Das Anwesen in der Hartmannstraße 7 ist heute ein Wohnhaus. Es handelt sich um ein prachtvolles Renaissancegebäude. Das Haus entstand um das Jahr 1613. Diese Jahreszahl findet sich in einem Treppengiebel. Das Gebäude steht mit seiner repräsentativen Seite zur Hartmannstraße hin. Die Nebengebäude sind zur Friedhofstraße ausgerichtet. Das Gebäude zählt mit zu den schönsten Anwesen in Maikammer.
Baubeschreibung Die Gebäudeseite zur Hartmannstraße weist den für die Zeit typischen Treppengiebel auf. Dieser ist oben mit einer stilisierten Muschel abgedeckt, auf der eine Wetterfahne steht. Es handelt sich um die „Schauseite“ des Anwesens. Die Gebäudeteile zur Friedhofstraße hin sind zwar stilsicher, aber deutlich weniger aufwändig gestaltet.
Der Übergang zur Dachtraufe (aufwändig profiliert) in den Hof und in die Friedhofstraße ist mit Fratzen aus Sandstein ausgestaltet. Derartige Fratzen waren ein beliebtes Stilelement der Renaissance (siehe dazu auch: Marktstraße 6).
An der Fassade fällt die abweichende Fenstergröße auf. Im Erdgeschoß und Obergeschoß wohl proportionierte vierachsig angeordnete Fenster mit Blick auf die Hartmannstraße. Zu sehen sind profilierte Laibungen, eine Sandsteinbank und Fensterbedachungen aus Sandstein. Darüber in den beiden Dachgeschossen zeigen sich kleine, gedrungene Fenster, die sich dem Treppengiebel folgend, zwei- und einachsig in die Fassade fügen. Die kleinen Fenster zeigen im Grundsatz die gleichen Elemente auf, Bank, Laibung und Bedachung, sind aber auffallend kleinformatig ausgelegt. Die kleinen Fenster im Dachgeschoß sind mit Sandsteinblenden überformt, die lediglich dazu dienen, die Fassadenproportionen aufrecht zu erhalten. Exakt die gleiche Ausgestaltung der Fenster findet sich in der Fassade im Obergeschoß im linken Anbau. Zum Abschluss ist ein Oculus (Fensterauge) eingelassen. Auch dieses Stilelement ist typisch für die Erbauungszeit.
Nach Osten schließt sich ein kleines Rundbogentor an. Die Sandsteinumfassung ist mit „Diamantbossen“ (weiß hervorgehoben) besetzt. Dieses Gestaltelement findet sich an vielen Torbögen in Maikammer aus dieser Zeit (Hofgut in Alsterweiler). Neben dem kleinen Eingang schließt sich ein weiterer Gebäudeteil an, das stilistisch aus der gleichen Zeit stammen dürfte. Interessant sind die Bedachungen der Fenster im Obergeschoß, die mit Sandsteinverblendungen eine optische Erhöhung der kleinen Fenster vermitteln - genau wie an der Hauptfassade. Diese Giebelansicht ist aber lediglich ein „Vorsatz“, eine Vorsatz-Fassade, vor einem querstehenden Gebäude im Hof des Anwesens.
Im Anwesen war die Gaststätte „Zum Adler“ untergebracht. Zwei Töchter des ehemaligen Gastwirts Peter Wendelin Schmitt (1804-1878) heirateten die Gebrüder Ullrich, Johann Anton und Franz. Mit dem Einzug in das Gebäude, wohl um das Jahr 1856, begann die Zeit des Landhandels und der Fabrikation von Gelenkmaßstäben in diesem Gebäude (Leonhardt 1928, S. 18). Die Fabrikationsgebäude sind die Anbauten in der Friedhofstraße. Beim Blick auf diese Gebäudeseite fällt das mächtige steil ansteigende Dach mit Biberschwänzen als Dacheindeckung auf. Im Dach sind zwei Geschoße untergebracht, wie an der Giebelseite mit den Fenstern gut zu sehen ist. Dem Dach folgend steigt ein weiterer Treppengiebel empor. Er diente als Brandmauer zu einem weiteren Gebäudeteil, der ebenso zum Anwesen gehörte, aber stilistisch deutlich später einzuordnen ist.
Anfänge der Fabrik In eine Zeit voller Unwägbarkeiten und politischer Unruhen hinein gründet Anton Ullrich, der älteste Sohn Leonhard Ullrichs, 1851 ein Geschäft und lässt somit zwölf Jahre nach dem Tod des Vaters, den Landhandel der Ullrichs wiederaufleben. Kurz zuvor hatten er und sein Bruder Franz geheiratet, zwei Schwestern: Anton ehelichte Margareta Schmitt (1829-1904) und Franz die jüngere Schwester Eva Katharina Schmitt (1831-1906). Aus der Ehe des Franz Ullrich gingen 8 Kinder hervor. Darunter befand sich auch Franz Gustav Ullrich, der Gründer der Maßstabsfabrik in Annweiler am Trifels, Ehrenbürger der Stadt und geheimer Kommerzienrat.
Die Örtlichkeit des damaligen Unternehmens Ullrich kann heute nicht mit genauer Sicherheit bestimmt werden. Die Familie Ullrich besaß zu dieser Zeit schon mehrere Häuser. Der erste Landhandel war wohl im Elternhaus eingerichtet worden, heute Hartmannstraße 5. Das Anwesen St. Martiner Straße 6 gehörte ab 1858 bis 1871 wohl den beiden Brüdern (Schäfer/Stöckl 2015, S. 843). Aus der zeitlichen Abfolge, die sich aus den Umschreibekatastern ergibt, ist anzunehmen, dass dort das Geschäft des Anton Ullrich ab dem Jahre 1858 zu finden ist.
Ab 1869 sind die Gebrüder laut Umschreibekataster im hiesigen Anwesen, Hartmannstraße Nummer 7 nachzuweisen. Hier entsteht in den Folgejahren die erste Manufaktur für Maßstäbe, verzinnte Eisenwaren und Emaillegeschirr. Anton Ullrich versucht in den Jahren nach 1851, neben dem Handel auch ein weiteres Standbein in seinem Unternehmen auszubauen: die Fertigung von Maßstäben (Vorgänger bzw. frühe Form des Zollstocks). Schon im Jahre 1855 erwirbt er auf der Pariser Weltausstellung eine „Teilmaschine zur Graduierung von Meßlatten“. Sicher hatte die Firma auch damals schon Gelenkmaßstäbe im Programm. Diese waren zwar schon seit Jahrhunderten bekannt, allerdings technisch nicht ausgereift.
Die Brüder erkennen recht schnell die Bedürfnisse am Markt: Man verlegt sich neben der Maßstabsfertigung auf die Fabrikation von Kuh- und Pferdestriegeln und allerlei Utensilien, die in landwirtschaftlichen Betrieben benötigt werden. In diesen Zeiten hatte der Betrieb auch mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen: „Die schlechten Jahre 1851 bis 1865 brachten dem Geschäft wenig Einkommen und oft musste sich Ullrich mit 1 fl. [(Gulden)] pro Woche begnügen“ (Leonhardt 1928, S. 199).
Ab dem Jahr 1868 widmet sich die Firma auch zunehmend der Fertigung von verzinntem Blechgeschirr, welches in den einfachen Haushalten teures Kupfer- und Messinggeschirr sowie Zinn und irdene Ware langsam verdrängt. Blechgeschirr war hygienisch zu handhaben und wurde nicht teuer gehandelt.
Ein „Situationsplan“ aus dem Jahr 1872 weist schon die Aufstellung einer dampfbetriebenen Lokomobile aus und es ist davon auszugehen, dass die Geschäfte der Brüder Ullrich florieren. In den 1870er Jahren scheinen die Gebrüder Ullrich auch die ersten Emaillierversuche gestartet zu haben. Durch neue Rezepturen in der Emailleherstellung und die Möglichkeit, außer gusseisernen Geschirren nun auch Blechgeschirre emaillieren zu können, bereitet sich wiederum ein neuer Markt für die Firma.
Kulturdenkmal Der Eintrag im Nachrichtlichen Verzeichnis der Kulturdenkmäler im Landkreis Südliche Weinstraße lautet: „Hartmannstraße 7 Renaissance-Wohnhaus, Treppengiebel, bez. 1613“. Das Anwesen gehört zur Denkmalzone wie folgt: „Ortskern Erbgasse 1, Friedhofstraße 2, 34, Hartmannstraße 1-7 (ungerade Nrn.), 2-18 (gerade Nrn.), Kirchstraße 1, 3, Marktstraße 1-9 (ungerade Nrn.), 2-22 (gerade Nrn.), St. Martiner Straße 1-9, Weinstraße Nord 1-21, 25, 27, 33-39 (ungerade Nrn.), 2-12, 18-32 (gerade Nrn.), Weinstraße Süd 1-23 (ungerade Nrn.), 2-38 (gerade Nrn.) (Denkmalzone) weitgehend geschlossene Bebauung mit Winzeranwesen seit dem 16. Jh.; straßenbildprägend wirken die zahlreichen Torbögen“
Trivia Die Fratzen am Anwesen spielten in einer Folge des Fernsehquiz „Stadt-Land-Quiz“ im Jahre 2018 eine Rolle. Detailaufnahmen dieser Gebäudeteile waren aus einer unscharfen Fotografie zu erkennen und aufzufinden. Aus der Sendung des Südwestfunks ging Maikammer - angetreten gegen Waldbachtal - als Sieger hervor. „Erfinder“ waren das Quizthema, in Maikammer die Familie Ullrich, in der Gemeinde Waldachtal die Firma „Fischer“. Die Gemeinde Maikammer wurde durch die Weinbotschafterin Maja Schmal und Matthias Dreyer für den Club Sellemols (Historienfreunde Maikammer Alsterweiler) vertreten. Die Innenaufnahmen wurden in der Vinothek Maikammer gedreht. Auch die Gemeinde Maßweiler spielte beim Quiz eine Rolle. Der Bezug wurde über die Plastik „Klappmeter“ in Maikammer hergestellt. Die Inschrift auf der Plastik lautet: „Was ist das Maß aller Dinge“. Im Quiz wurde daraus die Frage nach der Gemeinde Maßweiler abgeleitet. Ausgestrahlt wurde die Sendung am 7. April 2018 um 18:45 im SWR-Fernsehen.
(Markus Hener und Matthias C.S. Dreyer Club Sellemols, Historienfreunde Maikammer-Alsterweiler, 2019 und 2020)
Internet programm.ard.de: Textbeitrag zur Sendung (abgerufen 06.03.2020) vg-maikammer.de: Bericht über Empfang der Gemeinde (PDF 6.305 KB) (abgerufen 06.03.2020)
Literatur
Berthold, Franz (1990)
Die Ullrich'schen Werke. Ein Beitrag zur Industriegeschichte der Pfalz. Annweiler.
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