Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts erweiterte sich Vingst über den ursprünglichen Dorfkern hinaus. Insbesondere die Phase als Bürgermeisterei 1900 bis 1910 mit Bürgermeister Aloys Kuth ist in ihrer Dynamik hervorzuheben, das Bürgermeisterhaus in der Heßhofstraße ist das Symbol dieser Zeitenwende in der Siedlungsgeschichte. Eine entscheidende Zäsur war die Eingemeindung nach Köln am 1. April 1910. Das rechtsrheinische Köln erfuhr innerhalb der industriellen Expansion eine erhebliche Bevölkerungszunahme. Fabriken, Wohnsiedlungen, Kirchen, Verkehrsmaßnahmen, Grün- und Sportanlagen und vieles mehr prägten auch den Ortsteil Vingst. Die nachfolgende Darstellung geht räumlich zum Teil über die Verwaltungsgrenzen hinaus und beschreibt Objekte, die in Ostheim oder in Höhenberg liegen, allerdings für Vingst von Bedeutung sind. Dazu gehören zum Beispiel der Vingster Berg oder das Vingster Bad. Kulturlandschaftliche Bezüge entsprechen nicht immer den administrativen Strukturen.
Überlieferte Strukturen Wenn auch die erheblichen Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg und die intensive Bautätigkeit nach 1948 Vingst stark verändert haben, so lassen sich noch Strukturen und Bauten aus der vorherigen Zeit erkennen. Weiterhin sind einige Aktivitäten der Nackriegszeit mittlerweile wiederum abgeschlossen und damit „historisch“, da die gegenwärtige Stadtplanung neue Akzente setzt, wie zum Beispiel die umfänglichen Sanierungen der Wohnsiedlungen. Weitere Beispiele für neu Hinzugekommenes sind einmal der Vingster Berg am Vingster Ring, bestehend aus Trümmerschutt des Zweiten Weltkrieges, der mittlerweile bepflanzt ist und der Naherholung dient. Auch das Vingster Freibad ist nicht natürlichen Ursprungs, sondern aus einer ehemaligen Kiesgrube hervorgegangen.
Das Straßennetz gibt die im 20. Jahrhundert angelegte Ortsstruktur wieder, während die heutige Bebauung in Vingst überwiegend nach 1945 entstanden ist. Einzelne Gebäude, die älter sind, stehen innerhalb von Häuserzeilen, gelegentlich in einer anderen Fluchtlinie. Große Siedlungen, die zunächst auch Flüchtlinge aufnahmen, wurden errichtet. Ein Beispiel hierfür sind die Übergangswohnhäuser in Schlichtbauweise entlang der Würzburger Straße, die 1947/1948 errichtet wurden. Diese waren als Provisorien geplant, blieben aber für sozial schwächere Familien bestehen. Zwischen Waldstraße, Kuthstraße und Lustheider Straße entstand die Siedlung Vingst. Einzelne Baukomplexe zwischen Burgstraße und Oranienstraße wurden noch in den 1950er Jahren entsprechend gefördert und waren Inhabern eines Flüchtlingsausweises vorbehalten.
Im Ortsbild auffällig sind verkehrstechnische Maßnahmen beim Autobahnbau, dem Straßenbau insgesamt, die Verlagerung der obertägigen Straßenbahn in die unterirdische U-Bahn seit 1981 und bauliche Lückenschließungen in den Straßen. Bis in die 1970er Jahre gab es noch zahlreiche kriegsbedingte Baulücken, vorher in den 1960er Jahren noch Bauruinen, die Kindern als Spielplätze dienten, wie der mundartlich genannte „Berg“ in der Burgstraße.
Identität Die Zugehörigkeit zu einer Siedlung bzw. zu einer Wohnstraße war für Jugendliche in den 1960er und 1970er Jahren in Vingst für die Identität wichtig und führte gelegentlich zu Auseinandersetzungen beim Betreten dieser „Territorien“ von Bewohnern anderer Straßen. Baulich bildete sich dies mit den Laubenganghäusern in der Würzburger Straße, der Passauerstraße, dem Matthias-Kann-Pfad oder der großzügigeren Bebauung der Burgstraße ab. Die Bevölkerung setzte sich aus Flüchtlingen, ab den 1960er Jahren in dieser Zeit sogenannten „Gastarbeitern“ mit nachfolgenden Familienzuzug, und hohem Arbeiteranteil zusammen. Der wirtschaftliche Umbau mit Schließung von Fabriken wie der Chemischen Fabrik Kalk oder Klöckner Humboldt Deutz führten zu hohen Arbeitslosenzahlen und damit einhergehenden strukturellen Problemen. Gleichwohl prägt das Miteinander der Menschen in Vingst diesen Ortsteil und macht dessen regionale Identität und Engagement aus.
Baulich auffällig ist die katholische Kirche Sankt Theodor, vom Architekten Paul Böhm (*1959) entworfen und 2002 geweiht, nachdem der Vorgängerbau durch ein Erdbeben Schaden genommen hat. Die Gemeinde ist insbesondere durch das Wirken von Pfarrer Meurer überregional bekannt. Ebenfalls in der Burgstraße steht die evangelische Erlöserkirche. Weitere große Bauten sind die beiden Schulen in der Schulstraße und an der Lustheider Straße. Vingst erfuhr somit im 20. Jahrhundert eine Umwandlung zu einem Arbeiterwohnort. Hervorzuheben ist als Besonderheit die Produktionsstätte der Firma Kronenbrot inmitten umgebender Wohnbebauung. Olfaktorisch bereichert diese Firma die städtische Kulturlandschaft mit dem Duft von Gebackenem, während der Geruch der Industrialisierung Vergangenheit ist. Insbesondere die Emmissionen der Chemischen Fabrik Kalk haben bei entsprechenden Wetterlagen dazu beigetragen.
Verkehrstechnisch ist die historische Verbindung mit Kalk anhand der beiden großen Straßenverbindungen Ostheimer Straße und Olpener Straße noch deutlich erkennbar und bildet damit den räumlichen Bezug zu Klöckner-Humboldt-Deutz und zur Chemischen Fabrik Kalk. Identitätsprägend für Vingst ist zweifellos der Fußballverein „SSV Vingst 05“ (Sport- und Spielverein 1905 Köln e. V.) mit Sportplätzen und einer herausragenden Vereinsgeschichte.
Der Strukturwandel und die Sanierungen in den letzten Jahren haben vieles verändert, viele Gebäude mit einer Alltagsgeschichte sind aber noch vorhanden: die ehemaligen, mittlerweile umgenutzen Lebensmittelgeschäfte wie Ecke Ostheimer Straße/Burgstraße, Ecke Regensburger Straße/Olpener Straße und in der Oranienstraße, der „Tante-Emma-Laden“ von Frau Kürten an der Ostheimer Straße, ein typischer einstöckiger Flachbau der Nachkriegszeit zwischen höhergeschossigen Bauten, das ehemalige Postamt in der Burgstraße noch mit vorhandener Telefonzelle und daneben der ehemalige Kiosk von Frau Kummer, das Gebäude mit dem ehemaligen Vorortkino „Metro“ an der Olpener Straße, in dem Sonntags jeweils um 11:00 und um 13:00 Uhr für 1,50 DM Filme für Kinder gezeigt worden sind und vieles mehr an Orten der Alltagsgeschichte der Menschen, die in Vingst aufgewachsen sind.
Dies sind bauliche erinnerungsbiographische Ankerpunkte im funktionalen Wandel eines Stadtteiles, dessen Geschichte geprägt ist von Menschen, die zuwanderten, heimisch wurden und diesen Ortsteil heute prägen.
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