Geschichte / Entwicklung bis 1945
Die ursprünglich 1898 als Stadtwerk von Essen gegründete Rheinisch-Westfälische-Elektrizitätswerk AG (RWE AG) war unter der Leitung von Hugo Stinnes sehr früh auf Expansion ausgerichtet, um die immens steigende Nachfrage nach Strom (Privathaushalte, Verkehr und Industrie) auszunutzen. So kaufte die RWE bereits 1906 das Brühler Kraftwerk Berggeist, das auf Basis von Braunkohle Strom für die Zuckerfabrik Brühl erzeugte. Eine weitere Expansionsmöglichkeit bot das aufstrebende Industriegebiet Knapsack mit dem Tagebau Vereinigte Ville, den diesem angeschlossenen fünf Brikettfabriken sowie einem Kalkstickstoffwerk, das als energieintensive Industrie ebenfalls die Nähe preisgünstiger Energierohstoffe suchte. Hier plante die RWE AG den Bau ihres neuen Großkraftwerks und schloss mit der Roddergrube AG am 12.11.1912 einen Kohlenlieferungsvertrag (www.rheinische-industriekultur.de). Nach einem Jahr Bauzeit konnte die sogenannte Vorgebirgszentrale im April 1914 die Stromproduktion mit zwei 15 Megawatt Turbinen aufnehmen. Sehr schnell reichte diese Leistung nicht mehr, um den enormen, vor allem auch kriegsbedingten Strombedarf zu decken - bis 1928 war das bis auf 290 Megawatt erweiterte Kohlekraftwerk das größte Europas. 1936 wurde seine Leistung auf 390 Megawatt ausgebaut. Als Oberingenieur Goldenberg 1917 verstarb, wurde das Kraftwerk nach ihm „Goldenberg-Werk“ benannt.
Die Belieferung mit Rohkohle erfolgte vom Tagebau Vereinigte Ville aus per Kettenbahnen und Grubenwagen über das Gelände der Brikettfabriken hinweg bis zu den Bunkern der Kesselhäuser, wo sie zerkleinert und getrocknet wurde. Zur Gesamtanlage gehörte auch eine Reihe von Wohnhäusern für die Meister und den Betriebsleiter des Kraftwerkes, die 1914-1915 als Einzel- und Doppelhäuser errichtet worden waren.
1940 wurde ein spitzkegeliger, mehrgeschossiger Luftschutzbunker errichtet, von dessen Luftschutzbefehlstelle aus das Kraftwerk im Falle von Angriffen gesteuert werden konnte. Der ca. 22 Meter hohe Bau (auch Winkelbau nach der Baufirma Leo Winkel genannt) bot Platz für 225 Personen (rheinische-industriekultur.de). Aufgrund von Zerstörungen durch Fliegerangriffe auf das Kraftwerk von Oktober bis Dezember 1944 konnte die Stromproduktion erst ab Ende 1945 wieder aufgenommen werden (rheinische-industriekultur.de).
Entwicklung bis heute
Im Zuge des Wiederaufbaus wurde wiederum leistungsmäßig aufgestockt: 1950/51 wurde eine Vorschaltanlage realisiert, der Ende 1952 eine Hochdruck-Kondensationsanlage sowie ein Naturzugkühler folgten. Dieser galt zu seiner Bauzeit mit einer Höhe von 75 Metern und einem Durchmesser von 56 Metern als der größte Kühlturm Europas; er wurde 1984/85 zu einem Parkhaus umgebaut (rheinische-Industriekultur.de). „(...) im Maschinenhaus wurden erstmals in Deutschland 100 Megawatt-Turbosätze aufgestellt, die auch weltweit zu den größten ihrer Art gehörten. Das Goldenberg-Werk war nach Inbetriebnahme dieser Turbinen Anfang 1953 mit 755,8 Megawatt wieder das größte Braunkohlenkraftwerk Europas“ (rheinische-industriekultur.de). Weitere Baumaßnahmen und Erneuerungen erfolgten in den Jahren 1957/58, 1959 sowie 1991-1993 (rheinische-industriekultur.de), wie z.B. die Umrüstung der Anlage auf Wirbelschichtfeuerung und der Einsatz von Cirkofluid-Kesseln (Wikipedia: Kraftwerk Goldenberg). Teilweise wurden bereits im Zuge dieser Maßnahmen historische Gebäudeteile abgebrochen (rheinische-industriekultur.de).
In den 1980er Jahren zeichnete sich das Ende der Stromproduktion ab. Geplant war, das überalterte Kraftwerk zu modernisieren. Dies wurde jedoch aufgrund neuer immissionsschutzrechtlicher Gesetze und Verordnungen nicht realisiert; die Stromnachfrage stagnierte und neue Kernkraftwerke wurden in Deutschland in Betrieb genommen (Wikipedia: Kraftwerk Goldenberg). Zwischen November 2003 und April 2004 wurden die letzten vier Großkamine der ursprünglich 12 Apostel abgetragen. „Seit 2012 wird das Kraftwerk zusammen mit dem Kraftwerks-Betriebsteil des Kohleveredelungsbetriebs Ville/Berrenrath als Verbund Kraftwerk Knapsacker Hügel gesteuert. Da die benachbarten Tagebaue schon seit längerem ausgekohlt sind, erhält das Kraftwerk seine Kohle über die Nord-Süd-Bahnstrecke von RWE Power aus den Tagebauen Hambach und Garzweiler. (…) Die Leistung des Kraftwerkes lag zuletzt bei 40 MW. Bis Juni 2015 wurden jährlich aus ca. 1,3 Mio. Tonnen Braunkohle etwa 1,3 Mrd. kWh Strom und 0,8 Mio Tonnen Prozessdampf für die benachbarte Industrie im Chemiepark Knapsack und Fernwärme für Hürth produziert. (…) Zum 01. Juli 2015 wurde die Stromproduktion eingestellt. Die Dampfproduktion bleibt weiterhin bestehen“ (Wikipedia: Kraftwerk Goldenberg).
Folgende Gebäude des Kraftwerkes sind bis heute erhalten:
- Maschinenhaus (1914/15; Arch. Alfred Fischer)
- Kühltürme 1-6 (1914-18/um 1950)
- Verwaltungsgebäude, 1913/14 und 1949/55
- Wohnhäuser (1914-15)
- Werkstatt (um 1916)
- Lokschuppen (um 1916)
- Luftschutzbunker (1939/40)
- Kesselhäuser 1 und 2 (1952/53)
- Kühlturm 8 (1952) (rheinische-industriekultur.de).
Kulturlandschaftliche Bedeutung
Aktuell wird im Goldenberg-Werk Prozessdampf produziert, während die Stromproduktion 2015 eingestellt wurde. Aus der Gründungszeit sind trotz mehrerer Erweiterungsphasen noch Bauwerke erhalten, die in anschaulicher Weise die für damalige Verhältnisse eindrückliche Größe des in der Literatur als „Monumentalbau“ bezeichneten Kraftwerkes präsentieren. Zeitweise war das Goldenberg-Werk das größte Kohlekraftwerk Europas. Ebenso imposant ist seine landschaftsprägende Wirkung, die es aufgrund seiner exponierten Lage und verstärkt durch seine riesigen Gebäude auf dem Villerücken in die Umgebung entfaltet. „Die zwölf hohen, von der Hürther Bevölkerung bald als Zwölf Apostel bezeichneten Schornsteine des Werks stellten über viele Jahrzehnte ein weithin sichtbares Wahrzeichen Hürths dar“ (Faust 2009, S. 76f). Seitdem diese identitätsstiftenden und landschaftsprägenden Schornsteine abgerissen worden sind, nimmt der 1952 errichtete Naturzugkühler (Kühlturm 8) diese Rolle ein.
In technikhistorischer Hinsicht nahm das Goldenberg-Werk immer wieder im Rahmen seiner Erweiterungen Vorreiterrollen ein. Das Goldenberg-Werk fällt in die „zweite Phase der Kraftwerksentwicklung (1908-1918), welche gekennzeichnet ist durch die Entstehung der Großkraftwerke auf der Kohle (...). Diese Großkraftwerke wurzelten zugleich in dem sprunghaften Wachstum der Elektrizitätswirtschaft und der Entdeckung der Braunkohle als Energiequelle zur Stromerzeugung. Neben dem von Walter Rathenau und seinem Ingenieur Georg Klingenberg in Mittel- und Ostdeutschland für die AEG realisierten, gewaltigen Ausbau der Stromerzeugung bestimmte im Westen das Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk (RWE) mit Hugo Stinnes und seinem Ingenieur Bernhard Goldenberg diese Entwicklungsphase. Sie wird geradezu exemplarisch in Entstehung und Wachstum des Goldenberg-Werkes in Hürth deutlich“ (rheinische-industriekultur.de).
Aufgrund der Tatsache, dass die ersten errichteten Kraftwerke im Rheinischen Revier nicht mehr erhalten sind, stellt das 1914 fertiggestellte Goldenberg-Werk mit seinen erhaltenen Gründungsbauten das älteste Zeugnis der Stromerzeugung im Rheinischen Braunkohlenrevier dar. Es ist somit ein wichtiges Dokument für die Kraftwerksgeschichte in Deutschland (rheinische-industriekultur.de). „Das Goldenberg-Werk wird in seiner Gesamtdisposition nach wie vor durch die Grundidee der Entstehungszeit geprägt. Maschinenhaus, Schornsteine und Kühltürme definieren eine langgestreckte Hauptachse. Dabei sind die sechs Kühltürme axial auf den Haupteingang zum Verwaltungsgebäude ausgerichtet. Quer zur Hauptachse standen die nicht erhaltenen Kesselhäuser, sowie die von Nordwesten herangeführten Bekohlungsbänder und die entgegengesetzt von Südost sich nähernde baumbestandene Erschließung für die Beschäftigten des Kraftwerkes. Die erhaltene Allee zeugt noch von diesem Gedanken der aus diametralen Richtungen zusammengeführten Rohstoffe und Arbeitskräfte, aus deren Begegnung letztlich das Produkt Strom entsteht“ (rheinische-industriekultur.de).
Letztlich beruhte die gesamte wirtschaftliche Erfolgsgeschichte des Rheinischen Braunkohlenreviers auf der Produktion von Strom in den Kraftwerken, für die das Goldenberg-Werk Zeugnis gibt.
Hinweis
Das Objekt „Kraftwerk Goldenberg in Knapsack“ ist wertgebendes Merkmal des historischen Kulturlandschaftsbereiches Berrenrath, Knapsack (Kulturlandschaftsbereich Regionalplan Köln 155).
Das Goldenberg-Werk sowie der Winkelturm in Knapsack sind eingetragene Baudenkmäler (Denkmalliste der Stadt Hürth, laufende Nummer 102 und 87) (www.huerth.de).
(Nicole Schmitz, LVR-Abteilung Kulturlandschaftspflege, 2019)
Internet
www.huerth.de: Denkmalliste der Stadt Hürth (abgerufen 06.03.2020)
rheinische-industriekultur.de: Hürth_Goldenberg-Werk (abgerufen 06.03.2020)
de.wikipedia.org: Kraftwerk Goldenberg (abgerufen 06.03.2020)