Annoloch in der Kölner Stadtmauer

„Annostollen“ oder „Katzenpforte“, Relikt der frühen Stadtbefestigung in der Tiefgarage unter der Domplatte

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Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege, Landeskunde
Gemeinde(n): Köln
Kreis(e): Köln
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Koordinate WGS84 50° 56′ 29,95″ N: 6° 57′ 23,41″ O 50,94165°N: 6,9565°O
Koordinate UTM 32.356.435,19 m: 5.645.324,92 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.567.271,39 m: 5.645.591,60 m
  • Blick auf den Abschnitt der früheren Kölner Stadtbefestigung im Bereich des so genannten "Annolochs" (auch "Annostollen" oder "Katzenpforte") in der Tiefgarage unter der Domplatte (2012).

    Blick auf den Abschnitt der früheren Kölner Stadtbefestigung im Bereich des so genannten "Annolochs" (auch "Annostollen" oder "Katzenpforte") in der Tiefgarage unter der Domplatte (2012).

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  • Der Schrein des Kölner Erzbischofs Anno II. (um 1010-1075) in der Siegburger Abteikirche Michaelsberg (2009).

    Der Schrein des Kölner Erzbischofs Anno II. (um 1010-1075) in der Siegburger Abteikirche Michaelsberg (2009).

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  • Detailaufnahme des Mosaiks über dem Eingangsportal zur Stiftskirche St. Georg in der Georgstraße in Köln-Altstadt/Süd (2021).

    Detailaufnahme des Mosaiks über dem Eingangsportal zur Stiftskirche St. Georg in der Georgstraße in Köln-Altstadt/Süd (2021).

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Das nach der nachfolgend geschilderten Legende benannte „Annoloch“ (bzw. „Annostollen“ oder mit unklarer Namensherkunft auch „Katzenpforte“) findet sich als Relikt der frühen Kölner Stadtbefestigung westlich der Kathedralkirche unter der Domplatte. Beim Bau der dortigen Tiefgarage wurde der Stollen mit der Lücke in der Stadtmauer freigelegt. Der Zugang liegt an der Einfahrt zur Tiefgarage gegenüber dem Excelsior Hotel Ernst (Wilhelm 2008).

Die Kölner Stadtbefestigung im 11. Jahrhundert
Erzbischof Anno II. von Köln
Der Kölner Aufstand von 1074
Quellen, Internet, Literatur

Die Kölner Stadtbefestigung im 11. Jahrhundert
Vor dem eigentlichen Ausbau der mittelalterlichen Kölner Stadtmauer (beginnend mit der zweiten Stadterweiterung von 1106 bis 1141) diente zwischen dem Bereich des Doms und dem Rheinufer ein wohl im 10. Jahrhundert als nördliche Verlängerung der einstigen Römermauer zum Fluss hin angelegter Graben mit Wall neben der Trankgasse zum Schutz des damaligen Stadtgebiets (vgl. dazu auch den Eintrag zum Frankenturm).
Die römischen Mauern und Tore waren offenbar noch zu Erzbischof Annos Zeiten in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts erhalten und wurden zu Verteidigungszwecken genutzt: „At vero Coloniensibus ad arma conclamantibus, ac pro defensione civitatis hostiles impetus bellicis apparantibus hac et illac per murum observantibus“ („So riefen die Kölner zu den Waffen, um ihre Stadt gegen die feindlichen Angriffe zu verteidigen und beobachteten dies alles von ihrer Mauer aus“, Vita Annonis, S. 480, hier um das Jahr 1057; vgl. Keussen 1910).
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Erzbischof Anno II. von Köln
Der heute als Heiliger der katholischen Kirche verehrte Anno II. von Köln (~1010-1075, auch Hanno von Steußlingen / Steusslingen) amtierte von 1056 bis zu seinem Tod als Erzbischof von Köln. Zugleich war er kraft seines Amtes auch Erzkanzler für Italien sowie Erzkanzler der römischen Kirche und damit ein bedeutender weltlicher Machtpolitiker. Auf dem Zenit seiner Machtentfaltung war Anno ab 1062 de facto Regent des römisch-deutschen Reiches, nachdem er beim so genannten „Staatsstreich“ in der Pfalz Kaiserswerth durch eine spektakuläre Entführung den noch jugendlichen Salierkönig Heinrich IV. (1050-1106) bis zu dessen Erlangung der Mündigkeit durch die Schwertleite (der formelle Akt zur Aufnahme in die Ritterschaft) 1065 unter seine Kontrolle brachte.
Die Kölner Bevölkerung fremdelte bereits seit seinem Amtsantritt mit dem aus Schwaben stammenden Anno, der entgegen den meisten seiner Vorgänger auch nicht dem Hochadel, sondern „nur“ dem Edelfreiengeschlecht von Steusslingen angehörte. Der Erzbischof galt als asketisch, selbstherrlich und streng, was schließlich aus eher geringem Anlass zu einem Aufstand der Stadt gegen den ungeliebten Machthaber führte.
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Der Kölner Aufstand von 1074
Anlässlich eines Besuchs des Bischofs Friedrich I. von Münster (~1020-1084, amtierte seit 1064) in der Osterwoche 1074 wollte Anno diesem eine günstige Gelegenheit zur Heimfahrt bieten und ließ zu diesem Zweck im Kölner Hafen das Schiff eines Kaufmanns beschlagnahmen. Der Schiffseigner widersetzte sich jedoch dieser Maßnahme und schnell war die ganze Stadt so aufgebracht, dass Anno nichts Anderes übrigblieb, als sich mit seinem Gefolge vor der mordlustigen Bevölkerung im Dom zu verschanzen. Ein Kleriker, den man irrtümlich für Erzbischof Anno hielt, wurde derweil von der tobenden Menge getötet.
Anno konnte sich dem Aufstand der Kölner Bürgerschaft nur mit Mühe entziehen und sein Leben vor der erregten Masse retten, indem er des Nachts durch einen eigens dafür gegrabenen kleinen Durchlass in der Stadtbefestigung mit ein paar Getreuen unentdeckt aus der Domstadt nach Neuss entkam. In Annos Vita wird die wohl eher schmähliche Flucht durch das Mauerloch als „göttliche Erretttung“ beschrieben: „Deo ad salutem archiepiscopi hoc ipsum misericorditer providente, ut rupto muro civitatis parvulum sibi posticium facere sineretur.“ („Durch die Gnade Gottes ermöglichte ein Durchbruch in der Stadtmauer den sicheren Rückzug des Erzbischofs“, Vita Annonis, S. 493)

Nachdem die Revolte durch Annos Ritter mit aller Härte niedergeschlagen worden war, kehrte der Bischof vier Tage später zur Belagerung seiner Stadt nach Köln zurück. Angesichts der Waffenkraft seiner Gefolgsleute ergaben sich die Aufständischen rasch, öffneten die Stadttore und ließen den Erzbischof ein. Nachdem Anno die Aufrührer aufgefordert hatte, zu ihren Taten zu stehen und Buße zu tun, um Vergebung zu erlangen, nahm er grausame Rache an den Bürgern:
„Die Empörer flohen theils aus der Stadt, theils baten sie um Gnade; ohne Widerstand zu finden, konnte der Erzbischof in die Stadt einziehen. Als jedoch in den folgenden Tagen seinem Geheiß gemäß die Empörer sich dem Gerichte stellen sollten, erschien Niemand; die Folge war ein furchtbares Strafgericht, welches über die Stadt verhängt wurde und ihren Wohlstand schwer beschädigte.“ (Lindner 1875)
Bei seinem drakonischen Strafgericht ließ Anno zahlreiche Kölner Rädelsführer des Aufstands blenden (angeblich sogar die Hälfte aller Einwohner) und nachfolgend verließen an die 600 Kaufleute die Stadt. Dem Bericht des Geschichtsschreibers Lampert von Hersfeld (vor 1028-~1082/85) zufolge war die Stadt danach „fast völlig verödet und schauriges Schweigen herrschte auf den leeren Straßen.“
Erst ein Jahr später hob Anno die Bannsprüche auf und erstattete konfiszierten Besitz zurück.
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Nach seinem Tod nur wenige Monate später am 4. Dezember 1075 wurde Anno auf Verlangen des dortigen Konventes in der von ihm mitbegründeten Benediktinerabtei Siegburg beigesetzt. Im Zuge seiner im Jahre 1183 erfolgten Heiligsprechung wurden seine Gebeine im reich verzierten „Annoschrein“ bestattet. Dieser soll zumindest teilweise vom dem Goldschmied Nikolaus von Verdun (~1130/40-nach 1205) geschaffen worden sein, auf den auch der Dreikönigenschrein im Kölner Dom zurückgeht. Der Schrein wurde 2012 dem Erzbistum Köln geschenkt und ist seitdem in der Schatzkammer der Siegburger Pfarrkirche St. Servatius ausgestellt. Die Reliquien des Heiligen Anno wurden 2021 in einen neugeschaffenen modernen Schrein in der neuen Annokapelle der Abteikirche eingebracht.

In der Domstadt ist Anno II. als „Schutzheiliger der Stadt“ in Form einer der insgesamt 124 Kölner Ratsturmfiguren im „Kölner Himmel“ dargestellt. Die von zwei Versicherungsgesellschaften gestiftete Figur Nr. 118 im vierten Obergeschoss an der Südseite des Ratsturmes wurde am 8. Oktober 1990 übergeben. Der ausführende Bildhauer war Werner Franzen (1928-2014).

(Franz-Josef Knöchel, Digitales Kulturerbe LVR, 2023)

Quellen
  • Vita Annonis Archiepiscopi Coloniensis (Vita Annonis), in: Monumenta Germaniae Historica, MGH SS XI, S. 462-518. Digitale Volltext-Ausgabe unter www.dmgh.de (abgerufen 13.01.2023).
  • Theodor Lindner: Anno II. der Heilige, Erzbischof von Köln, in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 1 (1875), S. 472-475. Digitale Volltext-Ausgabe unter de.wikisource.org (abgerufen 13.01.2023).

Internet
www.koeln-lotse.de: Erzbischof Anno II. - ne janz fiese Möpp! (Uli, der Köln-Lotse vom 22.01.2022, abgerufen 13.01.2023)
koelschgaenger.net: Der Erzbischof in der Tiefgarage (Text Ramona Krippner, abgerufen 14.11.2022)
www.ksta.de: Wo der Erzbischof sich aus dem Staub gemacht hat (Kölner Stadtanzeiger vom 08.07.2005, abgerufen 14.11.2022)
www.rheinische-geschichte.lvr.de: Anno II. von Köln, Erzbischof von Köln (circa 1010-1075) (Text Matthias Koch, abgerufen 13.01.2023)
www.heiligenlexikon.de: Ökumenisches Heiligenlexikon, Anno II. von Köln (abgerufen 13.01.2023)
de-academic.com: Annoloch (abgerufen 14.11.2022)
de.wikipedia.org: Annoschrein (abgerufen 13.01.2023)
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Literatur

Angermann, Norbert; Auty, Robert; Bautier, Robert-Henri (2002)
Lexikon des Mittelalters. LexMA, dtv-Ausgabe in 9 Bänden. Bd. 1, Sp. 666-668, München.
Keussen, Hermann (1910)
Topographie der Stadt Köln im Mittelalter, erster Band. (gekrönte Preisschrift, Preis-Schriften der Mevissen-Stiftung.) S. 6*-7*, Bonn. Online verfügbar: www.ub.uni-koeln.de, Keussen, Topographie, Bd. 1, abgerufen am 14.09.2022
Lück, Dieter (1977)
Anno II. von Köln (ca. 1010-1075). In: Rheinische Lebensbilder, hrsg. im Auftrag der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde, S. 7-24. Köln.
Mittler, Mauritius / Geschichts- und Altertumsverein für Siegburg und den Rhein-Sieg-Kreis (Hrsg.) (1975)
Vita Annonis minor. Die jüngere Annovita, lateinisch-deutsch. (Veröffentlichung des Geschichts- und Altertumsvereins für Siegburg und den Rhein-Sieg-Kreis e.V. 13 / Siegburger Studien 10.) Siegburg.
Wilhelm, Jürgen (Hrsg.) (2008)
Das große Köln-Lexikon. S. 22-23, Köln (2. Auflage).

Annoloch in der Kölner Stadtmauer

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
Trankgasse / Domplatte
Ort
50667 Köln - Altstadt-Nord
Fachsicht(en)
Kulturlandschaftspflege, Landeskunde
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Auswertung historischer Karten, Literaturauswertung, Auswertung historischer Schriften
Historischer Zeitraum
Beginn vor 1074

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„Annoloch in der Kölner Stadtmauer”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-344357 (Abgerufen: 24. April 2024)
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