Im Nordosten des Naturschutzgebiets Laacher See befindet sich auf dem Hochplateau zwischen dem nördlichen Uferbereich des Calderasees des Laacher Vulkans und dem 425 Meter hohen Berg Nickenicher Hummerich eine in ihrer Grundfläche heute noch rund 33 x 9 Meter messende, obertägig dreistöckige Bauruine.
Heimschule (1928-1934/35) Der Bau ist der Überrest einer einst noch deutlich größer geplanten „Heimschule am Laacher See“. Der Grundstein für das Schulgebäude wurde am 18. September 1927 durch den seit 1913 amtierenden Abt von Maria Laach gelegt, dem Benediktiner Ildefons Herwegen (1874-1946). Als konfessionelles Internat sollte die neue Heimschule Gymnasium und Realschule vereinen und dem Unterrichtsideal eines ganzheitlichen christlichen Menschenbildes folgen: „Nach den Plänen des ersten Direktors der Schule, Dr. Bruno Benten, sollte eine katholische ‚neue Schule', den damaligen Landerziehungsheimen und freien Schulgemeinden verwandt, errichtet werden. Ein vereinigtes Gymnasium und Realgymnasium mit der Möglichkeit der Ablegung einer gemeinsamen Abiturprüfung. Ostern 1928 wurde der Schulbetrieb mit einer Sexta aufgenommen. Der Unterricht gestaltete sich in den Klassen 1 bis 9 in 14 Gruppen zu je meist im Hause wohnenden Schülern. Aber auch Kinder aus den umliegenden Orten hatten die Möglichkeit, die Heimschule zu besuchen. Die Weltwirtschaftskrise und ihre Folgen verhinderten den geplanten Ausbau der Schule.“ (Text der Informationstafel vor Ort)
Die weiteren Planungen sahen bis 1936 den Ausbau zu einer vollzügigen Schule mit Unterricht von der Sexta (= Jahrgang 5) bis zum Abitur vor. Träger der Schule war eine „Gesellschaft für ländliches höheres Heimschulwesen gemeinnützige GmbH“, bei der als Gesellschafter u.a. der Bischöfliche Stuhl in Trier, die Abtei Maria Laach, der Volksvereinsverlag Mönchengladbach und andere kirchliche und gesellschaftliche Institutionen Gesellschafter vertreten waren (www.wassenach.de).
Der straff organisierte Tagesablauf wird wie folgt geschildert (zitiert nach eifelschreiber.com): „Wecken um 6.30 Uhr, dann Frühsport noch vor der täglichen hl. Messe um 7 Uhr. Nach dem Frühstück war von 8 bis 12 Uhr Unterricht, unterbrochen von einer Pause mit zweitem Frühstück und der Pflicht für die Zöglinge, die Betten in ihren Gruppenschlafräumen zu machen. Vor dem Mittagessen die zweite Sporteinheit, alternativ Arbeit im Heimgarten oder in der Werkstatt, dasselbe auch nach der Kaffeepause. Abendessen um 18 Uhr, ab 21 Uhr galt ‚das Schweigen der Nacht', wie es in einer Chronik auf der Internetseite von Wassenach heißt. Für die Schüler wurden in der Freizeit Wanderungen, Sportwettkämpfe und anderes mehr angeboten.“
Landjahr- bzw. Landhilfe-Heimstätte und Nutzung durch eine V1-Einheit (bis 1945) „Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahre 1933 wurden die Gelder für katholische Konfessionsschulen gestrichen. Wirtschaftliche und politische Umstände führten dazu, dass der Unterricht 1934/35 eingestellt werden musste.“ (Informationstafel) Während der NS-Zeit fungierte das Gebäude zeitweise als „Heimstätte für Mädchen“ in deren „Landjahr“ - dieses auch „Landhilfe“ genannte Programm war ein aus der der Weimarer Republik stammendes erzieherisches und arbeitsmarktpolitisches Angebot für Jugendliche, die ihre Vollzeitschulpflicht von acht Jahren abgeschlossen hatten. Während der NS-Zeit wurde dies im Sinne der Machthaber als nun auch „nationalpolitische Schulung“ modifiziert fortgeführt. Nachfolgend wurde der Baukomplex gegen Ende des Zweiten Weltkriegs ab 1944 noch durch eine V1-Einheit militärisch genutzt. Die so genannte „Vergeltungswaffe 1“ (eigentlich Fieseler Fi 103) war ein Marschflugkörper des Zweiten Weltkriegs.
Die Informationstafel beschreibt die weitere Geschichte wie folgt: „Anschließend wurde das Gebäude als ‚Heimstätte für Mädchen' genutzt, die dort ihr Landjahr zu absolvieren hatten. 1944 wurde das Gebäude von der V1-Truppe, Regiment 152 Wachtel, belegt. Im Hochwald, der an das Gebäude angrenzt, wurden V1-Raketen einsatzfähig gemacht. Anschließend wurden sie zu den Abschussrampen in der Eifel transportiert. Die leerstehenden Baulichkeiten ab 1945 verfielen im Laufe der Zeit, sodass nur noch eine Ruine übrig blieb.“
Seitdem in den Nachkriegsjahren alles Nutzbare aus dem Inneren Bau gestohlen und vieles andere mutwillig zerstört wurde, steht das Gebäude leer. „Offenbar wurde über viele Jahre alles herausgerissen, gestohlen, abgebrochen, was irgendwie noch zu gebrauchen war. Fragmente eines Türrahmens sind da schon eine Überraschung, die freigelegte Bodenfüllung zwischen den Geschossen beweist nur, dass auch die ursprünglichen Dielen herausgerissen worden sind.“ (eifelschreiber.com) Ende der 1950er-Jahre gab es zeitweise Bestrebungen, den Komplex in ein Schullandheim umzuwandeln, was aber an der mangelnden Wasserversorgung scheiterte (www.wassenach.de).
Heutiger Zustand: lost place und Aussichtspunkt Die heute auf den ersten Blick eher an einen ehemaligen Industriebau erinnernde Bauruine macht schon seit langer Zeit einen trostlosen Eindruck. Fenster und Türen wurden herausgerissen und im Inneren finden sich zahlreiche wilde Graffiti. Der typische lost place (in etwa „vergessener Ort“) ist aus offensichtlichen Sicherheitsgründen von außen durch Gitter und Absperrungen verschlossen und nicht zugänglich.
Die unweit der Abzweigung der Kreisstraße K 57 in Richtung Kell von der Landstraße L 116 nach Nickenich liegende Bauruine ist gut zu Fuß zu erreichen, u.a. über den Wanderweg „Rund um den Hummerich“ oder den „Traumpfad Pellenzer Seepfad“. Von dem umgebenden Hochplateau bieten sich je nach Wetterlage gute Aussichten mit Blicken weit über die Pellenz hinaus auf den Rhein und in das Siebengebirge.
Plan der Heimschule am Laacher See. (Schrift der Heimschule 1.) Münster.
Klare, Anke (2003)
Die Deutschen Heimschulen 1941-1945. Zur Gleichschaltung und Verstaatlichung kirchlicher, privater und stiftischer Internatsschulen im Nationalsozialismus. In: Jahrbuch für historische Bildungsforschung, Band 9, S. 37-58. o. O.
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