In unmittelbarer Nachbarschaft liegen die Dreifaltigkeitskirche (1899, Denkmal) und das ehemalige Kreishaus, heute Haus der StädteRegion, das von 1955 bis 1957 nach Entwürfen von Fritz Schaller gebaut wurde (Denkmal).
Der Baukomplex Cockerill
Die Tankstelle
Baudenkmal
Quellen, Internet, Literatur
Der Baukomplex Cockerill
Benannt wurden das Haus und der Garagenhof Cockerill nach dem Aachener Industriellen Philipp Heinrich Cockerill (1821-1903), der hier ab Mitte des 19. Jahrhunderts mit seiner Ehefrau Thusnelde, geb. Haniel, lebte. Cockerill, der Sohn des berühmten Industriepioniers Charles James Cockerill, war Bergwerkbesitzer in Aachen und Mitinhaber der Cockerill’schen Werke im belgischen Seraing, der Zechen Zollverein, Rheinpreussen, der Gewerkschaft „Neumühl“, der Gutehoffnungshütte sowie der Firma Franz Haniel & Co.
Zudem gehörten seiner Familie Anwesen wie Schloss Allner bei Hennef an der Sieg. Der Baublock mit dem Cockerill’schen Haus wurde im Krieg stark zerstört. Ab 1957 ließ die auf Schloss Allner ansässige Erbengemeinschaft Cockerill auf dem „Trümmergrundstück“ Mehrfamilienhäuser mit Geschäften im Erdgeschoss, einem Restaurant im Haus Cockerill und einem internen Garagenhof samt Tankstelle und Reparatur-Werkstatt errichten.
Für den Entwurf der Anlage einschließlich des Garagenhofes zeichnete der in Neuss ansässige Architekt Hellmut Herkenrath (*1926) verantwortlich, der zu dieser Zeit mit dem Neusser Architekten Karl Bayer assoziiert war. Sie fertigten auch ein nicht erhaltenes Modell des Gesamtkomplexes an. Von Hellmut Herkenrath stammt der Entwurf für die Tankstelle mit dem charakteristischen Vordach. Als Kontaktarchitekt in Aachen begleitete Hans Breuer das Bauvorhaben.
Am 19.10.1962 wurde das Haus Cockerill in Anwesenheit des Aachener Oberbürgermeisters Hermann Heusch feierlich eröffnet. Die Tankstelle wurde von der Rheinpreussen GmbH betrieben, bei der die Bauherrenfamilie Geschäftsanteile besaß: Entsprechende grün-weiße Werbeschilder wurden an den Eingängen an der Herzogstraße und an der Zollernstraße angebracht. Zudem verfügte die Tankstelle über einen Saxomat Service (Automatik). Bis heute sind der Wohn- und Geschäftshauskomplex sowie der Garagenhof in Nutzung. Die gut erhaltene Tankstelle wird momentan als Lager genutzt.
Die Tankstelle
Die Tankstelle bildet das Herzstück und den Blickfang des Garagenhofes, der über eine Zufahrt an der Zollernstraße und eine an der Herzogstraße erschlossen wird. Er umfasst vier oberirdische Garagenreihen, von denen zwei auf der zusätzlichen „Kellergarage“ angeordnet sind. Der Tankstellenkomplex besteht aus einem eingeschossigen Kassenraum, der ehemals von einer Reparaturwerkstatt (heute Lager) und wohl einer Autowaschanlage flankiert wurde. Der großzügig verglaste Kassenraum wölbt sich mit seiner abgerundeten Ecke, der Tankwartloge, zum Hof. Der Kassenraum verfügt über zwei seitliche Eingänge; der rückwärtige Bereich mit separatem Zugang war vermutlich für die Personalräume vorgesehen. Aus der Tankwartloge steigen auch die beiden seitlich platzierten Stützen auf, die als Überzüge bis zum vorderen Rand des runden, leicht ansteigenden Vordaches aus Stahlbeton geführt sind. Dank dieser Kragkonstruktion scheint das Vordach zu schweben. Das Vordach ragt über die Fahrbahn und die Tankinsel hinaus und bot so dem Tankwärter und der Kundschaft nicht nur einen stützenfreien Blick, sondern auch Schutz vor Sonne und Regen. Das Vordach war von unten beleuchtet, so dass die Tankstelle auch abends gut sichtbar war. Die runden Fassungen der Beleuchtungskörper sind erhalten. Auch die Tankinsel ist mit den Abdrücken von zwei Zapfsäulen erhalten; die grün-weißen Rheinpreussen-Zapfsäulen selbst wurden entfernt und sind heute in Originalgröße im LVR-Freiluftmuseum Kommern zu besichtigen.
Die Gestaltung ist charakteristisch für den Tankstellenbau der 1950er Jahre: Die weitgehend bauzeitlich erhaltenen Türen und Fenster besitzen feine Profile, die Wandverkleidung besteht aus später überstrichenen keramischen Fliesen. Das kühne Vordach führt exemplarisch die für die späten 1950er Jahre typische Experimentierfreudigkeit bei Tankstellenvordächern vor, mit denen die Kunden beeindruckt und hofiert wurden. Oft avancierte das Vordach zum Signet der Tankstelle.
Entwicklungsgeschichtlich ist bei dem Aachener Vordach interessant, dass hier nicht die sogenannte Pilzsäule zum Abstützen des Vordaches zum Einsatz kam, wie sie beispielsweise Arne Jacobsen 1939 bei seiner Tankstelle Skovshoved in Kopenhagen (Denkmal) verwendete und die Werner March 1950/51 bei seiner Tankstelle in Münster (Denkmal) mit schneckenförmigem Vordach gekonnt variierte. Die Kragkonstruktion des Aachener Vordachs erinnert eher an die Kragkonstruktion der Kölner Shell-Tankstelle an der Deutz-Kalker Straße mit ihrem spektakulären Vordach, das von zwei Überzügen und einer seitlichen Stütze, die im rückwärtigen Kassenraum fußt, getragen wird (1959, Architekt Herbert Baumann, Denkmal). Während in Aachen Kassenraum und Vordach deutlich voneinander geschieden sind und die Kragkonstruktion des Vordaches erst auf den zweiten Blick erkennbar ist, wurde sie bei den Caltex-Typentankstellen mit ihren gewagten „Tribünendächern“ aus Spannbeton zum Hauptthema. Die Caltex-Typentankstellen wurden seit Mitte der 1950er Jahre nach Entwürfen des Architekten Walter Hämer realisiert.
Insgesamt handelt es sich um einen originellen, gut überlieferten, repräsentativen Tankstellenbau der späten 1950er Jahre. Darüber hinaus ist es ein individueller Architekten-Entwurf – Einzelentwürfe für Tankstellen sind seltener als die häufig ebenfalls von Architekten entworfenen Typentankstellen einzelner Konzerne, wie zum Beispiel die erwähnte typisierte Caltex-Tankstelle. Schließlich ist die Tankstelle ein anschauliches Zeugnis der Aachener Verkehrsgeschichte der Nachkriegszeit.
Ein verkehrshistorisch wichtiger Bau aus den 1920er Jahren ist bereits in die Aachener Denkmalliste eingetragen: Die Kongressgarage (Kongressstraße 23), die 1924/25 nach Entwürfen der Architekten Theodor Veil und Otto Nauhardt errichtet wurde. Spektakulär ist auch hier die Konstruktion: Der wohl von der Jahrhunderthalle in Breslau inspirierte Zentralbau wird von einer 24 Meter weit gespannten Rippenkuppel aus Eisenbeton überfangen.
Baudenkmal
Die „Tankstelle im Hinterhof (Zollernstraße 3-7)“ ist ein eingetragenes Baudenkmal (Denkmalverzeichnis Aachen 2016, S. 32).
(Susanne Schöß, LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland, 2018; leicht veränderte Fassung von „Flotte Fifties in Aachen“, 2014)
Quellen (Auswahl)
- Stadt Aachen, Bauaufsicht, Bauakten Zollernstraße 3–7.
- Stadtarchiv Neuss, Bestand D.04.H. 09, Vorlass H. Herkenrath.
- „Werkeverzeichnis geplanter und ausgeführter Bauwerke von 1955 bis 1985“, aufgestellt von H. Herkenrath im April 2014 (unveröffentlicht).
Internet
aachenvintage.blogspot.com: Fotogalerie „Alte Aachener Garagen-Höfe“ mit Aufnahmen des früheren Garagenhofs Cockerill (abgerufen 08.11.2018)
www.alte-tanksaeulen.de: Historische Zapfsäulen der Rheinpreußen AG (abgerufen 03.04.2023)
www.nrw-architekturdatenbank.tu-dortmund.de (abgerufen 08.11.2018, Inhalt nicht mehr verfügbar 03.04.2023)
cms.regioit-aachen.de: Verzeichnis der Denkmäler im Gebiet der Stadt Aachen, 18. Nachtrag vom 27.09.2016 (abgerufen 12.11.2018, Inhalt nicht mehr verfügbar 03.04.2023)