Meidericher Hütte

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Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege, Raumplanung
Gemeinde(n): Duisburg
Kreis(e): Duisburg
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Koordinate WGS84 51° 28′ 51,43″ N: 6° 46′ 50,14″ O 51,48095°N: 6,7806°O
Koordinate UTM 32.345.889,48 m: 5.705.646,66 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.554.270,30 m: 5.705.442,63 m
  • Technische Anlagen eines ehemaligen Sinterplatzes an der Alten Emscher im Landschaftspark Duisburg-Nord (2014).

    Technische Anlagen eines ehemaligen Sinterplatzes an der Alten Emscher im Landschaftspark Duisburg-Nord (2014).

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  • Ehemalige Hochofenanlage im heutigen Landschaftspark Duisburg-Nord (2014).

    Ehemalige Hochofenanlage im heutigen Landschaftspark Duisburg-Nord (2014).

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  • Früherer Sinterplatz im heutigen Landschaftspark Duisburg-Nord (2014).

    Früherer Sinterplatz im heutigen Landschaftspark Duisburg-Nord (2014).

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  • Die Emscherpromenade an der Alten Emscher im Landschaftspark Duisburg-Nord (2014).

    Die Emscherpromenade an der Alten Emscher im Landschaftspark Duisburg-Nord (2014).

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  • Ehemalige Hochofenanlage im heutigen Landschaftspark Duisburg-Nord (2014).

    Ehemalige Hochofenanlage im heutigen Landschaftspark Duisburg-Nord (2014).

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Die Meidericher Hütte entstand 1902 durch August Thyssen in der damaligen Bauernschaft Lösort. Heute liegt sie als eingetragenes Baudenkmal und industrietouristisches Highlight inmitten des Landschaftsparks Duisburg-Nord.

Historie der Hütte
Heutiger Zustand
Kulturhistorische Bedeutung
Hinweise

Historie der Hütte
Der ländliche Duisburger Norden wurde Ende des 19. Jahrhunderts montanindustriell völlig umgestaltet. Die beiden maßgeblichen, raumgestaltenden Akteure waren Franz Haniel (1779-1868) und August Thyssen (1842-1926).
Thyssen übernahm 1889 die „Gewerkschaft Deutscher Kaiser“ in Hamborn und sicherte seinem kurz darauf am Rhein gegründeten Hüttenwerk „August-Thyssen-Hütte“ damit die Kohlenversorgung. 1902 gründete er in einer Phase wirtschaftlicher Hochkonjunktur das Meidericher Hüttenwerk in der Bauernschaft Lösort (vgl. die Straßenbezeichnung 'Lösorter Straße') zur Produktion von Spezialroheisen. Dieses wurde noch flüssig mit Torpedowagen zur August-Thyssen-Hütte nach Hamborn-Bruckhausen transportiert und im dortigen Stahlwerk weiterverarbeitet. Das Hüttenwerk Meiderich erhielt wegen seiner speziellen Ausrichtung den Beinamen „Apotheke des Ruhrgebiets“.
Seine Gründung geschah auch vor dem Hintergrund der zu Beginn des 20. Jahrhunderts stark steigenden Nachfrage nach Eisen durch die Flottenausbaupläne des Deutschen Reiches und den Bedarf der USA. Standortfaktor für das Werk war der vorhandene Freiraum und der innerbetriebliche Verbund innerhalb des integrierten Hüttenwerks „August-Thyssen-Hütte“, der die auf den ersten Blick ungünstig erscheinende rheinferne Lage erklärt. Denn das Hüttenwerk profitierte von der Nähe zu den Steinkohlezechen der Gewerkschaft Deutscher Kaiser (später umbenannt in Friedrich-Thyssen, bes. Schacht 4/8 (abgerissen)), zur Kokerei Friedrich-Thyssen 4/8 (1905-1977, abgerissen) und dem Bahnhof Neumühl der Köln-Mindener-Bahn.
Die August-Thyssen-Hütte und ihr Bestandteil, die Meidericher Hütte, sind damit Paradebeispiele für integrierte Hüttenwerke. Diese arbeiten weitestgehend nach dem Verbundprinzip. Das heißt, dass möglichst alle für den Hüttenprozess notwendigen Rohstoffe (im wesentlichen Kohle, Koks, Erz) innerhalb des eigenen Unternehmens zur Verfügung stehen. Thyssen erreichte dies durch den Umbau seines Unternehmens zum Konzern, der über vielfältige Beteiligungen verfügt.
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Heutiger Zustand
Heute liegt das Hochofenwerk der ehemaligen AG für Hüttenbetrieb Meiderich („Meidericher Hütte“, 1902-1985) mit seinen drei erhaltenen Hochöfen, zugordneten Funktionsbauten und –anlagen wie z.B. Winderhitzern, zwei Kraftzentralen, Gasgebläsehalle, Gasometer, Erz- und Möllerbunkern, alter und neuer Verwaltung, Gleisanlagen und Rohrleitungssystemen mitten im Landschaftspark Duisburg-Nord.
Als die Eisenerzeugung 1985 durch Überkapazitäten auf dem europäischen Markt eingestellt werden musste, konnte das Hüttenwerk durch eine Bürgerinitiative und durch die Internationale Bauausstellung Emscher Park (IBA, 1989-1999) vor dem Abriss bewahrt werden. Der Gedanke, eine Industrieanlage aus der jüngeren Vergangenheit – zumal in dieser Größendimension – zu erhalten und touristisch in Wert zu setzen, war in Deutschland seinerzeit völlig neu und stieß auf massiven Widerstand. Häßlich, Symbol des Niedergangs, der Arbeitslosigkeit und der Umweltprobleme des Ruhrgebiets – diese Schlagworte wurden als Abrissargumente angeführt. Was in den USA und in Großbritannien als „industrial heritage“ erkannt wurde, musste im Ruhrgebiet der 1980er Jahre erst noch erlernt werden.
Dank Internationaler Bauausstellung Emscher Park ist hier heute Industriekultur erlebbar, ist der Landschaftspark Freizeitziel und städtebauliches Bindeglied und sind die Hochöfen als Landmarken zum Identifikationsobjekt der ganzen Stadt geworden. Dafür wurde das Gelände seit 1989 entsprechend den Leitbildern des postmodernen Städtebaus umgestaltet. Ökologische (Industrienatur, Renaturierung der Emscher), industriehistorische (Infotafeln, Führungen) und Freizeitaspekte (Aussichtshochofen, Veranstaltungen, Park für die Naherholung, Gastronomie, Sportangebote) sind die zentralen Elemente der neuen Nutzung.
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Kulturhistorische Bedeutung
Die Meidericher Hütte war im Verbund mit den Zechen Neumühl und Friedrich-Thyssen maßgebend für die Entwicklung Meiderichs und Hamborns zu Industriedörfern. Diese bezeugen in herausragender Weise die durch einen Industriepionier (Thyssen) verursachte montanindustrielle Umgestaltung des südlichen Emscherraums. Zusammen mit den zugehörigen Werkssiedlungen und dem Ingenhamshof ist ein Ausschnitt aus dem Kulturlandschaftstyp der Industrie- und Bergbaustädte der südlichen Emscherzone erhalten (Fehn 1998).
Nach Flächensanierung der Zechen Neumühl und Friedrich Thyssen (vgl. den entsprechenden Kulturlandschaftsbereich 060 im Regionalplan Ruhr – einzig verblieben ist das Gerüst über Schacht Friedrich-Thyssen 6) ist die Meidericher Hütte das einzige herausragend erlebbare und zudem touristisch inszenierte Relikt der für mehr als einhundert Jahre raumprägenden Montanindustrie in Meiderich und Hamborn.

Die Funktionszusammenhänge und -abläufe innerhalb eines historischen eisenschaffenden Betriebes sind nachvollziehbar erlebbar, da alle wesentlichen Anlagenteile erhalten und visuell erfassbar sind. Durch Fernblick vom Aussichts-Hochofen 5 ist die räumliche Dimension und Einbindung in den innerbetrieblichen Verbund des Thyssen-Werks erkennbar (Verlauf der Rohrleitungen, Schienen, Sichtachse zum Werk Bruckhausen im Nordwesten). Aus dieser Perspektive wird auch die industrielle Gemengelage (Siedlungen, Industrie-, Verkehrs- und Grünflächen), die sich im Raum Hamborn/Neumühl in den 1920er Jahren als landschaftstypisch herausgebildet hat, erkennbar.
Zudem sind die im Zuge des Strukturwandels umgewidmeten Flächen, z.B. der Hüttenkokerei (heute IKEA) erkennbar. Die renaturierte Alte Emscher repräsentiert den ursprünglichen Verlauf dieses Flusses vor seiner industriebedingten Mündungsverlagerung bis in den Süden von Dinslaken und gibt Zeugnis von den ökologischen Problemen. Die historische und technikgeschichtliche Bedeutung des Werks, das stets zu den modernsten gehörte, ist hoch. Mit Erweiterungen und Erneuerung in Anpassung an den technischen Fortschritt seit der Gründung ist hier ein Hochofenwerk auf dem Entwicklungsstand der 1980er Jahre erhalten. Der Erhaltungszustand ist in Anlehnung an das Konzept der „kontrollierten Ruine“ ursprünglich, mit Funktionsverlust und Funktionswandel. Für Deutschland ergibt sich ein hoher Seltenheitswert (vergleichbar nur noch mit der Völklinger Hütte im Saarland oder der Henrichshütte in Hattigen).

Durch die Flächenausdehnung, die Funktion als visuellem Ankerpunkt und durch die Arbeitsplätze war das Werk für den Stadtteil bis zu seiner Stilllegung identitätsstiftend. Diese Funktion konnte durch Erhalt und Stilisierung zur Landmarke (Beleuchtung, Ankerpunkt der Route der Industriekultur) erhalten bleiben und wirkt heute über den Stadtteil hinaus identitätsstiftend für die Stadt Duisburg.
Die Nahtlage des Ingenhamshofs zum Hüttenwerk zeigt, heute wieder verstärkt erlebbar durch den Freiraum des Landschaftsparks, die kulturlandschaftliche Situation bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts, bevor die Montanindustrie die noch vorhandene Lücke zwischen Obermeiderich und der sich aus Richtung Ruhrort/Beeck entlang der Bahngeleise vorschiebenden Industrie (Hüttenwerk Phönix, Zeche Westende) schloss.
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Hinweise
Das Objekt „Meidericher Hütte“ ist wertgebendes Merkmal des historischen Kulturlandschaftsbereichs Meidericher Hütte (Kulturlandschaftsbereich Regionalplan Ruhr 060).
Unter der Bezeichnung „ehemaliges Thyssen-Hochofenwerk Meiderich“ ist ein Teil der Meidericher Hütte seit 2000 eingetragenes Baudenkmal unter der Denkmalnummer 506, Liste A (de.wikipedia.org und www.duisburg.de).

(Martina Gelhar, LVR-Fachbereich Regionale Kulturarbeit, Abteilung Kulturlandschaftspflege, 2016/2017)

Internet
www.duisburg.de: Untere Denkmalbehörde – Denkmalliste „online“ (abgerufen 12.07.2017)
de.wikipedia.org: Liste der Baudenkmäler in Duisburg-Meiderich/Beeck (abgerufen 12.7.2017)
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Literatur

Boldt, Kai-William; Gelhar, Martina (2008)
Das Ruhrgebiet - Landschaft, Industrie, Kultur. Darmstadt.
Fehn, Klaus (1998)
Wertvolle Kulturlandschaften im Ruhrgebiet aus der Sicht der Angewandten Historischen Geographie. In: Kulturlandschaft 8, 2, o. O.
Gelhar, Martina (2005)
Industrietourismus am südlichen Niederrhein. Analyse von Grundlagen, Angebotsstrukturen und Entwicklungspotentialen unter Berücksichtigung räumlich-historischer Aspekte. Bergisch Gladbach.
Landschaftspark Duisburg Nord GmbH (Hrsg.) (2000)
Zugänge zum Eisen. Industriekultur im Landschaftspark Duisburg-Nord. Duisburg.

Meidericher Hütte

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
Emscherstraße
Ort
47051 Duisburg - Nord
Gesetzlich geschütztes Kulturdenkmal
Ortsfestes Denkmal gem. § 3 DSchG NW
Fachsicht(en)
Kulturlandschaftspflege, Raumplanung
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Literaturauswertung, Geländebegehung/-kartierung
Historischer Zeitraum
Beginn 1902

Empfohlene Zitierweise

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Empfohlene Zitierweise
Martina Gelhar, 2016/2017: „Meidericher Hütte”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-262014 (Abgerufen: 26. April 2024)
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