millionen aus heutiger Sicht eher gering überschritten (Förster 2011, S. 35-36 und wdr.de).
Seit den letzten größeren Umbauten 2001/2002 beträgt die Länge der Grand Prix-Strecke 5,148 Kilometer und die der Nordschleife 20,832 Kilometer.
Konkurrierend mit Hockenheim beherbergte der Nürburgring nun – quasi ersatzweise – zumeist den Großen Preis von Europa (1984, 1995, 1996 und 2000 bis 2007) sowie den Großen Preis von Luxemburg (1997 und 1998). Seit 2009 fand der deutsche Formel 1-Grand Prix im Wechsel zwischen Hockenheim und Nürburgring statt.
Bis heute gilt der Nürburgring als die bekannteste Motorsport-Rennstrecke der Welt. Neben der Formel 1 mit ihrem nach wie vor großem Zuschauerzuspruch (über 110.000 an drei Veranstaltungstagen 2013) sind das 24-Stunden-Rennen für Tourenwagen (seit 1970) und seit den 1980er-Jahren die Lkw-Renn-Veranstaltung „Truck-Grand-Prix“ – beide in guten Jahren mit jeweils bis zu 220.000 Besuchern – die größten Veranstaltungen auf dem Ring. Neben zahlreichen weiteren Motorrad-, Oldtimer- und Markenpokal-Rennen sowie Lauf- und Radsportveranstaltungen hat sich auch das seit 1985 jährlich stattfindende mehrtägige Musikfestival „Rock am Ring“ mit rund 80.000 Zuschauern fest als Veranstaltung etabliert.
Investitionsruinen „Motorland 1990“ und „Nürburgring 2009“
Fast schon traditionell steht seit Jahrzehnten ein undurchsichtiges Finanzgebaren der Betreiber und Investoren im Focus der öffentlichen Wahrnehmung und hat die Rennstrecke auch als Millionengrab bekannt gemacht (Haffke 2010 und Hahne 2010). Überdies fällt es von wenigen Ausnahmen abgesehen – zu nennen ist hier der nach wie vor ungebrochene Zuspruch von Zuschauern während der nicht immer glimpflich verlaufenden Touristenfahrten auf der Nordschleife – zunehmend schwer, die sport-, gesellschafts- und kulturgeschichtliche Bedeutung sowie überkommene Traditionen der historischen Rennstrecke zu erfassen.
Ein letztlich gescheitertes Projekt „Motorland 1990“ aus den 1980er-Jahren (ein Vergnügungszentrum in Form eines 700 Meter langen Rennwagens, vgl. Abbildung bei Haffke 2010, S. 76) ließ bereits erahnen, dass bezüglich der Vermarktung und des Betriebs ein immer größeres Augenmerk auf zunehmend Motorsport-fremde Unterhaltung in einer „Erlebniswelt“ liegen würde.
Die heutigen Angebote zu „Fun, Action, Shopping, Entertainment & Events“ der im Rahmen des mit mehr als 300 Millionen Euro Steuergeldern subventionierten Projekts „Nürburgring 2009“ neu geschaffenen Bereiche ring°arena, ring°boulevard und ring°werk tragen dem deutlich Rechnung (vgl. etwa die Rubriken unter nuerburgring.de). Stellvertretend sei hier nur eine deutlich überambitionierte Stahl-Achterbahn ring°racer genannt, die aufgrund technischer Probleme (mehrere Explosionen im Probebetrieb) und einem erst im Nachhinein als unzureichend erkanntem Sicherheitskonzept mit rund viereinhalb Jahren Verspätung erst Ende 2013 ihren Betrieb aufnehmen konnte. Und auch die im „Eifeldorf Grüne Hölle“ (u.a. mit einer Diskothek „Eifel Stadl“…) verwirklichte Architektur bewegt sich in ihrem Stil irgendwo zwischen Fachwerk-Kitsch und Schwarzwald-Romantik – kann aber keinesfalls als Eifel-typisch bezeichnet werden (vgl. Haffke 2010, S. 65ff. und Hahne 2010).
Aktuelle Situation und Ausblick
Rennstrecke und Freizeitpark, deren Betreibergesellschaften sich mehrheitlich in Eigentümerschaft des Landes Rheinland-Pfalz und des Landkreis Ahrweiler befanden, meldeten im Mai 2013 Insolvenz an und standen zum Verkauf. Am 11. März 2014 erhielt die capricom-group – ein Technologie-, Immobilien-, und Autozulieferer-Unternehmen – den Zuschlag über die Vermögensgegenstände und das operative Geschäft zum 1. Januar 2015 (capricorngroup.net). Der Kaufpreis betrugt 77 Millionen Euro, verbunden mit einer Zusage über Investitionen vor Ort von 25 Millionen Euro. Das defizitäre „Eifeldorf“ sollte abgerissen werden und ebenso die als Symbol für den „Pleiten-Ring“ geltende Achterbahn ring°racer.
Aufgrund von Vertragsstreitigkeiten fand das „Rock am Ring“-Spektakel in den Jahren 2015 und 2016 auf dem rund 40 Kilometer entfernten Gelände des ehemaligen Bundeswehr-Flugplatzes in Mendig (Kreis Mayen-Koblenz) statt. 2017 und in den Folgejahren fand es wieder auf dem Nürburgring statt (bis zu den Absagen 2020 und 2021 infolge der Corona-Pandemie).
Die für das Prestige einer Rennstrecke ungemein wichtige, aber für die Betreiber unrentabel-teure Formel 1 gastierte zuletzt 2013 mit einem Großen Preis in der Eifel. Nachdem lange Zeit nicht absehbar war, ob die höchste Rennserie überhaupt jemals an den Ring zurückkehrt, gastierte die Formel 1 aufgrund von Verschiebungen des Rennkalenders infolge der COVID-19-Pandemie einmalig unter der Bezeichung „Großer Preis der Eifel“ am 11. Oktober 2020 auf dem Nürburgring.
Es gab immer wieder Bestrebungen, die historischen Teile des Nürburgrings – insbesondere das alte Fahrerlager, die Südschleife und die Reste der Steilstrecke (vgl. die untergeordneten Objekte) – unter Denkmalschutz zu stellen. Die Denkmalliste des Kreises Ahrweiler weist diese jedoch nicht als Denkmale aus (Denkmalverzeichnis Kreis Ahrweiler 2013 und Folgejahre).
(Franz-Josef Knöchel, LVR-Redaktion KuLaDig, 2014/2021)
Hinweis
Die Automobilrennstrecke Nürburgring war KuLaDig-Objekt des Monats im April 2017.
Quellen
- „Ende der Hölle“ (Der Spiegel 39/1976 vom 09.08.1976, S. 75-76).
- „Die 80-jährige Gisela Herbstrith, Tochter des Nürburgring-Erbauers Dr. Otto Creutz, genoss eine Runde auf der Nordschleife“ (Rhein-Zeitung vom 05.10.2002).
- „Preußisch Sibirien erwacht. Der Bau des Nürburgrings bringt Geld und Arbeit in die mittellose Eifel“ (Rhein-Zeitung vom 25.03.2017).
- Klaus Ridder: „Recherchen über den Nürburgringerbauer Dr. Otto Creutz“ (Blick aktuell Mayen / Vordereifel, Nr. 32/2019, S. 42).
Internet
www.nuerburgring.de: Historie (abgerufen 06.02.2017 u. 28.10.2019)
www.nuerburgring.de: Historie (abgerufen 20.01.2014, Inhalt nicht mehr verfügbar 06.02.2017)
www.nuerburgring.de: Ihr Herz schlug für den Nürburgring - Gisela Herbstrith verstorben (Pressemeldung vom 13.01.2021, abgerufen 18.03.2021)
www.rppd-rlp.de: Rheinland-Pfälzische Personendatenbank, Ludwig Joseph Otto Creutz, 1889-1951 (abgerufen 28.10.2019)
de.wikipedia.org: Hans Weidenbrück (abgerufen 28.10.2019)
de.wikipedia.org: Nürburgring (abgerufen 28.10.2019)
www.pro-steilstrecke.de: Der Nürburgring während der Bauphase (abgerufen 28.10.2019)
www.wdr.de: WDR-Fernsehen Mediathek, „Doku am Freitag: Geheimnis Nürburgring“, Buch und Regie Carsten Günther (Sendung vom 31.01.2014, abgerufen 04.02.2014)
www.geheimnisvolleorte.wdr.de und www1.wdr.de/fernsehen: Interaktives E-Book zum Film „Doku am Freitag: Geheimnis Nürburgring“ (abgerufen 13.02.2014)
www.rheinische-geschichte.lvr.de: Der Nürburgring 1925-1945 (abgerufen 04.02.2014)
www.capricorngroup.net: Pressemeldung vom 11.03.2014 (PDF-Datei, 1,75 MB, abgerufen 12.03.2014, Inhalt nicht mehr verfügbar 10.01.2017)
www.auto-motor-und-sport.de: Porsche fährt Nordschleifen-Rekord – 919 pulverisiert Bellof-Bestmarke (abgerufen 04.07.2018)