Geschichte und Entwicklung
Bereits 1892 hatte Ernst Heinrich Geist ein Kraftwerk auf Braunkohlenbasis auf der Grube Herbertskaul gebaut und 1893 in Betrieb genommen. Aufgrund der hohen Nachfrage nach Strom waren dessen Kapazitäten schon nach zwei Jahren ausgeschöpft. Gleichzeitig stellte sich der Bedarf nach einer besseren Wasserversorgung heraus, da die lokale Wasserqualität unter der Braunkohlenindustrie litt (Heeg 1995, S. 21). 1894 konnte Ernst Heinricht Geist seine neuen Planungen für ein Elektrizitäts- und Wasserwerk für Frechen an der Kölner Straße umsetzen. 1905 diente der Prototyp „Kraftwerk auf Braunkohlenbasis Herbertskaul“ zudem der Errichtung des Kraftwerkes „Zentrale Berggeist“ in Brühl.
Am 04.01.1894 wurde die „Electricitäts- und Wasserwerk Frechen GmbH“ an der Kölner Straße 186 gegründet. Bei der Standortsuche spielte die günstigste Stelle zur Wasserhebung vor der Verfügbarkeit von Braunkohle eine Rolle.
Bereits am 01.10.1894 konnte das Wasserwerk, einen Monat später das Elektrizitätswerk in Betrieb genommen werden. Bei der Planung wurde einkalkuliert, dass das Werk „mindestens 2000 Lampenanschlüsse und einen täglichen Wasserverbrauch von 350 m3 (= 50 l pro Einwohner + 100 m3 für die gesamte Industrie) abdecken kann“ (Heeg 1995, S. 21). Teilweise wurden Maschinen aus dem „ausgedienten“ Vorgänger auf Grube Herbertskaul im neuen Werk wiederverwendet (Heeg 1995, S. 22).
Die Belieferung mit Rohkohle erfolgte zunächst mittels Pferdefuhrwerken.
Das Elektrizitäts- und Wasserwerk Frechen war rheinlandweit Vorreiter in der lokalen Infrastrukturversorgung und erhielt Jahr für Jahr mehr Anfragen. Die Versorgungsleistung in den Bereichen Strom und Wasser erstreckte sich bald bis nach Lövenich, Freimersdorf, Bachem, Buschbell, Marsdorf, Sinthern und Großkönigsdorf (Heeg 1995, S. 30). 1907 versorgt das Werk „nun ein Gebiet von über 20000 Einwohnern. Unter den Abnehmern sind fast alle größeren landwirtschaftlichen Güter des Versorgungsgebietes, vor allem aber auch die meisten Fabriken, speziell Brikett- und Tonröhrenfabriken im Frechener Bereich, die einen enormen Wasserverbrauch haben…“ (Heeg 1995, S. 31).
Ständig musste das Werk erweitert, umstrukturiert, umgebaut und modernisiert werden, um sämtlichen Ansprüchen und der steigenden Nachfrage zu genügen. Bis 1906 war das ursprüngliche Werksgelände zu 3/4 mit Betriebsgebäuden überbaut und die Belieferung mit Rohkohle erfolgte nun auch über ein Anschlussgleis der Köln-Frechen-Benzelrather Eisenbahn (Heeg 1995, S. 32). 1907 wurde die Direktorenvilla für den Betriebsdirektor Dürst gebaut (Heeg 1995, S. 33).
1912 wurde das Elektrizitätswerk Frechen schließlich stillgelegt, da die „Elektrizitätswerk Berggeist AG“ Brühl 1911 sämtliche Geschäftsanteile des Frechener Werkes aufkaufte und fortan von Brühl aus verwaltet wurde (Heeg 1995, S. 47).
Eine neue Aufgabe erhielt es, als die RWE (Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerke AG) dort eine 110 kV-Freiluftumspannanlage mit Schalthaus aufstellte. Diese war an eine Hochspannungsleitung zwischen der Roddergrube und Brauweiler angeschlossen (Heeg 1995, S. 58).
Die Wasserversorgung
Die Wasserversorgung entwickelte sich mit der aufkommenden Industrialisierung immer mehr zum Problemfall: Insbesondere litt die Trinkwasserqualität des Frechener Baches, dem die Bevölkerung das Wasser für den täglichen Bedarf entnahm, unter den Einträgen aus der Braunkohlenindustrie. Eine gewisse Abhilfe konnte das Wasserwerk schaffen: Jeder Haushalt, der es sich leisten konnte, erhielt nun einen eigenen Anschluss zur Versorgung mit Frischwasser. Der Rest der Bevölkerung versorgte sich auf Kosten der Gemeinde mit Wasser aus den öffentlichen Laufwasserbrunnen, die über das Stadtgebiet verteilt waren (Heeg 1995, S. 27).
Die Wasserversorgung des Ortsteiles Benzelrath stellte ein eigenes Problem dar. Das Dorf lag topographisch so hoch, dass ein Hochbehälter gebaut werden musste - und zwar nicht, wie ursprünglich geplant, am Wachtberg, sondern an der Rosmarstraße, auf der Kante der Mittelterrasse. Die Laufbrunnen lieferten jedoch immer noch zu wenig Wasser, sodass das die Elektrizitäts- und Wasserwerk GmbH 1906 zu einer teuren und aufwendigen Lösung griff: Es wurde ein Wasserturm neben dem alten Hochbehälter errichtet, dessen Bauzeit jedoch von Herbst 1906 bis März 1909 andauerte (Heeg 1995, S. 45). Die Wasserversorgung Benzelrathes war nun scheinbar gesichert.
Am 01. Mai 1911 endete die öffentliche und kostenlose Wasserversorgung durch Laufbrunnen (Heeg 1995, S. 47); die Bewohner, die bisher noch nicht an das Wasserwerk angeschlossen waren, sollten diesen vergünstigt erhalten. Das Wasserwerk gewann das notwendige Grundwasser mittlerweile mit vier Pumpen auf dem Standort Kölner Straße. Im besonders trockenen Sommer 1911 trat erneut das Benzelrather Wasserproblem auf, welches sich jedoch auch auf andere Ortschaften, die ihr Wasser über das Frechener Wasserwerk bezogen, erstreckte. Man begründete die mangelnde Wasserversorgung mit der allgemeinen Trockenheit, aber auch mit Grundwasserabsenkungen durch den Braunkohlenabbau. Ältere Brunnen wurden vertieft, weitere Brunnen neu gebohrt, um Zeit für nachhaltigere Lösungen zu finden (Heeg 1995, S. 53).
Erst 1956 konnte das gravierende Wasserversorgungsproblem durch eine Transportleitung vom Goldenberg-Werk zum Frechener Wasserwerk dauerhaft gelöst werden. Allerdings verlor das Werk damit auch seine Wasserversorgungsfunktion durch eigene Wasserförderung. In den 1970er Jahren und später erfolgten weitere Umrüstungsmaßnahmen in der Wasserversorgung im Betriebsbereich Frechen mit Erneuerungen, zusätzlichen Pumpanlagen sowie einer Druckerhöhungsanlage in Königsdorf und einem zusätzlichen Wasserwerk in Bachem (Heeg 1995, S. 58f).
Beschreibung und kulturhistorische Bedeutung
Die historischen Gebäude des Elektrizitäts- und Wasserwerkes der Jahre 1894-1899 sind zwar noch vorhanden, haben jedoch überwiegend ihre ursprüngliche Funktion verloren und wurden im Laufe der Jahre durch Anbauten überprägt. Verschiedene Firmen nutzen die Gebäude als Unternehmenszentrale mit Büroräumen und Lagerflächen.
Von dem Elektrizitäts- und Wasserwerk sind bis heute erhalten:
- Kesselhaus (1894-99)
- Maschinenhaus (1894-99)
- Büro / Lager / Werkstatt (1894-99)
- Repräsentatives Wohnhaus für den Betriebsdirektor Wüst (1907)
- Kondensation (1908)
- Umspannanlage der RWE mit Schalthaus (1952)
- Trinkwasserbehälter (1972/73); evtl. Pumpenanlage
- Wasserturm mit Ur-Reservoir auf dem Schachtelnberg / Grube Carl
Frechen nahm Anfang des 19. Jahrhunderts eine Vorreiterrolle im Infrastrukturangebot ein: Der Bahnanschluss (Köln-Frechen-Benzelrather Eisenbahn) sowie das Elektrizitäts- und Wasserwerk und die Rohstoffvorkommen Braunkohle, Ton und Quarzsand lockten Investoren in die aufkommende Industriegemeinde. In den zahlreichen Industriebetrieben fanden viele Menschen Arbeit, sodass die Bevölkerungszahl stark anstieg und Frechen in den 1920er Jahren einer großen Wohnungsnot mit einem kommunalen Wohnraumprogramm entgegnen musste. Das Elektrizitäts- und Wasserwerk Frechen nahm nicht nur hinsichtlich seiner Pionierfunktion und als Prototyp für ein Kraftwerk auf Braunkohlenbasis in einer Gemeinde eine große Bedeutung ein, sondern war auch einer der wesentlichen Motoren für die Industrialisierung Frechens, indem die zahlreichen Industriebetriebe mit Strom und Wasser versorgt werden konnten.
Trotz der modernen Überprägung sind viele der ursprünglichen Bauten der Anlage an der Kölner Straße erhalten. In direkter Nachbarschaft zum ehemaligen Kalscheuerwerk und nahe dem Bahnhof Frechen gelegen, ist eine hohe Ablesbarkeit und Erlebbarkeit der räumlich-funktionalen Zusammenhänge zur Zeit der Industrialisierung gegeben.
Hinweis
Das Objekt Elektrizitäts- und Wasserwerk Frechen ist wertgebendes Merkmal des historischen Kulturlandschaftsbereiches Töpfereisiedlung Frechen (Kulturlandschaftsbereich Regionalplan Köln 474).
(Nicole Schmitz, LVR-Abteilung Kulturlandschaftspflege, 2021)