Der aufwändige Renaissancebau in der Gewanne im Kirchengarten (heute Marktstraße Nr. 5) wurde von dem Metzgermeister Johannes (Hans) Rösser (gesch. 1565 -1600) erbaut. Das Gebäudeensemble ist das architektonisch interessanteste profane Bauwerk in der Ortsgemeinde Maikammer und dem Ortsteil Alsterweiler. Es besteht aus einem Hauptgebäude, einem Anbau mit Torbogen und einem Hinterhaus mit Scheune.
Baubeschreibung Das Hauptgebäude aus dem Jahre 1600 hat zwei Voll- und drei Giebelgeschosse (Treppengiebel). Diese sind durch profilierte Gesimsbänder voneinander getrennt. Der Treppengiebel sitzt auf zwei Konsolen mit sorgfältig behauenen Halbreliefs, die den Tod (nach Westen) und das Leben (nach Osten) darstellen. Der Giebel schließt in der Spitze mit einer aus Sandstein gefertigten Muschel ab. Die Eckseiten des Hauses sind mit großen, meist rötlichen Sandsteinblöcken betont. Die Wandflächen sind weiß verputzt.
In den Geschossen eins und zwei befinden sich Doppelfenster. Diese sind ebenso wie das Einzelfenster im 3. Obergeschoss mit profilierten und verzierten Gewändern umrahmt. Ganz oben in der Giebelwand ist ein rundes Fenster eingesetzt. Das Erdgeschoß (mit dem ehemaligen Zugang) zeigt rechts und links des Portals zwei ebenerdige Einzelfenster. Sie sind mit geschwungenen Fenstergewändern umgeben, die nach oben hin spitz zulaufen und einem gotischen Giebel nachempfunden sind. Das ehemalige Zugangsportal wird nochmals von zwei Pilastern umrahmt.
Haupthaus und Torbogen weisen eine äußerst reichhaltige Ornamentik auf. Mittig am Hauptgebäude sitzt ein Portal, das als Kellereingang zur damals bestehenden Metzgerei diente. Der Hausspruch auf dem darüber liegenden Gesims soll angeblich erkennen lassen, dass auf dem Anwesen einst ein Brunnen existierte (www.club-sellemols.de). Von einer anderen Auslegung der Inschrift geht das Ortsfamilienbuch Maikammer-Alsterweiler aus. Demnach soll die Textstelle „Grmen“ nicht als „Brunnen“, sondern als „Grinen“ (also Grünen) zu lesen sein. Beim Vergleich der beiden Anfangsbuchstaben G (siehe in der gleichen Inschrift bei „Gott“) und B (bei „Brand“) kann es sich nur um ein G handeln, ebenso beim letzten Wort „Genanndt“. Insofern ist eine Auslegung des Wortes „Grmen“ als Brunnen ausgeschlossen. Ohnehin sind die drei „Schäfte“ in der Wortmitte nur als die Abfolge „i“ „n“ zu lesen, möglicherweise mit einem nicht mehr eindeutig erkennbaren „Verdopplungsstrich“ über dem „n“. Die Lesart wäre dann Grinnen. In der Schriftzeile folgt dann das Wort „Eppig“, was nach dem Pfälzischen Wörterbuch (dort als Eppich) eine Bezeichnung für Petersilie oder Efeu ist (Pfälzisches Wörterbuch 2018). Demnach dürfte sich in dem Anwesen eine Gaststätte befunden haben, die sich „Zu dem Grünen Efeu“ nannte. Die vollständige Textzeile lautet:
„Gott beschutze dieses Haus vor wasser Fäyer onnd Brandt ond zu dem Grinen Eppig istes Gennandt“
Die verkleinerten Napoleon-Hüte über den Fenstern des ersten Stockwerkes könnten darauf hindeuten, dass der geschlagene französische Kaiser Napoleon I. im Jahre 1813 bei seinem Rückzug aus Russland (nachweislicher Aufenthalt in Sankt Martin) auch in diesem Haus Halt machte (www.club-sellemols.de). Zu diesem Haus soll es ein identisches Pendant, das sogenannte „Kröpfchenhaus“ in Colmar im Elsass, geben (siehe ebenda).
Der klassizistische Anbau wurde um das Jahr 1900 errichtet. Er setzt sich deutlich vom Renaissancehaus ab. Die jeweiligen Baustile und ihre typischen Gestaltungselemente sind gut erkennbar.
Rechts an den klassizistischen Anbau schließt ein imposanter, ebenfalls reich verzierter, Renaissancetorbogen aus Sandstein mit korinthisierenden Kapitellen an. Besonders hervorzuheben sind der Schlussstein mit einer weiblichen Halbfigur (möglicherweise eine Atalante, die einen Stierkopf hält) sowie das sorgfältig ausgearbeitete Beschlagwerk. Es handelt sich dabei um ein typisches Gestaltungselement an Gebäuden der Renaissance. Es ist ein schwachplastisches, reliefartiges Flächenornament. Das bandartige, in der Fläche ausgelegte Ornament (aus dem Rollwerk abgeleitet) ahmt aufgenieteten metallenen Beschlag nach. Es erweckt beim Betrachter den Eindruck, mittels imitierter Nagelköpfe auf der Wandfläche angeheftet zu sein. Das Beschlagwerk soll auf den Antwerpener Bildhauer, Baumeister und Ornamentstecher Cornelis Floris (1514-1575) zurückgehen. Im späten 16. Jahrhundert wurde diese Ornamentik in den Niederlanden entwickelt und verbreitete sich dann vor allem in Deutschland. Der Torbogen wird von zwei Halbsäulen geziert, auf denen in Augenhöhe ebenfalls Ornamente aufgesetzt sind. Die Säulen ruhen auf mächtigen profilierten Sockeln.
Das Hinterhaus besitzt einen polygonalen noch vollständig erhaltenen Treppenturm. Im Turm führt eine Spindeltreppe aus Sandstein in die oberen Geschosse. In der Spindel sind zahlreiche Steinmetzzeichen eingeschlagen. Im Treppenturm ist ein Sandstein eingebaut, der Erbauungszeit und Namen des Erbauers zeigt.
Erbauer Der Erbauer war der Metzgermeister und Schultheiß (Dienstzeit: 1597) Hans Rösser: Am Bogenscheitel des zugemauerten ehemaligen Zugangs zum Haupthaus befinden sich das Metzgerzeichen und seine Initialen „HR“. Die zwischen den Initialen liegende Sigle weist möglicherweise auf die Funktion eines Amtsschöffen hin. Die Engelsköpfchen am Rundbogen geben den Hinweis darauf, dass er sich auch als Schultheiß betätigte.
Die drei in Stein gehauenen „drohenden“ Löwenköpfe an der Hausfront des gegenüberliegenden Bauernhauses Rassiga sollen ein Hinweis darauf sein, dass die Nachbarn einst verfeindet waren.
Flurname Der Flurname im Kirchengarten geht auf einen Friedhof zurück, der sich an dieser Stelle befand. Hier befand sich auch das alte Rathaus der Gemeinde Maikammer. Um 1619 war der Kirchgarten „Freygarten“ des Winzinger (heute Stadtteil von Neustadt an der Weinstraße) Mönchhofs. Dieser Hof war ein ehemaliger Wirtschaftshof des Klosters Eußerthal. Die Wiesen im Kirchengarten wurden durch den Kirchbach bewässert (Ziegler 1975).
Der Renaissancebau ist zusammen mit dem Anbau und dem Hinterhaus als Einzeldenkmal in der Denkmalliste des Landes Rheinland-Pfalz eingetragen (Generaldirektion Kulturelles Erbe RLP 2017). Das Anwesen ist bereits im Jahre 1928 im Werk „Kunstdenkmäler der Pfalz“ geführt (Eckardt 1928).
Trivia Im Volksmund wird das Anwesen „Lotter-Haus“ genannt (Die Rheinpfalz, 2019). Es handelt sich dabei um den Familiennamen eines ehemaligen Besitzers (www.club-sellemols.de).
(Anne-Sophie Holderle und Matthias C.S. Dreyer, Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd, 2018)
Internet www.club-sellemols.de: Historischer Rundgang (abgerufen 20.09.2017) www.club-sellemols.de: Über uns (abgerufen 31.07.2019) www.maikammer.de: Ein Spaziergang durch den Ort (abgerufen 20.09.2017) www.woerterbuchnetz.de : Pfälzisches Wörterbuch, unter dem Begriff Eppich (Bd. 2, Sp. 915 bis 918) (abgerufen 20.04.2018)
Literatur
Eckardt, Anton (1928)
Die Kunstdenkmäler der Pfalz.; 2, Stadt und Bezirksamt Landau. (Die Kunstdenkmäler von Bayern, Band 6..) S. 262, München.
Nachrichtliches Verzeichnis der Kulturdenkmäler, Kreis Südliche Weinstraße. Denkmalverzeichnis Kreis Südliche Weinstraße, 28. Mai 2023. S. 68, Mainz. Online verfügbar: denkmallisten.gdke-rlp.de/Suedliche Weinstrasse, abgerufen am 16.06.2023
Keller, Kathrin (2019)
Maikammer: "Haus Lotter" wird saniert. In: Die Rheinpfalz (Neustadt Land - 19. Juli 2019), Ludwigshafen am Rhein.
Leonhardt, Johannes (1928)
Geschichte von Maikammer-Alsterweiler. S. 168ff., Maikammer.
Wittmer, Richard (2000)
Die Flur von Maikammer-Alsterweiler: Ihre Namen und steinernen Zeugen in Geschichte und Geschichten. S. 55, Maikammer.
Ziegler, Urban (1975)
Die Geschichte der Feuerwehr von Maikammer und Alsterweiler in der Zeit von 1575 - 1875. In: Festschrift 100 Jahre Freiwillige Feuerwehr Maikammer, Maikammer.
Renaissancebau „Zum Grünen Eppig“ im Kirchengarten Marktstraße 5
Literaturauswertung, Geländebegehung/-kartierung, Auswertung historischer Fotos, Übernahme aus externer Fachdatenbank
Historischer Zeitraum
Beginn 1600 bis 1900
Empfohlene Zitierweise
Urheberrechtlicher Hinweis
Der hier präsentierte Inhalt ist urheberrechtlich geschützt. Die angezeigten Medien unterliegen möglicherweise zusätzlichen urheberrechtlichen Bedingungen, die an diesen ausgewiesen sind.
Empfohlene Zitierweise
„Renaissancebau „Zum Grünen Eppig“ im Kirchengarten Marktstraße 5”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-272342 (Abgerufen: 7. Dezember 2024)
Möchten Sie dieses Objekt in der Kuladig-App öffnen?
Wir verwenden Cookies
Dies sind zum einen technisch notwendige Cookies,
um die Funktionsfähigkeit der Seiten sicherzustellen. Diesen können Sie nicht widersprechen, wenn
Sie die Seite nutzen möchten. Darüber hinaus verwenden wir Cookies für eine Webanalyse, um die
Nutzbarkeit unserer Seiten zu optimieren, sofern Sie einverstanden sind. Mit Anklicken des Buttons
erklären Sie Ihr Einverständnis. Weitere Informationen finden Sie auf unserer Datenschutzseite.