Villa Franzenshöhe in Werden

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Denkmalpflege, Landeskunde
Gemeinde(n): Essen (Nordrhein-Westfalen)
Kreis(e): Essen (Nordrhein-Westfalen)
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Koordinate WGS84 51° 23′ 7,52″ N: 6° 59′ 42,79″ O 51,38542°N: 6,99522°O
Koordinate UTM 32.360.500,36 m: 5.694.593,99 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.569.324,10 m: 5.694.995,62 m
  • Kutschenhof der ehemaligen Villa Franzenshöhe (2016).

    Kutschenhof der ehemaligen Villa Franzenshöhe (2016).

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Die ehemalige Villa Franzenshöhe war eine Fabrikantenvilla auf der rechten Seite der Ruhr in der damals noch eigenständigen Gemeinde Bredeney. Heute befinden sich nur noch die Überreste des Kutschenhofs im Stadtteil Werden.

Bauherr Ewald Hilger und das Krupp'sche Vorbild
Bau und Lage des Anwesens
Übergang des Anwesens zu den Familien Beer und Hirschland
Die Villa Franzenshöhe während der Zeit des Nationalsozialismus
Die letzten Jahre der Villa Franzenshöhe
Baudenkmal
Internet, Literatur

Bauherr Ewald Hilger und das Krupp'sche Vorbild
Nach der Errichtung der Villa Hügel entschied sich der Unternehmer Ewald Hilger (1833-1887) eine an das Krupp'sche Original angelehnte Villa in Werden zu errichten. Viele damalige Fabrikanten ließen weit außerhalb der städtischen Industriestandorte Prachthäuser bauen, um so gesundheitlichen Schäden von Abgas, Dunst und Lärm vorzubeugen.
Hilgers unternehmerische Tätigkeiten begannen 1857 mit der Gründung seiner ersten Maschinenfabrik samt Eisengießerei in Essen. Später war er Vorstands- und Aufsichtsratmitglied im Handels-, Bank- sowie Bergbauwesen und zudem in der lokalen Politik aktiv. Seine Tätigkeiten im Bergbau sind noch heute im Namen der ehemaligen im Jahr 1877 von Hilger gegründeten Zeche Ewald erkennbar.

Bau und Lage des Anwesens
Mit dem Bau wurde der Architekt Bernhard Frielingsdorf beauftragt. Das drei Hektar große Grundstück umfasste neben dem Prachtbau einen Park und einen Kutschenhof. Letzterer wurde zuerst errichtet und beinhaltete einen Luxuspferdestall und eine Wagenremise mit Platz für bis zu sechs Pferde und neun Kutschwagen.
In den Baujahren 1875 und 1876 wurde schließlich das Hauptgebäude, eine Villa im neoklassizistischen Stil, errichtet. Neben Balkon, Veranda und reich ausgestattetem Garten besaß das Haus eine Aussichtsplattform, von der Bewohner und Besuchende das Werdener Ruhrtal bewundern konnten. Die Nähe zum fast schon benachbarten Werdener Bahnhof war ein weiterer Vorteil des Standorts.
Hilger benannte die Villa zu Ehren seines aus Tirol zugewanderten Schwiegervaters Franz Schmidt (1795-1866) „Franzenshöhe“.
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Übergang des Anwesens zu den Familien Beer und Hirschland
Nach dem Tod von Hilger (1887) und seiner Ehefrau (1896) wurde das Anwesen an den jüdischen Bankier Moritz Beer (1826-1903) verkauft. Dieser war unter anderem in der Synagogengemeinde sowie im Stadtrat tätig und galt durch seinen Handel mit Unternehmensanleihen als zweitgrößter Steuerzahler nach Alfred Krupp in Essen. Nach Moritz Beers Tod erweiterte seine Witwe Marie den Kutschenhof der Villa um eine Automobilgarage samt Tankstelle.

Häufig zu Besuch war der Bankier Georg Hirschland, welchem nach dem Tod von Marie Beer die Villa im Jahr 1923 zum Kauf angeboten wurde. Dieser war Enkel des Gründers der Simon-Hirschland-Bank. Aufgrund der hohen Inflation im damals besetzten Ruhrgebiet wurde Franz Hirschland, der Bruder von Georg, als nomineller Käufer von Franzenshöhe eingetragen, da dieser in Dollar bezahlen konnte.
Georg Hirschland beauftragte den befreundeten Architekten Georg Metzendorf, umfangreiche Umbauten am Anwesen durchzuführen, wodurch Franzenshöhe unter anderem mehrere Anbauten und ein neues Zwischengeschoss erhielt. Hinzu kam eine erhebliche Umgestaltung des Gartens. Hier veranstaltete die Familie Hirschland häufig Sommerfeste für die Essener Jüdische Gemeinde.
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Die Villa Franzenshöhe während der Zeit des Nationalsozialismus
Nach der Machtübertragung an die NSDAP im Jahre 1933 war Georg Hirschland maßgeblich an der Gründung einer reichsweiten Zentrale beteiligt, welche Jüdinnen und Juden unterschiedlicher politischer sowie religiöser Richtungen zusammenführen und repräsentieren sollte. Nicht zuletzt Hirschland schlug den Berliner Rabbiner Leo Baeck zum Präsidenten der zu gründenden Organisation vor. Im Anschluss an die Hauptgespräche lud Hirschland zu einem Mittagessen und weiteren Gesprächen in seine Villa Franzenshöhe ein, wonach letztlich die „Reichsvereinigung der Deutschen Juden“ gegründet wurde.

Im Jahr 1938 flüchtete die Familie Hirschland schließlich in die USA. Danach war Franzenshöhe vorerst sechs Monate lang von der SA kontrolliert. Nachdem die Villa der Familie Hirschland am 1. April 1939 entschädigungslos in den Besitz der NSDAP übergegangen war, bleibt die weitere Verwendung des Gebäudes noch immer unklar. Es ist jedoch möglich, dass die Villa als Sitz der NSDAP-Kreisleitung fungiert haben könnte (Fabisch 2023, S. 200).
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Die letzten Jahre der Villa Franzenshöhe
In der Nachkriegszeit wurden bis zu 170 Menschen aus einem Werdener Altenheim im Anwesen untergebracht. Die Familie Hirschland, der die Franzenshöhe 1951 rückerstattet worden war, verkaufte die Villa 1958 an das neu gegründete Bistum Essen. Im früheren Gemüsegarten entstand nun ein Priesterseminar, das heutige Kardinal-Hengsbach-Haus. Die Villa selbst wurde schließlich 1964, aufgrund der stilistischen „Unvereinbarkeit“ von neoklassizistischer Villa und modernem Priesterseminar abgerissen, was bereits 1987 von der Unteren Denkmalbehörde der Stadt Essen bedauert wurde (Fabisch 2023, S. 203).
Von der alten Villa Franzenshöhe blieb letztlich nur der Kutschenhof und das Teehaus erhalten.

Hinweise
Der Kutschenhof und die Sondergärten der ehemaligen Villa Franzenshöhe sind eingetragene Baudenkmale der Stadt Essen (BauD 165 und BauD 5113). Die eingezeichnete Objektgeometrie bezieht sich auf diese noch existierenden Gebäude.

(Samuel Dreßen, Digitales Kulturerbe LVR, 2025)

Internet
www.lokalkompass.de: Ein tragisches Ende (Text Daniel Henschke, 27.09.2017, abgerufen 30.01.2025)
www.service.essen.de: Denkmalliste der Stadt Essen (abgerufen 30.01.2025)
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Literatur

Fabisch, Norbert (2023)
Die Hirschlands. Aufstieg und Vertreibung einer jüdischen Bankiersfamilie. Berlin/Leipzig.

Villa Franzenshöhe in Werden

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
Ruhrtalstraße 4–6
Ort
45239 Essen - Werden
Gesetzlich geschütztes Kulturdenkmal
Ortsfestes Denkmal gem. § 3 DSchG NW
Fachsicht(en)
Denkmalpflege, Landeskunde
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Geländebegehung/-kartierung
Historischer Zeitraum
Beginn 1874 bis 1876, Ende 1964

Empfohlene Zitierweise

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Empfohlene Zitierweise
„Villa Franzenshöhe in Werden”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/A-KHB-20080806-0002 (Abgerufen: 4. Dezember 2025)
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