Die 1822, nach sechs Jahren Bauzeit, fertiggestellte Feste Kaiser Franz war Teil der Gesamtfestungsanlage Koblenz, die Mitte des 19. Jahrhunderts als größte ihrer Art in ganz Europa galt. Neben der Feste Kaiser Franz, benannt nach dem gleichnamigen österreichischen Kaiser und Verbündeten Preußens, zählten auch das Fort Großfürst Konstantin, die Feste Kaiser Alexander auf der Karthause sowie die Festung Ehrenbreitstein auf der gegenüberliegenden Rheinseite zur Gesamtfestungsanlage.
Die Feste Kaiser Franz im Koblenzer Stadtteil Lützel wurde im Laufe der 1820er Jahre erweitert und bildete zusammen mit der Bubenheimer Flesche (Flesche=Schanze aus zwei ausspringenden Winkeln), der Neuendorfer Flesche, der Moselflesche und den drei Schanzen (kleine Feldbefestigungen aus Holz und Erdreich) in Metternich, Rübenach und am Rhein das Festungssystem Feste Franz. Alle großen Bauten wurden zudem mit unterirdischen Gängen verbunden. Als Hauptwerk lag die Feste Kaiser Franz, die eine Angriffsseite in Form eines halben Sechsecks Richtung Stadt besaß, auf dem leicht erhöhten Plateau Petersberg.
Im Zuge des Deutsch-Französischen Krieges wurde auf dem Festungsareal in Lützel ein Gefangenen- und Krankenlager für bis zu 4.000 Personen errichtet. Gleichzeitig eröffnete man am Fuße des Petersberges einen Friedhof, der als letzte Ruhestätte für die gefallenen Soldaten diente. Ab 1890 wurden die einzelnen Fleschen und Schanzen nacheinander aufgegeben und abgerissen. Vor und während des Ersten Weltkrieges entstanden auf diesen Bauflächen Feldartillerie-Einheiten. Nach dem verlorenen Krieg zog ein Teil des französischen Heeres in die Gebäudekomplexe der Feste Franz. Acht Jahre war dort das Kavallerie-Regiment Nr. 28 stationiert. Im Anschluss dienten die Unterkünfte als Wohnungen für Familien, die durch die Besatzung aus ihren bisherigen Wohnungen verdrängt wurden. Außerdem wurden weitere Wanderer-Heime in zwei ehemaligen Reithallen errichtet. Während des Zweiten Weltkrieges dienten die Wohnungen als Barackenlager der Deutschen Arbeiterfront. Ca. 1.000 ausländische Arbeiter lebten auf dem alten Festungsareal und wurden in Firmen im Umkreis eingesetzt.
Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden einige der ehemaligen Festungsgebäude von Sinti und Roma besiedelt. Dort lebten sie zum Teil in menschenunwürdigen Verhältnissen. Im März 1943 begann die Deportation der Familien in das Vernichtungslager Auschwitz. Trotz allem siedelten diese Familien bzw. ihre Angehörigen nach dem Zweiten Weltkrieg erneut in der verlassenen Feste Franz. Um 1950 lebten wieder rund 200 Menschen auf dem Petersberg. Da dieses Elendsviertel einen schlechten Ruf bei der restlichen Bevölkerung hatte und die Straftaten im Bereich der Feste Franz in wenigen Jahren stark zunahmen, entschied man sich seitens der Stadt, die Bewohner in neue Wohnanlagen umzusiedeln und das Reduit zu zerstören.
Nachdem in den 1980er Jahren der Erhalt des historischen Gemäuers sowie die Umnutzung des Areals thematisiert, alle diskutierten Vorschläge jedoch verworfen wurden, dauerte es bis 1997, als sich der Verein Feste Franz e.V. gründete, um das Gelände vor dem weiteren Verfall zu retten.
(Tobias Bauer, Universität Koblenz-Landau, 2013)
Literatur
Bellinghausen, Hans (1971)
2000 Jahre Koblenz. Geschichte der Stadt an Rhein und Mosel. Boppard.
Feste Kaiser Franz e.V. (Hrsg.) (2008)
Feste Kaiser Franz. Koblenz.
Michel, Fritz / Clemen, Paul (Hrsg.) (1937)
Die kirchlichen Denkmäler der Stadt Koblenz. (Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, Band 20.1.) Düsseldorf.
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