Justizvollzugsanstalt Siegburg

JVA Siegburg, zuvor königlich-preußische Strafanstalt

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Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege, Landeskunde
Gemeinde(n): Siegburg
Kreis(e): Rhein-Sieg-Kreis
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Koordinate WGS84 50° 48′ 19,81″ N: 7° 11′ 40,5″ O 50,8055°N: 7,19458°O
Koordinate UTM 32.372.789,98 m: 5.629.749,85 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.584.249,41 m: 5.630.690,20 m
  • Nicht genordeter Lageplan des Neubaus der Strafanstalt Siegburg (aus dem Centralblatt der Bauverwaltung 1895).

    Nicht genordeter Lageplan des Neubaus der Strafanstalt Siegburg (aus dem Centralblatt der Bauverwaltung 1895).

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  • Das Eingangsgebäude zur Justizvollzugsanstalt Siegburg (2007).

    Das Eingangsgebäude zur Justizvollzugsanstalt Siegburg (2007).

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  • Die Außenpforte der Justizvollzugsanstalt Siegburg (1975).

    Die Außenpforte der Justizvollzugsanstalt Siegburg (1975).

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  • Öffentliche Ausschreibung zum "Neubau der Strafanstalt zu Siegburg" vom 6. Juni 1893.

    Öffentliche Ausschreibung zum "Neubau der Strafanstalt zu Siegburg" vom 6. Juni 1893.

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Die Justizvollzugsanstalt (JVA) in Siegburg ist eine in ihrem Ursprung zwischen 1893 und 1896 erbaute Haftanstalt, die derzeit 544 Haftplätze bereit hält und mehr als 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterschiedlicher Berufssparten beschäftigt (jva-siegburg.nrw.de). Die Siegburger Benediktinerabtei auf dem Michaelsberg diente seit dem Jahr 1803 als Vorgängerin der heutigen Haftanstalt.

Die Siegburger Abtei St. Michael als Vorgängerin
Das neue Gefängnis
Nationalsozialistische Zeit
Gedenken an 1944 erschossene luxemburgische Gefangene
Die Haftanstalt nach 1945
Kartenbild / Baudenkmal
Quellen, Internet, Literatur

Die Siegburger Abtei St. Michael als Vorgängerin
Nach der durch die Säkularisation bedingten Auflösung der Benediktinerabtei St. Michael im Jahr 1803 dienten deren zweckentfremdete Gebäude den verschiedensten Nutzungen, u.a. als Kaserne und als Lateinschule. Von 1825 bis 1878 wurden die vormaligen Abteigebäude als Irrenheilanstalt genutzt und seit 1879 als Gefängnis bzw. Zuchthaus.
Der erste Gefängniskomplex der 1886 eröffneten königlich-preußischen Strafanstalt in Siegburg wurde in umgebauten Klostergebäuden auf dem Abteiberg eingerichtet und zwischen 1889 und 1891 um einen Zellentrakt erweitert. Noch im Jahr 1899 entstand dort der Neubau eines kleinen staatlichen Gefängnisses mit 10 Einzelzellen. Die Nutzung des ehrwürdigen Michaelsbergs als Strafanstalt endete erst im Jahr 1914, als wieder Mönche in die frühere Abtei einzogen um diese erneut als geistliche Institution zu nutzen.

Das neue Gefängnis
Im Jahr 1896 konnten die seit 1893 auf dem heutigen JVA-Gelände neu erbauten Gefängnisbauten bezogen werden. Die neue Anstalt „auf einem nördlich von Siegburg gelegenen, von der Frankfurter Chaussee nach dem Mühlengraben sich erstreckenden, 111/4 ha grossen Gelände“ bot seinerzeit in zwei getrennten Gebäudekomplexen Platz für „527 Gefangene (und zwar in 465 Haftzellen und 62 Schlaf- und Aufnahmezellen)“ sowie im „Weibergefängniss ... zur Unterbringung von 200 Weibern (und zwar in 152 Haftzellen und 48 Schlafzellen)“ (Centralblatt 1895; dort eine umfassende Baubeschreibung.
Die Aufstellung zu den „Strafanstalten und Gefängnissen in Preußen“ führt wenige Jahre später leicht abweichend 521 Haftplätze für männliche und 204 für weibliche Gefangene an (Krohne und Uber 1901). Ebendort wird die Gesamtgröße des Geländes mit 11,2252 Hektar angegeben und die Gesamtkosten des zur Aufnahme von Zuchthaussträflingen „aus der überfüllten Kölner Anstalt“ - gemeint ist der „Klingelpütz“ - notwendigen Neubaus der Anstalt 1893-1896 mit 1.729.949,32 Mark beziffert. Auf den Bau des Wohnhauses für den Direktor („vollständig unterkellert ... mit 7 Wohnräumen, Küche und Nebenräumen“ und einem 5.738 Quadratmeter großen Garten) entfielen davon 28.933,95 Mark. Die vier Häuser für Oberbeamte kosteten zusammen 52.694,10 Mark bzw. 12 Häuser für je zwei Aufseher insgesamt 151.275,07 Mark sowie ein weiteres Wohnhaus für sechs Aufseherinnen 20.593,32 Mark.
Neben den eigentlichen Hafteinrichtungen und den Verwaltungs- und Wirtschaftsgebäuden verfügte die Strafanstalt u.a. über eine „für evangelischen und katholischen Gottesdienst eingerichtet[e]“ Kirche und ein Lazarett mit Krankensaal. Die aus Ziegelstein erbauten, 4,5 Meter hohen Umwehrungsmauern mit Verstärkungspfeilern umfassten 580 Meter am Männergefängnis und 285 Meter bei den Frauen (ebd.).

„Während des Ersten Weltkriegs wurden zusätzlich Festungsgefangene, sowie von Kriegsgerichten Verurteilte aus Belgien und Frankreich aufgenommen. Nach Ende des Krieges wurde die Anstalt von den Briten beschlagnahmt und geräumt. Von 1921 bis 1926 verbüßten in Siegburg Männer, die an der Ruhraktion beteiligt waren, ihre Strafe. Die Befehlsgewalt unterlag während dieser Zeit Frankreich.“ (de.wikipedia.org, JVA)
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Nationalsozialistische Zeit
Nach 1933 nutzte das NS-Regime die Anstalt als Zuchthaus und Strafgefängnis, zunächst vornehmlich für politische Gefangene, später auch als Straflager für Zwangsarbeiter-Außenkommandos der damals kriegswichtigen Troisdorfer Dynamit AG und der Siegburger Rheinischen Zellwolle AG (Kraus 1999, S. 78ff.).
Zahlreiche Gefangene wurden ab 1941/42 in Vernichtungslager im Osten deportiert, darunter auch die jüdischen Insassen. Erkrankungen und Epidemien forderten zahlreiche Todesopfer vor Ort, alleine Ende 1944 starben etwa 200 an endemischem Fleckfieber erkrankte Insassen. Auf dem Siegburger Nordfriedhof sind 623 Tote des Zuchthauses Siegburg beigesetzt (Kraus 1999).

In den letzten Kriegsmonaten wurden Gefangene auch zum Einsatz an der Kriegsfront gezwungen.
Ende 1944 wurde die Hinrichtungsstätte des Oberlandesgerichtsbezirks Köln aus dem zerbombten Kölner Gefängnis Klingelpütz nach Siegburg verlegt. Hier kam es jedoch nicht zu regulären Hinrichtungen, sieht man von Straf- und Vergeltungsaktionen ab (vgl. nachfolgend).
In den ersten Jahren der NS-Herrschaft war die Siegburger Anstalt mit rund 850 Personen noch halbwegs normal belegt, ab spätestens 1942 wurden die Bedingungen durch die Überbelegung mit mehr als 2.000-2.500 Insassen allerdings immer prekärer. 1944 war die Anstalt mit der Höchstzahl von 3.500 Gefangenen belegt. Von 1933-1945 waren hier insgesamt 6.982 Menschen inhaftiert. Die Befreiung der mit 2.600 Häftlingen immer noch völlig überbelegten Anstalt erfolgte am 12. April 1945 durch Sanitätsoffiziere der amerikanischen Armee.

Gedenken an 1944 erschossene luxemburgische Gefangene
In der Siedlung neben der Justizvollzugsanstalt wurden die drei Straßen Camille-Koerner-Straße, Jean-Bück-Straße und Marcel-Charpantier-Straße nach luxemburgischen Kriegsgefangenen benannt, die während der NS-Zeit im damaligen Zuchthaus Siegburg einsaßen: der Friseur Camille Körner, der Bankangestellte Jean Bück und der Student Marcel Charpantier.
Die drei jungen Männer wurden am 23. August 1944 in einer „Vergeltungsaktion“ am unweit des Gefängnisses gelegenen früheren Ulrather Hof erschossen, dort erinnert heute eine Gedenktafel an die NS-Mordtat (www.floerken.de, vgl. den Objekteintrag zum Ulrather Hof).
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Die Haftanstalt nach 1945
Ab 1946 waren die Kriegsschäden an der Haftanstalt beseitigt und es konnten wieder männliche Erwachsene und jugendliche Straftäter aufgenommen werden.
Nach einem bundesweit Aufsehen erregenden Mordfall unter jugendlichen Straftätern im November 2006 („Siegburger Foltermord“) geriet die JVA Siegburg stellvertretend für den Strafvollzug an Jugendlichen in die Kritik. Seit 2011/12 werden nur noch erwachsenen Gefangene in Siegburg aufgenommen und jugendliche Insassen vornehmlich in anderen, den heutigen Maßstäben des Jugendstrafvollzugs entsprechenden Justizvollzugsanstalten inhaftiert – etwa in der 2011 eröffneten modernen JVA Wuppertal-Ronsdorf (www.rundschau-online.de).
Neben dem Vollzug der Haftstrafen gibt es weitere programmatische Schwerpunkte in der Arbeit der JVA Siegburg, darunter vor allem eine „sinnvolle Beschäftigung, wozu auch schulische und berufliche Bildungsmaßnahmen gehören“. Die JVA verfügt dazu über mehr als 100 Ausbildungsplätze. Ein besonderes Augenmerk gilt ferner der Suchtberatung und -therapie sowie einer arbeitsmarktgerechten Entlassungsvorbereitung.
Seit 2021 wird in der JVA über 246 auf dem Dach montierte Photovoltaik-Module eigener Solarstrom gewonnen, der komplett selbst genutzt wird. Die jährliche Kapazität beträgt 80.000 Kilowattstunden Strom, was etwa dem Jahresbedarf von 20 vier-Personen-Haushalten entspricht. Die Anlage ist von nicht vom Haupteingang aus, sondern von der Jahnstraße und der Aggerstraße aus sichtbar (jva-siegburg.nrw.de).
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Kartenbild
Die hiesige Objektgeometrie zeigt das ummauert-gesicherte Areal der JVA Siegburg entsprechend der modernen Deutschen Grundkarte DGK 5.
Die historischen Karten der Topographischen Aufnahme der Rheinlande (Tranchot / von Müffling 1801-1828) zeigen diesen Bereich noch unbebaut als „Dresch“; ebenso die zwischen 1836 und 1850 erarbeitete Preußische Uraufnahme – hier nun als „Driesch“. Die Preußische Neuaufnahme (1891-1912) weist dann fast lagegenau zum heutigen Gefängnis eine „Straf-Anst.“ aus. Die beiden noch voneinander getrennten Gefängnisbereiche sind mit zwei separaten Mauern umgeben, diese umfassen etwa 600 Meter bei dem zentralen Bereich und 300 Meter bei dem westlich davon gelegenen kleineren Areal. Mit Blick auf diese Karte und die topographische Karte TK 1936-1945 zeigt sich, dass die Grundfläche der JVA nach 1945 offenbar noch etwas nach Westen hin erweitert wurde (vgl. Kartenansicht). Die heutige Umfassungsmauer des gesamten JVA-Geländes ist etwa 940 Meter lang.
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Baudenkmal
Die neben der eigentlichen JVA errichteten Bedienstetenwohnungen sind als „Beamtenkolonie der JVA Siegburg, Luisenstraße 90“ eingetragenes Baudenkmal (Denkmalliste Siegburg, Nr. 215).

(Franz-Josef Knöchel, LVR-Redaktion KuLaDig, 2017/2022)

Quellen
  • Freundliche Hinweise von Herrn Klaus Rick, ehemaliger Vize-Verwaltungsleiter und Leiter der Wirtschaftsverwaltung der JVA Bonn, 2022.
  • „Die neue Strafanstalt in Siegburg“, in: Centralblatt der Bauverwaltung, XV. Jahrgang, Nr. 31A, Berlin, 7. August 1895, S. 337-338 (online unter digital.zlb.de, abgerufen 16.08.2022).

Internet
www.jva-siegburg.nrw.de: Justizvollzugsanstalt Siegburg (abgerufen 21.03.2017 und 12.10.2021)
www.siegburg.de: Denkmalliste der Stadt Siegburg (PDF-Datei, 20 KB, Stand April 2013, abgerufen 21.03.2017)
de.wikipedia.org: Justizvollzugsanstalt Siegburg (abgerufen 21.03.2017)
de.wikipedia.org: Ulrather Hof (abgerufen 28.03.2017)
www.rundschau-online.de: JVA Siegburg – Gefängnis wird komplett leer geräumt (Kölnische Rundschau vom 18.08.2011, abgerufen 29.03.2017)
www.floerken.de: Erinnerung an einen Geiselmord (veränderte Fassung eines Artikels im General-Anzeiger Bonn, Ausgabe Siegburg vom 23.08.2004, abgerufen 28.03.2017, Inhalt nicht mehr verfügbar 12.10.2021)
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Literatur

Kraus, Stefan (1999)
NS-Unrechtsstätten in Nordrhein-Westfalen. Ein Forschungsbeitrag zum System der Gewaltherrschaft 1933-1945, Lager und Deportationsstätten. (Schriften zur Bodendenkmalpflege in Nordrhein-Westfalen 4.) S. 78-82, Essen.
Krohne, Karl; Uber, Rudolf (1901)
Die Strafanstalten und Gefängnisse in Preußen. S. 357-364, Berlin.
Rick, Klaus (1989)
Strafvollzug in Bonn im Wandel der Zeiten. (anlässlich der 2000-Jahr-Feier der Stadt Bonn und dem 125-jährigen Bestehen der JVA Bonn, Broschüre, erweiterte Auflage 2015 und überarbeitete Fassungen, zuletzt 2022, einsehbar im Stadtarchiv Bonn). Bonn.

Justizvollzugsanstalt Siegburg

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
Luisenstraße 90
Ort
53721 Siegburg
Gesetzlich geschütztes Kulturdenkmal
Ortsfestes Denkmal gem. § 3 DSchG NW
Fachsicht(en)
Kulturlandschaftspflege, Landeskunde
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Auswertung historischer Karten, Literaturauswertung, Geländebegehung/-kartierung, mündliche Hinweise Ortsansässiger, Ortskundiger
Historischer Zeitraum
Beginn 1893 bis 1896

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Empfohlene Zitierweise
„Justizvollzugsanstalt Siegburg”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-265516 (Abgerufen: 6. Dezember 2024)
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