Der 1953 angelegte Friedhof liegt am Petersberg an der ehemaligen Bubenheimer Flesche. Er ist zugleich der östlich-untere Teil Lützeler Volksparks, der wiederum auf die Feste Kaiser Franz als Teil der Gesamtfestungsanlage Koblenz zurückgeht.
Mitgestaltet wurde der Friedhof maßgeblich von Gartenbaudirektor Hans Wilhelm Mutzbauer (1908-1968), der ab 1950 unter anderem auch für den Wiederaufbau der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Friedhöfe und Parkanlagen der Stadt Koblenz zuständig war, darunter die Koblenzer Rheinanlagen. Mutzbauer ließ den in Mitleidenschaft gezogenen Volkspark neu anlegen. Am Westrand des Friedhofs zieht sich heute noch sichtbar die ehemalige Kommunikation von der Bubenheimer Flesche zur Feste Franz entlang.
„Die räumliche Aufteilung des Vorplatzes der Friedhofshalle mit der Treppenanlage als Verbindung zu den Grabstätten auf den oberen Feldern ist bemerkenswert. Die Blickachse führt über die Treppenanlage hinweg zu einem Hochkreuz, das auf der ehemaligen Grabenwehr des Festungswerks steht, zur Festung Ehrenbreitstein, die aber in der Vegetationszeit durch die dahinter stehenden Laubbäume verdeckt ist. Am Eingangsbereich steht eine Basaltstele zum Gedenken an die Kriegstoten. Sie befindet sich inmitten einer von Efeu bedeckten Fläche. Sehenswert sind zahlreiche Gräber mit Madonnen und Engeln sowie eine fast vergessene Gedenktafel für den Gründer des Koblenzer Tierschutzvereins Friedrich Halter. Träger des Friedhofs ist die Stadt Koblenz.“ (de.wikipedia.org)
Auf dem rund 4,2 Hektar Fläche einnehmenden Friedhof finden sich Wahl-, Reihen-, Urnenreihen- und Urnenwahlgräber. Von der Stadt initiiert wurde im Herbst 2010 ein muslimisches Begräbnisfeld angelegt, das jedoch mit der unmittelbar benachbarten Tahir-Moschee in keiner Verbindung steht. Im Süden grenzt der bereits 1870 angelegte französische Soldaten- und Kriegsgefangenen-Friedhof an.
Grabstätten von Sinti und Roma
Sehens- und bemerkenswert sind die zahlreichen Grabstätten von Sinti und Roma, die sich auf dem Lützeler Friedhof verteilen und die durch ihre mehrheitlich prachtvolle Gestaltung auffallen.
Sinti (auch Sinte) ist die Bezeichnung für eine der Ethnien, die im deutschsprachigen Raum unter dem Wortpaar Sinti und Roma zusammengefasst werden. Die Anwesenheit dieser kulturell heterogenen europäischen Gesamtminderheit ist in Mittel- und Westeuropa bereits seit dem Anfang des 15. Jahrhunderts belegt. Die immer wieder durch Phasen relativer Sesshaftigkeit unterbrochenen, über Jahrhunderte andauernden Wanderbewegungen der zumindest in früheren Zeiten mehrheitlich nicht-sesshafte Gruppen, hatten diese im Verlauf des 15. Jahrhunderts von Indien aus über den Balkan nach Mittel- und Westeuropa geführt. Trotz der früh einsetzenden obrigkeitlichen Ausgrenzung durch zahlreiche gegen diese ethnischen Gruppen gerichtete Edikte während der Neuzeit, gelang es dem „wandernden Volk“ seine kulturelle Identität zu bewahren. Bis heute pflegen viele Angehörige ihre traditionelle, (halb-)nomadisierende Lebensweise mit reisegebundenen Tätigkeiten.
Die Ethnien wurden historisch meist als „Zigeuner“ bezeichnet und vielfach diskriminiert und verfolgt (zu dieser Fremdbezeichnung vgl. ausführlicher hier). Heute wird allgemein die Verwendung des Wortpaares Sinti und Roma als respektvoll und weitgehend angemessen angesehen.
Sinti und Roma gehören verschiedenen Religionen oder Konfessionen an. In Westeuropa überwiegen katholische Christen, viele verehren besonders die christliche Gottesmutter Maria.
Einige der ehemaligen Gebäude der Feste Franz in Lützel wurden bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Sinti und Roma besiedelt, die dort zum Teil in menschenunwürdigen Verhältnissen lebten. Viele von ihnen wurden zur Zeit des Nationalsozialismus gemeinsam mit Juden und anderen Minderheiten vom Güterbahnhof Lützel aus in die NS- Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert.
Der Verband Deutscher Sinti und Roma berichtet zu den Geschehnissen in Koblenz:
„Im Jahr 1940 wurden 63 Koblenzer Bürger*innen in Konzentrations- und Arbeitslager im besetzten Polen verschleppt. Außergewöhnlich ist hierbei, dass die Deportationsliste noch vorhanden ist. Auf dieser sind die Namen der Familien Bamberger, Bern, Duckheim, Freiwald, Reinhardt, Steinberger und Weiß verzeichnet. Am 10. März 1943 wurden weitere Koblenzer Sinti und Roma gemeinsam mit Sinti und Roma aus der Umgebung, welche am Tag zuvor bereits in die Stadt gebracht worden waren, in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Viele dieser Menschen wurden im Frühjahr desselben Jahres bei Massenvergasungen ermordet. 1943 und 1944 folgten weitere Deportationen aus Koblenz in das Vernichtungslager. Die wenigen Überlebenden kehrten nach dem Ende der NS-Zeit teilweise wieder nach Koblenz zurück.“ (www.vdsr-rlp.de)
Die Internetseite Mahnmal Koblenz erinnert über eine virtuelle Dauerausstellung an Personen, die Opfer der Naziherrschaft wurden oder diese überlebt haben, ferner an ihre Herkunftsorte und Stätten der Verfolgung (www.mahnmalkoblenz.de). Unweit des Deutschen Ecks erinnert seit 1997 ein Gedenkstein am Peter-Altmeier-Ufer an die im Nationalsozialismus verfolgten und ermordeten Sinti und Roma aus Koblenz und Umgebung.
„Trotz allem siedelten diese Familien bzw. ihre Angehörigen nach dem Zweiten Weltkrieg erneut in der verlassenen Feste Franz. Um 1950 lebten wieder rund 200 Menschen auf dem Petersberg. Da dieses Elendsviertel einen schlechten Ruf bei der restlichen Bevölkerung hatte und die Straftaten im Bereich der Feste Franz in wenigen Jahren stark zunahmen, entschied man sich seitens der Stadt, die Bewohner in neue Wohnanlagen umzusiedeln und das Reduit zu zerstören.“ (zitiert nach Bauer 2013, zur Feste Franz)
Die Bestattungskultur der Sinti und Roma weicht von der hierzulande meist gewohnten „rheinisch-christlichen“ durch besondere Eigenheiten ab. Auffallend sind viele in ihrer Architektur und ihrer Ausstattung aufwendig gestaltete Grabstätten mit zierenden Säulen und weiteren Schmuckelementen, was vereinzelt zu Kritik und Anstoß führt(e).
Die häufig vom „üblichen“ abweichende äußere Gestaltung der Gräber von Sinti und Roma wurde noch 2023 von der als linksalternativ geltenden taz im Tenor eher engstirnig als „Groß, kitschig, raumgreifend … mit allerlei Nippes … Reproduktion von Klischees … Grabstätten im ‚Baumarktstil' … Protz-Gräber … die Darstellung eines Aschenbechers mit brennender Zigarette ...“ kritisiert (taz.de).
An einigen Gräbern werden besondere Attribute ausgewiesen, die auf die Biographie oder den Status der verstorbenen Person hinweisen, darunter in Lützel u.a. (vgl. Abb.):
- die Gravur einer goldenen Krone als Hinweis auf den „königlichen“ Rang des Verstorbenen als Oberhaupt eines Familienverbandes (hier der Familie Steinbach),
- zahlreiche, teils in aufwendiger Gravur auf den Grabsteinen angebrachte Fotoporträts der Verstorbenen,
- Musikinstrumente wie Gitarre und Akkordeon,
- gleich mehrere Campingfahrzeuge bzw. -anhänger als Ausweis der Zugehörigkeit zu einem fahrenden Volk.
Ferner befinden sich in Lützel an einigen Gräbern Sitzgelegenheiten, die für längere Aufenthalte der Hinterbliebenen bei ihren Verstorbenen dienen.
Häufig erscheint auf den Grabsteinen in Lützel der Name Reinhardt. Auch dieser Koblenzer Familienverband hatte während der Nazi-Herrschaft zahlreiche Opfer zu beklagen.
Ihr heute wohl bekanntester Angehöriger ist der Koblenzer Sinti-Gitarrist Lulo Reinhardt (*1961), dessen Vater Bawo Reinhardt (1941-2013) als Kind mit seinen Eltern ins Lager Auschwitz deportiert wurde. Anders als viele seiner Familienmitglieder kehrte Bawo wieder zurück ins zerbombte Koblenz, wo er im rechtsrheinischen Fort Asterstein unter armseligen Verhältnissen die ersten Nachkriegsjahre verbrachte. Später wurde die Familie in Koblenz-Asterstein seßhaft. Bawo Reinhardt fand seine letzte Ruhestätte auf dem Lützeler Freidhof.
Für seinen in Koblenz aufgewachsenen Sohn Lulo und dessen beide ebenfalls als Musiker des „Gipsy-Jazz“ bedeutsame Onkel, der Gitarrist Daweli Reinhardt (1932-2016) und der Geiger Schnuckenack Reinhardt (1921-2006), spielte die Musik des großen französischen Gitarristen, Komponisten und Bandleaders Jean „Django“ Reinhardt (1910-1953) eine große Rolle als Inspiration. Schnuckenack war ein Großneffe des französischen Gitarristen „Django“, der als Begründer und Vorreiter des europäischen Jazz gilt (portal.dnb.de).
Zur Bestattungskultur der Roma und Sinti vgl. ausführlicher die Grabstätten von Sinti und Roma auf dem Friedhof Bonn-Beuel.
(Franz-Josef Knöchel, Digitales Kulturerbe LVR, 2025)
Quelle
Freundliche Hinweise von Frau Tina Merfeld, Architekturbüro Okfen & Schneiders Kaisersesch, 2024.
Internet
www.koblenzer-stadtgruen-friedhoefe.de: Eigenbetrieb der Stadt Koblenz, Grünflächen- und Bestattungswesen (abgerufen 03.02.2025)
de.wikipedia.org: Koblenz-Lützel (abgerufen 03.02.2025)
mahnmal-koblenz.de: Daweli Reinhardt (Sinto-Kind aus Koblenz) (abgerufen 03.02.2025)
mahnmal-koblenz.de: Familie Karl Reinhardt (Sinti-Familie aus Koblenz) (abgerufen 03.02.2025)
portal.dnb.de: Schnuckenack Reinhardt im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek (abgerufen 03.02.2025)
www.vdsr-rlp.de: Verband Deutscher Sinti und Roma, Landesverband Rheinland-Pfalz, Gedenkstätte Koblenz (abgerufen 03.02.2025)
taz.de: Grabstätten von Roma und Sinti - Endlich ist Ruhe (Text Eiken Bruhn, 03.11.2023, abgerufen 03.02.2025)
zentralrat.sintiundroma.de: Zentralrat Deutscher Sinti und Roma (abgerufen 03.02.2025)