Das Ruhrgebiet ist naturräumlich durch den Rhein und seine von Osten kommenden Nebenflüsse Ruhr, Emscher und Lippe gegliedert. Der größte Teil des Geländes ist dem norddeutschen Tiefland zuzurechnen, der äußerste Süden dem deutschen Mittelgebirge. Die Lippe war schon in der Urgeschichte ein wichtiger Erschließungsweg nach Nordosten, wie auch die wichtigsten historischen Wegeverbindungen und später die überregionalen Eisenbahntrassen vorrangig die westöstliche Ausrichtung aufnahmen. Der Hellweg, bereits in den Metallzeiten intensiv genutzt, hatte eine herausragende Bedeutung als Landverbindung zu den mitteldeutschen und osteuropäischen Märkten. Archäologisch charakteristisch für die Region sind zum einen Fundplätze der römischen Kaiserzeit, die sich oftmals durch den Handel mit Metallen entwickelten, zum anderen frühmittelalterliche, stark fränkisch beeinflusste Siedlungen. Im Mittelalter bildeten sich auf den geringwertigen Böden des Nordens und Nordwestens Streusiedlungen aus Einzelhöfen und lockeren Hofgruppen, später auch Drubbeln, auf den ertragreichen Lössböden der Hellwegzone und des vestischen Höhenrückens dagegen Gruppensiedlungen und Dörfer. In der Hellwegzone entstanden die meisten und auch die bedeutendsten Städte, wie die Freie Reichsstadt Dortmund. Sie profitierten von der günstigen Verkehrslage und der Versorgung mit Handelsgütern aus der südlichen Eisengewerberegion und dem nördlichen Agrarland. Wichtige Impulse für die mittelalterliche Siedlungsentwicklung kamen vom Städtebund der Hanse, zu dem neben Essen oder Bochum in der Hellwegzone auch Lünen und Kamen im territorialen Grenzraum der Lippe gehörten. Weitere erlebbare Zeugnisse des Mittelalters sind Klöster, Pfalzen und zahlreiche, zum Teil zu Schlössern umgebaute Höhenoder Niederungsburgen. An Emscher und Lippe reihen sich die umgräfteten Niederungsburgen. Das Ruhrtal mit seinen Nebentälern wurde zur Anlage zahlreicher Mühlen, aber auch Hämmer und Schmieden genutzt. Durch die zugehörigen Wehre war die Ruhr nicht schiffbar. Bereits im späten Mittelalter begann hier der Abbau oberflächennaher Steinkohlen in einfachen Schächten und Stollen. Das Ruhrgebiet entwickelte sich zu einer Agrarlandschaft mit Kleingewerbe und einigen wichtigen Handels- und Stadtzentren am Hellweg. Die Veränderung der Ruhrzone begann mit der Ausweitung des Abbaus der oberflächennahen Magerkohle sowie der Schiffbarmachung der Ruhr im 18. Jahrhundert. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war sie der wichtigste Kohlentransportweg, Ruhrort wurde zum Kohlenhafen. Gleichzeitig entstanden zahlreiche Kötterstellen der Bergarbeiter. Im Zeitalter der Industrialisierung setzte ein sprunghafter Wandel in der Kulturlandschaftsentwicklung ein. Grundlage war die Gewinnung der unter einer Mergeldecke liegenden Fettkohlen im Tiefbau, die für die Herstellung von Eisen und Stahl in Hochöfen geeignet waren und zu der das Ruhrgebiet prägenden Verbindung von Kohlenbergbau und Schwerindustrie führte. Die Entwicklung begann im Süden des Ruhrgebietes und dehnte sich nach Norden aus, bedingt durch die Lage der Flöze und die räumliche Verteilung der verschiedenen Kohlearten. Sie ist in mehreren, historisch abgrenzbaren Phasen (ab 1840, 1870, 1895 und nach den beiden Weltkriegen) verlaufen. Bereits in der ersten Phase ab 1840 entstanden die ersten Großzechen samt Bergmannssiedlungen, standortgebunden auf dem freien Feld, während die Ansiedlungen der Eisen- und Stahlindustrie nahe der Stadtzentren erfolgte. Die Eisenbahn stieg zum wichtigsten Transporteur der Kohlen auf, und der Ausbau des Eisenbahn- und Verkehrsnetzes wurde vorangetrieben. Um 1870 war die Hellwegzone bereits stark verstädtert, industrialisiert und zersiedelt. In den folgenden Phasen setzte sich diese Entwicklung noch intensiver fort. Der Bergbau mit den ihm angeschlossenen Industrien rückte nach Norden und Westen vor und bewirkte eine ständige Veränderung der Siedlungs- und Industriestandorte. Er erreichte die Emscherzone und vor dem ersten Weltkrieg auch die Lippe. Die Emscherzone wurde umgestaltet, neue Städte entstanden ohne begleitende Raumplanung, die Folge war eine starke funktionale Durchmischung. Die Emscher wurde kanalisiert und als Abwasserkanal genutzt, der Rhein-Herne-Kanal 1914 eröffnet. Die Schwerindustrie erhielt einen neuen Schwerpunkt im Rhein-Ruhr-Mündungsraum, förderte dadurch die Entstehung von Industriegroßstädten. Der Rhein wurde zum wichtigsten Schifffahrtsweg des Ruhrgebiets, das nun auch auf das Linksrheinische übergriff. Technische Innovationen und der Rüstungsbedarf für die beiden Weltkriege führten zu einer weiteren Expansion und Intensivierung von Bergbau und Schwerindustrie, begleitet von einer starken Siedlungs- und Verkehrsverdichtung. Nach dem Wiederaufbau und der ersten Strukturkrise Ende der 1950er Jahre hat die Entwicklung mit den zunehmenden Zechenschließungen und der Aufgabe der Industriestandorte seit Beginn der 1970er Jahre ihren Abschluss gefunden. Heute ist das Ruhrgebiet von einem massiven Strukturwandel geprägt. Handel und Dienstleistungen sind seine wichtigsten Wirtschaftszweige. Ein Markenzeichen ist der Umbau der ehemaligen Bergbau- und Industrieflächen in eine postindustrielle Parklandschaft, ein Umwandlungsprozess, der mittlerweile „historisch” ist: Bergbau und Industrie hatten bei ihrer Wanderung große Werksgelände, eine funktionslos gewordene Infrastruktur – u. a. Eisenbahntrassen, -dämme und -brücken, Halden, Bergsenkungsgebiete –, einen veränderten Wasserhaushalt und zahlreiche Umweltschäden hinterlassen. Die Umnutzung und Rückgewinnung dieser überformten und wüsten Flächen für die aktuelle Raumplanung wurde schon früh zu einem dringenden Thema. Die Ruhrzone hatte bereits Ende der ersten Phase enorm an Bedeutung verloren und wurde noch vor dem Ersten Weltkrieg zu einem Bereich der Naherholung, dem gehobenen Wohnen und der Trinkwasserversorgung umgewandelt. Ein wichtiger Meilenstein war die Gründung des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk 1920 u. a. für die Koordinierung der Freiraumentwicklung und die Erschließung von Naherholungsräumen auf regionaler Ebene. Eine Besonderheit des Ruhrgebietes ist das aus diesen Jahren stammende Freiraumsystem, bestehend aus den Nord-Süd-Korridoren und den Revierparks. Mit der Entwicklung des Emscher Landschaftsparks im Rahmen der Internationalen Bauausstellung 1989-1999 wurde dieses Konzept der regionalen Grünzüge durch eine West-Ost-Achse ergänzt. Das Ruhrgebiet hat heute die höchsten Städte-, Siedlungs-, Bevölkerungs-, Industrie- und Verkehrsdichte in Europa. Das kulturlandschaftlich Besondere und im Landschaftsbild Erlebbare ist das Nebeneinander wichtiger Zeugnisse aus allen Epochen seiner geschichtlichen Entwicklung, wie die archäologisch dokumentierten Zeugnissen seit der Urgeschichte, der Römerzeit oder des frühen und hohen Mittelalters, die frühen Höhenburgen, Klöster und Stifte, Königshöfe, Adelssitze, die historischen Stadtzentren mit den teils erhaltenen Stadtbefestigungen oder die frühen Kirchdörfer. Sie sind ebenso wichtige Bestandteile der Kulturlandschaft wie die Zeugnisse der Industrialisierung, vom Kohlenbergbau (stellvertretend Weltkulturerbe Zeche Zollverein in Essen) und seiner Hinterlassenschaft (Bergsenkungen, Halden) über Stahlerzeugung und Verkehrsvernetzung (Schifffahrt, Eisenbahn, Autobahnen) bis hin zur Siedlungsentwicklung (Entwicklung der Stadtzentren, Siedlungstätigkeit von den ersten Arbeitersiedlungen bis nach dem Zweiten Weltkrieg). Die Industrialisierung stellt freilich eine wichtige raumprägende Phase der Kulturlandschaftsentwicklung dar, die dem Ruhrgebiet seine regionale Identität verliehen hat und in seiner Ablesbarkeit auch im strukturellen Wandel erhalten werden muss.
Eine ausführliche Beschreibung der Kulturlandschaft findet sich in der Mediengalerie (PDF-Dokument).
Erhaltende Kulturlandschaftsentwicklung in Nordrhein-Westfalen. Grundlagen und Empfehlungen für die Landesplanung (Kulturlandschaftlicher Fachbeitrag zur Landesplanung in Nordrhein-Westfalen. Fachgutachten zum Kulturellen Erbe in der Landesplanung. S. 43-45, Münster u. Köln.
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