Befestigung der Kernstadt (Bauphase 1220-1250) Um 1220 wurde zunächst mit der Ummauerung der Kernstadt begonnen. Die Stadtmauer wurde von verschiedenen Bauhütten errichtet. Dies zeigt sich insbesondere an den unterschiedlichen Fundamenten der Mauer. Auf dem Michelfeld wurde mit punktförmigen Pfeilerfundamenten gearbeitet, während an der Rheinseite Schwergewichtsmauern auf einem durchgehenden Fundament errichtet wurden.
Die Ummauerung der Kernstadt begann von der Rheinseite ausgehend. Bei den Nachrüstungsarbeiten an der Stadtmauer um 1240 wurde ebenfalls an der Rheinseite begonnen. Im Zuge der Nachrüstung wurde die Stadtmauer auf 8,50 Meter erhöht. Insgesamt wurden an der Rheinseite vier Türme errichtet, zwei Türme flankieren die Hauptstadttore an der Rheinseite. So wurde ein Turm an der Schaar, welcher heute nicht mehr existiert und ein Turm am Kölner Tor errichtet. Die anderen Türme wurden in unmittelbarer Nähe zu wichtigen Straßen die vom Rhein in die Stadt führen errichtet. Hierbei sind insbesondere der Hospitalturm sowie der Steingassenturm zu erwähnen. Bei diesen beiden Türmen handelt es sich jedoch lediglich um Schalentürme, die nur über drei massive Wände verfügen. Zur Stadt hin sind die Türme offen beziehungsweise durch eine dünne Bretterwand verkleidet. Ein Nachteil solcher Schalentürme ist die aus der Bauform resultierende Instabilität. Vorteilhaft ist der kostengünstige Bau und dass der Feind sich nicht im Turm verschanzen und die Stadt unter Beschuss nehmen kann. Zudem wurde aus Versorgungszwecken für viele Straßen, die vom Rhein in Richtung Stadt verlaufen, eine Pforte errichtet. In der rheinseitigen Stadtmauer der Kernstadt lassen sich daher acht Pforten ausmachen, die auch heute noch erhalten sind und als Durchgang zum Rhein dienen. Von Süden nach Norden gelistet handelt es sich um folgende Pforten sowie Tore: Schaartor, Rustgassenpforte, Markttor, Münzpforte, Plierstor, von der Leyschen Pforte, Langgassenpforte, Steingassenpforte.
Aufgrund der Hanglange drohte der Stadt Oberwesel im Falle eines Angriffs vor allem von Westen her Gefahr, sodass hier eine lange Mauer von der Martinskirche im Norden bis zum Rasselberg im Süden errichtet wurde. Im Zuge der Nachrüstung um 1240 wurde dieser Abschnitt auf 16 Meter erhöht. Diesen Teil der Stadtmauer zu errichten war problematisch, da im Untergrund ein Grundwasserstrom, dessen Quellgebiet auf der breiten Mittelterrasse der Hardt liegt, fließt. Er speiste viele Brunnen in der Stadt. Dies führte dazu, dass der Leiter der Bauhütte nicht wie an der Rheinseite arbeiten konnte, da die Mauer auf Dauer dem Wasserdruck nicht Stand gehalten hätte. Daher entschied sich der Bauleiter die Stadtmauer auf ein Fundament von einzelnen Pfeilern zu stellen. Für das punktförmige Pfeilerfundament wurde alle 3,70 Meter eine Fundamentgrube für den Pfeiler ausgehoben. Zwischen den Pfeilern konnte so das Grundwasser ungehindert abfließen. Verbunden wurden die Fundamentpfeiler durch unterschiedlich gestaltete Gewölbebögen, die heute noch vom Stadtgarten aus sichtbar sind. Zum Stadtgarten hin weisen die Gewölbebögen eine Höhe von 2,50 bis 3,50 Meter auf, wohingegen sie zur Bergseite hin mit 0,90 Metern sehr flach gehalten wurden. Die flachen Gewölbebögen dienten der Stabilisierung der Stadtmauer, während auf den hohen rheinseitigen Bögen der Wehrgang angelegt wurde. Ein punktförmiges Pfeilerfundament ist jedoch bei weitem nicht so stabil wie das rheinseitige Streifenfundament.
Der westliche Stadtmauerteil der Kernstadt verfügte wahrscheinlich nur über eine Pforte. Diese befand sich in unmittelbarer Nähe zur Martinskirche und existiert heute nicht mehr. Die Türme an der Stadtbefestigung in der Hanglange des Michelfelds wurden etwa um 1240 im Zuge der Nachrüstung beziehungsweise Erhöhung der Stadtmauer der Kernstadt ergänzt. Die Bauhütten, die für diesen Bauabschnitt verantwortlich waren, lernten aus den Fehlern der Bauhütten an der Rheinseite und setzten die Türme nicht auf die Stadtmauer, sondern gruben tiefe Fundamente vor der Stadtmauer. Dies ist der Grund, warum sich die Türme am Michelfeld bis heute wenig geneigt haben. Jeder der vier Türme verfügte einst über einen Wehrgang. An diesem Teil der Stadtbefestigung standen ursprünglich fünf Türme. Das Pfaffenhüttchen beziehungsweise die Pfaffenmütze flankierte die Martinspforte. Es wird vermutet, dass diese beiden Stadtmauerelemente einem Hangrutsch zum Opfer fielen.
Eine weitere Besonderheit der Stadtbefestigung der Kernstadt ist der Stadtgraben. Dieser wurde am Michelfeld errichtet um Feinden den Angriff zu erschweren. In der Friedenszeit diente der Stadtgraben zur Ernährung der Bevölkerung. Dafür wurde er in Parzellen eingeteilt und diese anschließend als Gärten genutzt. Heute ist der Stadtgraben nur noch auf einer Länge von 580 Metern erhalten. Oberhalb des Stadtgrabens führt ein Wanderweg vorbei. In den 1980er Jahren stand er und der sich westlich anschließende Hang als Alternative zum heutigen Neubaugebiet „Auf Fasel“ in den zur Debatte.
(Anne Gasper, Universität Koblenz-Landau, 2016)
Literatur
Schwarz, Anton; Monschauer, Winfried (2012)
Bürger im Schutz ihrer Mauern. S. 29-34, S. 37f., S. 44-47, Bingen am Rhein.
Der hier präsentierte Inhalt ist urheberrechtlich geschützt. Die angezeigten Medien unterliegen möglicherweise zusätzlichen urheberrechtlichen Bedingungen, die an diesen ausgewiesen sind.
Möchten Sie dieses Objekt in der Kuladig-App öffnen?
Wir verwenden Cookies
Dies sind zum einen technisch notwendige Cookies,
um die Funktionsfähigkeit der Seiten sicherzustellen. Diesen können Sie nicht widersprechen, wenn
Sie die Seite nutzen möchten. Darüber hinaus verwenden wir Cookies für eine Webanalyse, um die
Nutzbarkeit unserer Seiten zu optimieren, sofern Sie einverstanden sind. Mit Anklicken des Buttons
erklären Sie Ihr Einverständnis. Weitere Informationen finden Sie auf unserer Datenschutzseite.