Geschichte
Beschreibung
Denkmalpflegerische und bauliche Maßnahmen
Die Zitadelle im städtischen Raum
Geschichte
Im Jahr 1538 wurde Wilhelm V. von Kleve-Jülich-Berg (1516–1592) zum Herzog von Geldern gewählt. Dies führte zu politischen Spannungen mit Kaiser Karl V. (1500–1558), der das Herzogtum Geldern ebenfalls für sich beanspruchte. Auf Grund dieses Konfliktes beschlossen die Landesstände von Jülich und Berg zur Sicherung ihres Landes ein Festungsbauprogramm. An diesem Bauvorhaben, das Jülich als Hauptwaffenplatz vorsah, hielt man auch dann noch fest, als Wilhelm V. bereits als Verlierer aus dem Geldrischen Erbfolgekrieg von 1542/43 hervorgegangen war. Nach dem Jülicher Stadtbrand von 1547 konnte der italienische Architekt und Festungsbaumeister Alessandro Pasqualini umso großflächiger planen. Er sah neben einer Stadtbefestigung und einer innerstädtischen Bebauung mit repräsentativen Sichtachsen den Bau einer Zitadelle mit einem palazzo in fortezza als herrschaftlicher Residenz vor. 1549 erfolgte die Grundsteinlegung für das Schloss. 1553 war der Ostflügel mit den herzöglichen Wohnräumen, in den 1560er Jahren Nord- und Südflügel vollendet; der Westflügel blieb wahrscheinlich unvollendet.
Innerhalb des Territorienkomplexes Jülich-Kleve-Berg-Mark-Ravensberg übernahm Jülich die Funktion einer Staatsresidenz, die der Hof immer nur für wenige Wochen im Jahr, meist zu besonderen Anlässen, aufsuchte. So sollte 1562 im Schloss der in Frankfurt am Main gerade gewählte deutsche König Maximilian II. auf seiner Reise zur Krönung nach Aachen zusammen mit seinem Vater, Kaiser Ferdinand I., übernachten. Der minutiös von der herzoglichen Verwaltung vorbereitete Besuch fand jedoch nicht statt, da der König eine Krönung unmittelbar nach der Wahl in Frankfurt am Main bevorzugte.
Die Festungsanlage wurde im Laufe der Zeit immer wieder der neuesten militärischen Technologie angepasst, blieb in ihrem Aufbau jedoch nahezu unverändert. Hingegen wurde das Schloss, das man nach 1609 als Kaserne nutzte, in den folgenden Jahrhunderten immer wieder umgebaut. Nach dem Aussterben des Herzoghauses verlor die Anlage durch die militärische Nutzung weitgehend ihren Residenzcharakter. 1860 wurde eine Unteroffizierschule eingerichtet. Nach Beschädigungen im Zweiten Weltkrieg ging die Anlage in das Eigentum des Landes Nordrhein-Westfalen über. 1964 wurde die innere Bebauung des Schlosses bis auf den Ostflügel und Resten des Nord- und des Südflügels abgerissen. Über dem Grundriss des Kellers erbaute man 1969–1972 ein Gymnasium und rekonstruierte den Ostflügel. Die Zitadelle beherbergt neben den Schulgebäuden seit 1998 das Museum Zitadelle Jülich, zu dem auch ein Ausstellungsraum im ehemaligen Pulvermagazin gehört.
Beschreibung
Pasqualini sah eine pentagonale Stadtbefestigung vor, an die sich das nahezu quadratische Zitadellenquadrum mit vier Ecktürmen im Nordosten anschloss. Die Zitadelle ist als imposantes, durchgehend in Backstein gemauertes Monument zu großen Teilen erhalten geblieben. Heute noch zu sehen sind die Reste der Außenwerke, die 33 Meter breiten Gräben, die geflutet werden konnten, sowie die vierzackige Kernfestung mit den 12,50 Meter hohen Kurtinen (Teil des Hauptwalls einer Festung) und den vier ebenso hohen Bastionen mit den innenliegenden Kasematten und Versorgungsgängen. Im Norden und Süden gelangte man durch Poternen (Tortunnel) ins Innere der Zitadelle. Heute erfolgt der südliche Zugang über eine Stahlbrücke, die den aus barocker Zeit stammenden Brückenpfeilern aufliegt. Über dem von Pilastern gerahmten Innentor ist ein Relief zu sehen, das die Göttin Ceres und eine Personifikation des Überflusses darstellt.
Inmitten der Zitadelle befand sich die ursprünglich quadratische Schlossanlage, deren vier Flügel um einen Innenhof angelegt waren. Heute sind noch das prunkvolle Doppeltorportal des Nordflügels, das Treppenhaus des Südflügels und der Ostflügel mit der Schlosskapelle erhalten. Am Ostflügel wird die Backsteinfassade des zwei- bis dreigeschossigen Trakts durch Natursteinbänder aus Sandstein und Blaustein gegliedert. Zwischen Erdgeschoss und piano nobile verläuft ein Triglyphenfries, welches im Bereich der doppelgeschossigen Schlosskapelle, die am hervortretenden Chorraum mit Apsis erkennbar ist, durch den Wechsel von Reliefs mit Stierschädeln und Rosetten ausgestaltet ist. Die Fassade der Schlosskapelle ist auch im Übrigen aufwendiger gestaltet: Über einem Rustikasockel sind die drei Geschosse der Fassade unter anderem durch Pilaster und Halbsäulen geschmückt, die in ihrer Abfolge von dorischer, ionischer und kompositer Säulenordnung eine Superposition bilden.
Dem Innern der Kapelle fehlt, nach zahlreichen Umbauten des 16.–19. Jahrhunderts, schwersten Kriegsschäden und einem den Erstzustand rekonstruierenden Wiederaufbau, die geschosstrennende Decke, welche das wohl als Gesindekapelle anzusprechende Untergeschoss vom herrschaftlichen, tonnengewölbten Obergeschoss trennte. Die Fensterzone der Apsis ist in der Oberkapelle durch eine ionische Säulenstellung und Rundbogennischen besonders hervorgehoben. Die der herzöglichen Familie vorbehaltene Empore, die von deren Privatgemächern aus betreten werden konnte, ist in Beton rekonstruiert. Wanddekor und Ausstattung der Kapelle sind verloren. Hinter und zwischen den komplettierten Hausteingliederungen erscheinen heute anstelle der verputzten und gefassten Wandflächen die Backsteinmauern des Rohbaus.
Denkmalpflegerische und bauliche Maßnahmen
1968–1972 | Neubau des Gymnasiums unter Schonung der alten Bausubstanz |
1972–1976 | Neugestaltung der Gartenanlage im Osten, Restaurierungsarbeiten und Neugestaltung der südlichen und nördlichen Außenwälle und der Südbastion |
1976–1989 | Weitere Instandsetzung von Wallanlagen und Bastionen; stärkere Einbeziehung von Grüngürtel und Anlagen in die Stadt Jülich |
1995–1996 | Herrichtung des Bombentrichters auf der St. Johannes-Bastion |
1996–1997 | Sanierung Ostfassade der Schlosskapelle |
1997–1998 | Wiederherstellung des Schlossgartens |
1998–2004 | Sicherungsmaßnahmen an den inneren Anlagen |
2004–2005 | Neubau Kassenhaus |
2007–2008 | Sanierung Magazin Nord/West |
Geplante Baumaßnahmen: | Wiederherstellung Teile des Südportals des Schlossgebäudes |
Nutzung: | Städtisches Gymnasium, Museum Zitadelle Jülich |
Ressort: | Bauministerium (MBWSV) NRW |
Denkmalbehörde: | Bezirksregierung Köln |
Denkmalliste: | Jülich Nr. 4, 12.12.1984 |
Die Zitadelle befindet sich im Eigentum des Landes NRW und wird von der Bezirksregierung Köln verwaltet.
Die Zitadelle im städtischen Raum
Die Zitadelle bietet einen optimal geschützten Raum, ist dennoch offen und liegt mitten im Leben, im Zentrum der Stadt Jülich. Die Idealstadt wurde innerhalb der Stadtmauer gestaltet, so dass die Straßen von der Zitadelle oder von strategischen Punkten der Stadtmauer aus zu sehen waren. Die Straßenzüge sind hierbei nachrangig der Zitadelle entstanden und sollten in erster Linie der Verteidigung dienen.
Früher zeigte die Zitadelle einen gleichen Charakter in Bezug auf ihre vier Seiten. Die verschiedenen Seiten waren von gleicher Bedeutung. Heutzutage wird der Eingang zur Zitadelle hauptsächlich durch den Schlosspark und die Grünfläche dahinter definiert. Freiflächen befinden sich südlich (Schlossplatz) und hinter der Zitadelle, im angrenzenden Nordviertel.
Jedoch bietet auch die Festung einen interessanten Erholungsort und sorgt mit ihren verschiedenen Wällen für abwechslungsreiche Zonen, die erspürbar sind.
Die Zitadelle befindet sich auf einem erhöhten Niveau. Dies verleiht ihr einen wichtigen Charakter in Bezug auf den gebauten Kontext und die öffentlichen Gebäude in der Nähe. Es besteht ein Umgebungsschutz, der die Zitadelle vor zur dichter Bebauung schützt.
(Guido von Büren, Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz e.V., 2016; Catharina Hiller, Kunsthistorisches Institut der Universität zu Köln, 2016 / Abschnitt „Die Zitadelle im städtischen Raum“: Tania Anaguano und Astrid Rang, Studierende der TH Köln, 2020)
Internet
www.juelich.de: Museum Zitadelle Jülich (abgerufen 26.06.2020)