Das einstige Hofgut Lehmen bzw. Lehmer Hof war eine befestigte kleine Burgsiedlung mit eigener Kapelle. Die Kleinsiedlung befand sich an einer Furt (ein Flussübergang an einer seichten Stelle) an der Mündung des Lehmerbachs in die Mosel. Die Siedlung fiel zum Ende des 19. Jahrhunderts wüst und ist heute verschwunden. Neben ein paar spärlichen Mauerfragmenten ist ein romanischer Wohn- und Wehrturm der letzte bauliche Überrest (vgl. den hier untergeordneten Objekteintrag). Die unmittelbar an der Bundesstraße B 49 liegende frühere Moselfurt ist seit 1986 Teil des Naturschutzgebietes „Ediger Laach“.
Zur Geschichte der Siedlung Die beiden Orte Ediger und Eller waren bereits in vorrömischer und römischer Zeit besiedelt. Hierauf weisen Gräber und Ruinen hin, darunter das in unmittelbarer Nähe des Lehmener Wohnturms befindliche „Römergrab von Nehren“, eine auf das 3. bis 4. Jahrhundert n. Chr. datierte Grabanlage (Wegner 2005, S. 107-111 u. S. 159-163 und Bienert 2008, S. 54-55). Die beiden Siedlungen liegen als so genannte „Fährgassendörfer“ an den Ausgängen von drei Seitentälern, aus denen jeweils von Norden her kommende Bäche in die Mosel münden: der Ellerbach, der Pehrbach und der Lehmerbach. In Eller soll sich bereits im 6. Jahrhundert ein Kloster befunden haben, das auf den nach 517 hier missionierenden heiligen Fridolin von Säckingen († 538?) zurückgehen soll und dem heiligen Hilarius von Poitiers (um 315-367/68) geweiht war (Bienert 2008, S. 54, LexMA, Bd. IV, Sp. 917 und Bd. V, Sp. 9-10 sowie www.heiligenlexikon.de). Urkundlich erstmals erwähnt werden die beiden Orte der heutigen Doppelgemeinde Ediger-Eller als villa Edegrin und villa Elra in der ersten Hälfte des 7. Jahrhundert (Flach 2008, S. 60). Vor Ort wird der Ursprung des Namens Ediger über das keltische Wort ethegreia auf die Bedeutung „Sandufer“ zurückgeführt (www.ediger-eller.de, Weindörfer).
Friedhoff vermutet, dass sich bereits im Mittelalter um den Hof Lehmen „eine kleine Siedlung mit mehreren Höfen, die sich z. T. im Besitz von Adelsfamilien befanden“ gebildet habe: „Einer dieser Höfe war als trierisches Lehen im Besitz des Geschlechts von Burgthorn und fiel nach dessen Aussterben 1548 an Georg von Eltz. Ob sich der Namen der Familie von Burgthorn von dem Wohnturm herleitet, ist zwar wahrscheinlich, lässt sich jedoch nicht sicher klären. Zur Besitz- und Nutzungsgeschichte des Lehmener Hofes liegen bislang keine detaillierten Untersuchungen vor.“ (EBIDAT)
Mögliche Beziehungen zum Ort Lehmen im Landkreis Mayen-Koblenz Ein Ort Lehmen, auf den die Benennung des Hofgutes bei Ediger zurückgehen könnte, liegt von hier aus etwa 45 Kilometer entfernt flussabwärts. Die heutige Ortsgemeinde Lehmen im Landkreis Mayen-Koblenz wurde im Jahr 865 erstmals als villa liomena urkundlich erwähnt (MRhUB 1, Nr. 104).
Ritter von Lehmen erscheinen im 13. Jahrhundert recht häufig in rheinischen Urkunden, so etwa ein Ritter Werner (Warnerus miles de Limene) im Jahr 1227 unter Nennung seiner Eltern Otto und Sibille sowie seines Bruders Heinrich (Henrici, vgl. MRhUB 3, Nr. 337), dann ein Ritter Stefan (Stephanus) im Jahr 1246 mit Gattin Stephania und den Söhnen Konrad (Conradus) und Johannes sowie seinem Verwandten Siegfried (Sifridus, ebd., Nr. 854) und um 1258/59 ein Ritter Rudolf (ebd., Nr. 1479). Möglicherweise zeigt sich ein erster Bezug der Lehmener Ritter zum Hof gleichen Namens bereits in einer Urkunde von 1187, in der der Probst Gerhard des Simeonsstifts in Trier seinem Kapitel einen „zum Lehmener Hof“ (curtis nostre que est lyemene pertinentem) gehörigen Berg zur Anlegung von Weingärten überlässt (MrhUB 2, Nr. 87). Allerdings lässt diese Formulierung nur unsicher einen Bezug zu dem Ort Lehmen erkennen. Auch die Tatsache, dass der bereits vorab genannte Ritter Werner von Lehmen dann im Jahr 1227 gegenüber dem vom Hofgut Lehmen nur etwa drei Kilometer entfernt gelegenen Kloster Stuben auf dortige Grundstücke verzichtet (MrhUB 3, Nr. 337), könnte ein Hinweis auf eine entsprechende Beziehung sein. Eine solche Art „Fernbeziehung“ wäre keineswegs ungewöhnlich – auch der im Jahr 1233 genannte Namensgeber des Trierer Frankenturms, ein dominus Franco de Sygenheim, stammte wohl aus dem wiederum nahe Ediger gelegenen Ort Senheim (ebd., Nr. 487).
Das Ende der Kleinsiedlung Lehmen Mit dem Aussterben der männlichen Linie der Ritter von Lehmen fiel das nunmehr „Gut zu Leimen“ genannte Hofgut im 17. Jahrhundert an ein Geschlecht de Roben mit Stammsitz in der heutigen belgischen Provinz Lüttich. Für 1791 wird als Besitzer ein spanischer Brigadegeneral Marquis de Roben genannt. Etwa 1801 wurde die Hofanlage von den de Robens aufgegeben (de.wikpedia.org). In seinen Erläuterungen zu der Karte der politischen und administrativen Eintheilung der heutigen preussischen Rheinprovinz für das Jahr 1789 im Geschichtlichen Atlas der Rheinprovinz führt Wilhelm Fabricius die Siedlung im Amt Zell, Gericht Eller des Oberen Trierer Erzstifts unter „Ediger mit Lehmerhof (Kochem)“ an. Die Gemarkungsgröße für Ort und Hof wird mit 1108 Hektar bei 523 Einwohnern für 1787 angegeben (Fabricius 1898, S. 131, Nr. 571). Eine bereits 1592 bezeugte Hofkapelle wurde offenbar zu Beginn des 19. Jahrhunderts niedergelegt (nach www.burgeninventar.de im Jahr 1801, EBIDAT datiert dies hingegen auf „um 1820“). Das kleine Gotteshaus war ursprünglich die Hauskapelle der Herrschaft von Lehmen, später wurde sie auch öffentlich genutzt und mit Stiftungen bedacht (Franzen 1963). Der Hochaltar der Lehmener Hofkapelle wurde später in die Kreuzkapelle in den Weinbergen oberhalb Ediger überführt, wo sich auch das bekannte Relief „Christus in der Kelter“ von um 1600 befindet. Etwa zeitgleich wurde wohl allmählich auch die kleine Siedlung an der Hofanlage aufgegeben, in der einst 14 Familien lebten, im Jahr 1827 aber nur noch 26 Personen. Die letzten Bewohner zogen gegen Ende des 19. Jahrhunderts nach Ediger und die Siedlung fiel wüst (Franzen 1963); eine Informationstafel vor Ort datiert die Aufgabe der Siedlung hingegen auf den „Beginn des 20. Jahrhunderts“ (vgl. Abbildung).
Lage und Geometrie Auf den historischen Karten der Topographischen Aufnahme der Rheinlande (1803-1820) ist noch ein Siedlungsareal „Lehmenhof“ eingezeichnet, das an der Mündung des Lehmerbachs liegt. Der Verlauf der eingangs genannten Furt ist zwar nicht eingetragen, deutet sich aber zwischen den beiden Moselinseln „Lehmenergrund“ und „Taubergrund“ an, die heute beide im Bereich der „Ediger Laach“ verlandet sind. In der späteren, für diesen Raum zwischen 1843 und 1878 erarbeiteten Preußischen Uraufnahme ist die Siedlung bereits nicht mehr eingetragen, dafür sind nun mehrere in die Mosel ragende Buhnen eingezeichnet (rechtwinklig in den Fluss gebaute Dämme, vgl. die jeweiligen Kartenansichten).
Internet www.ediger-eller.de: Die frühen Weindörfer Ediger und Eller (abgerufen 21.01.2019) www.ediger-eller.de: Lehmener Turm (abgerufen 21.01.2019) naturschutz.rlp.de: Rechtsverordnung über das Naturschutzgebiet „Ediger Laach“, Kreis Cochem-Zell vom 9. Dezember 1986 (abgerufen 19.01.2019) www.heiligenlexikon.de: Fridolin von Säckingen (abgerufen 21.01.2019) www.heiligenlexikon.de: Hilarius von Poitiers (abgerufen 21.01.2019) www.ms-visucom.de: EBIDAT-Datenbank des Europäischen Burgeninstitutes, „Lehmener Hof“ von Jens Friedhoff (abgerufen 19.01.2019) de.wikipedia.org: Wohnturm Hofgut Lehmen (abgerufen 19.01.2019 und 01.12.2022)
Cochem-Zell, Landschaft an der Mosel. (Führer zu archäologischen Denkmälern in Deutschland, 46; zugleich Archäologie am Mittelrhein und Mosel, 47.) S. 107-111, Stuttgart.
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