Der Kraftwerksstandort Espenhain war gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wiederholt Bombenangriffen ausgesetzt, am 5. März 1945 traf es dabei auch das Dorf Mölbis mit verheerenden Kriegszerstörungen. Das Schloss wurde stark beschädigt, 22 Häuser zerstört und acht Menschen getötet. Zerstört wurde auch die Windmühle im Süden des Dorfes, die bereits 1940 den Betrieb einstellen musste, da durch das Aufschütten der Haldenrampe mit dem Abraum aus dem Tagebau Espenhain der Westwind ausblieb. Nach dem Krieg bestimmte die Wohnraumbeschaffung für die zahlreich im Dorf untergebrachten Flüchtlinge die Entwicklung. Entgegen den Bemühungen der Gemeinde, das Schloss für Wohnzwecke wiederherzurichten und für einen Kindergarten zu nutzen, wurde es auf Beschluss der Sächsischen Landeskommission in der Sowjetischen Besatzungszone abgebrochen. Aus dem Abbruchmaterial des Schlosses entstanden Neubauernhöfe, die im Krieg zerstörten Altbauernhöfe wurden nicht wiederaufgebaut. Durch Bodenreform und Zwangskollektivierung verlor der Ort seinen bäuerlichen Dorfcharakter. Bestehende Bauernhöfe verfielen zusehends und bald lebten mehr Industriearbeiter als in der Landwirtschaft Tätige in Mölbis.
Die Einflüsse auf die Umwelt und Gesundheit der Dorfbewohner nahm stetig zu. Der durch den Tagebau bedingte Grundwasserentzug führte zum Versiegen der Brunnen und Verlanden der Teiche, brachte aber im Gegenzug auch einen Anschluss an die zentrale Wasserversorgung. Die gewaltigen Mengen an Ruß aus dem Kraftwerk, der Gestank der Schwelgase wie auch der 1979 am Ortseingang errichteten Klärbecken für Industrieabwässer beeinträchtigten in erheblichem Maße die Lebensverhältnisse. Zahlreiche Bewohner verließen Mölbis, insbesondere die jüngere Generation sah keine Hoffnung mehr (1946: 1.100, 1990: 353 Einwohner). Dagegen regte sich Ende der 1970er Jahre Widerstand, der über das von Pfarrer Walter Christian Steinbach gegründete Christliche Umweltseminar in Rötha auch im Frühjahr 1983 nach Mölbis getragen wurde. Im Juni 1983 fand der erste Umweltgottesdienst »Unsere Zukunft hat schon begonnen« in Mölbis statt, dem noch weitere, deutschlandweit beachtete Veranstaltungen und Aktionen wie die Baumpflanzaktion »Eine Mark für Espenhain« folgten, um auf die enormen Umweltschäden aufmerksam zu machen und eine Verbesserung der Lebensverhältnisse zu erreichen.
Nach der politischen Wende 1989/90 und den veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen war mit dem 1990 beschlossenen Ende der Karbochemie in Espenhain auch ein Neuanfang für das als »dreckigstes Dorf Europas« bekannt gewordene Mölbis verbunden. Am Vortag zum Tag der Deutschen Einheit, am 2. Oktober 1990, wurde die Dorfsanierungs- und Entwicklungsgesellschaft Mölbis gegründet, die in einem Modellprojekt (»Projekt Hoffnung«) die enormen Umweltschäden beseitigen und die Lebenssituation im Dorf verbessern sollte. Als sichtbares Zeichen wurde die »Linde der Hoffnung« gepflanzt. Der gebürtige Leipziger Architekt Peter Schmelzer analysierte die städtebaulichen Missstände und erstellte für die Gemeinde ein Stadtsanierungskonzept, das 1991 als Grundlage konkreter Förderanträge für Infrastruktur- und Dorfentwicklungsprojekte diente. Für eine städtebauliche Rahmenplanung wurde 1990 das Markkleeberger Architekturbüro Riedel/Greiner/Murzik beauftragt, die das Ziel einer behutsamen, ökologischen und denkmalgerechten Dorferneuerung verfolgten. Von der Situation und den ersten Erfolgen machte sich am 19.12.1991 der englischer Thronfolger Prinz Charles bei einem Besuch in Mölbis einen Eindruck.
Zu den ersten Dorfsanierungsmaßnahmen zählte 1991 in der Dorfmitte die Grundsteinlegung für vier Häuser mit 34 Wohnungen, ein Teil davon waren von der MIBRAG mitfinanzierte Kohlersatzwohnungen für Einwohner aus Dreiskau-Muckern. Zahlreiche Baugenehmigungen für private Einfamilienhäuser folgten. Das 1929 errichtete Schulgebäude wurde in ein Landhotel umgewandelt und erweitert, das jedoch nur kurz bestand und heute als Anlage für betreutes Wohnen dient. Ähnlich erging es auch der 1993 renovierten Gaststätte mit Bowling-Bahn. Nicht sichtbar ist die umfangreiche Erneuerung der unterirdischen Infrastruktur, die in ein größeres Maßnahmenpaket einer dorfgerechten Gestaltung und Entwicklung der Straßenräume und anderer dorftypischer Freiräume eingebunden war. Dazu zählten die Teichachse und die Neugestaltung der Mölbiser Hauptstraße. Mit der Einweihung des Umweltgeschichtlichen Informationszentrums 1997 konnte nicht nur die Orangerie denkmalgerecht wiederhergestellt werden, es gelang darüber hinaus einen zentralen Veranstaltungsraum für die Dorfgemeinschaft zu schaffen, der mit einer Dauerausstellung an die mit der Braunkohlenindustrie verbundene Geschichte erinnert. Die in den letzten Jahren in Angriff genommene Neugestaltung des Schlossparks Mölbis setzt die Dorfsanierung fort.
(Nils Schinker, Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, 2022)
Quellen/Literaturangaben:
- Gemeinde Mölbis/Christliches Umweltseminar Rötha e. V./Pro Leipzig e. V. (Hg.): Mölbis „Unsere Zukunft hat schon begonnen!“ Südraum Journal 1. Leipzig, Mölbis 1995.
- Sperling, Wolfgang: Mölbis: Lexikon zur Geschichte des Dorfes und die konkreten historischen Beziehungen zu Dahlitzsch, Dittmannsdorf, Dreiskau, Espenhain, Eula, Gestewitz, Großpötzschau, Hain, Hainichen, Kleinpötzschau, Kleinzössen, Kömmlitz, Muckern, Oelzschau, Thierbach, Trages sowie zu den Städten Borna und Rötha; Borna 2012.
- Nabert, Thomas/Pro Leipzig e.V (Hg.): Im Pleiße- und Göselland: zwischen Markkleeberg, Rötha und Kitzscher. Leipzig 1999., S. 145-189.
- Dorfentwicklungsgesellschaft Mölbis e.V. (Hg.): Neugestaltung Schlosspark Mölbis zum attraktiven Dorfzentrum, Faltblatt. 2020.
- Kreisarchiv des Landkreises Leipzig in Grimma, B11437, Mölbis, ASW, Gut Heinrich.
BKM-Nummer: 30100097