Kurorte im Ahrtal, Brohltal und am Unteren Mittelrhein

Quellen und Bäder

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Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege, Landeskunde
  • Kurhaus Bad Neuenahr (2013)

    Kurhaus Bad Neuenahr (2013)

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  • Kurpark in Bad Breisig (2024)

    Kurpark in Bad Breisig (2024)

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  • Bad Tönisstein, Blick auf die ehemalige Hofmeisterei, das heutige Seniorendomizil (2014).

    Bad Tönisstein, Blick auf die ehemalige Hofmeisterei, das heutige Seniorendomizil (2014).

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    Römer-Thermen in Bad Breisig (2013)

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  • Der Volksgarten in Bonn-Bad Godesberg (2015)

    Der Volksgarten in Bonn-Bad Godesberg (2015)

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  • Die Redoute in Bonn-Bad Godesberg (2015)

    Die Redoute in Bonn-Bad Godesberg (2015)

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  • Dahleingarten in Bad Neuenahr (2018)

    Dahleingarten in Bad Neuenahr (2018)

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    Trinkhalle und Kurmittelhaus in Bad Bodendorf (2019)

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  • Kurhotel in Bad Neuenahr (2020)

    Kurhotel in Bad Neuenahr (2020)

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  • Faltblatt Kurbad Sinzig 1938

    Faltblatt Kurbad Sinzig 1938

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    Kurkarten in Bad Neuenahr 1859-1957

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  • Bad Neuenahr-Ahrweiler - Gäste und Übernachtungen 1951-2023

    Bad Neuenahr-Ahrweiler - Gäste und Übernachtungen 1951-2023

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  • Bad Breisig und Bad Hönningen - Gäste 1951-2023

    Bad Breisig und Bad Hönningen - Gäste 1951-2023

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  • Bad Breisig und Bad Hönningen - Übernachtungen 1951-2023

    Bad Breisig und Bad Hönningen - Übernachtungen 1951-2023

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  • Sinzig - Gäste und Übernachtungen 1951-2013

    Sinzig - Gäste und Übernachtungen 1951-2013

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  • Sinziger Mineralwasserflasche aus Steinzeug

    Sinziger Mineralwasserflasche aus Steinzeug

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  • Kastanienallee entlang der Ahr in Bad Neuenahr (2013)

    Kastanienallee entlang der Ahr in Bad Neuenahr (2013)

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  • Kohlensäuregas-Verflüssigungsanlage im Kurpark von Bad Bodendorf (2024)

    Kohlensäuregas-Verflüssigungsanlage im Kurpark von Bad Bodendorf (2024)

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Im Bild der Kulturlandschaften spiegeln sich vordergründig die gesellschaftlichen Kräfte, die sich gegen andere durchgesetzt haben. Häufig genug sind aber heute unscheinbare Relikte alternativer Vorstellungen erhalten geblieben. Die wechselhafte Geschichte der Kurorte an Unterem Mittelrhein und Ahr demonstriert beispielhaft sowohl den Aufstieg als auch den Niedergang einer touristischen Idee: Das Bäderwesen.

Dabei eignet sich der Fall „Bad Neuenahr“ vorzüglich, hinter der über 150-jährigen Erfolgsgeschichte dreier kleiner Dörfer von 1858 auch das Ringen um diese Position und dessen landschaftlichen Niederschlag im Ort und in der Region zu reflektieren. Eine Reihe von Dörfern hat versucht, auf der Grundlage eigener Quellen ebenfalls Kurort zu werden. Das ist nicht immer gelungen, hat aber dort Spuren hinterlassen, die heute in Vergessenheit zu geraten drohen. Bad Neuenahr aber erlebt gegenwärtig seinen vierten Strukturwandel, nach 1918, 1945, 1982 und seit 2013. Noch sind dort alle Phasen seines Bäder- und Kurorttourismus im Stadtbild ablesbar, auch wenn die Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 zu schweren Schäden und Verlusten geführt hat.

Die touristische Entdeckung der Felsen-, Burgen- und Weinahr vornehmlich im Mittleren Ahrtal zwischen Altenahr und Ahrweiler war seit circa 1820 erfolgt. Die ökonomischen Folgen dieser Sekundärphase der Rheinromantik stellten sich in den Nebentälern des Rheins eher als Begleiterscheinungen staatlicher Verbesserungen im Verkehrswesen ein. Auf diese reagierten manchenorts private Investitionen in zunächst bescheidenem Maße. Vor allem Mayschoß mit der Lochmühle und Altenahr stehen als Beispiele für eine erste Phase des Tourismus im Ahrtal. Auswärtige Privatinvestoren spielten keine Rolle.

Alte Quellen und Versandbrunnen in der Region Unterer Mittelrhein
Vom Versandbrunnen zum Badeort
Der erste Versuch einer Badgründung - Heppingen
Der zweite Versuch einer Badgründung – Burgbrohl / Tönisstein
Der dritte Versuch einer Badgründung - Sinzig
Bad Neuenahr auf dem Weg zu einem weit über die Grenzen des Deutschen Reiches bekannten Kur- und Badeort
Sozialkuren, Freizeitgesellschaft, „Wellness“ 1919-heute
Der erste Strukturwandel: Bad Neuenahr und seine kleinen Imitatoren 1919-1945
Der zweite Strukturwandel: Sozialkuren und das erneute Aufblühen der Bäder 1945-1982
Der dritte Strukturwandel in Bad Neuenahr, Niedergang in Bad Bodendorf 1982-2013
Anhang
Internet, Quellen, Literatur

Alte Quellen und Versandbrunnen in der Region Unterer Mittelrhein
Zahlreiche Mineralquellen am Unteren Mittelrhein waren zum Teil schon seit Jahrhunderten bekannt und als Versandbrunnen genutzt. Mit ihrer Ausschöpfung wurden Kräfte wirksam, die von außen stammten und einen beträchtlichen Kapitalbedarf erforderten. Dieses Finanzaufkommen konnte das in landwirtschaftlicher und weinbaulicher Tradition stehende Ahrtal allein nicht befriedigen. Die Professionalisierung wurde zum entscheidenden Merkmal einer zweiten Phase der Entwicklung des Fremdenverkehrs im Ahrtal. Private Investoren mit hoher Risikobereitschaft bestimmten den Gang der Ereignisse. Die Propagierung romantischer Gefühle im Erleben von Felsen- und Burgenlandschaften hatte keine hohen Investitionen in Gebäude vorausgesetzt und sich nur dadurch als Domäne der Maler und Dichter erweisen können. Mineralwasser abzufüllen oder in Gestalt attraktiver Bäder einem zahlungskräftigen Publikum anzubieten, bedurfte völlig anderer unternehmerischer Persönlichkeiten. Diese Phase der touristischen Nutzung der Kulturlandschaften des Ahrtals, die Entstehung Bad Neuenahrs gleichsam aus dem Nichts, ist mit nur wenigen Namen verbunden: Georg Kreuzberg, ein Kaufmann und Weinhändler aus Ahrweiler, Prof. Dr. Gustav Bischof, Chemiker und Geologe an der Universität Bonn, und einige vermögende Personen aus verschiedenen Teilen des Deutschen Bundes mit der Bereitschaft, Risikokapital einzusetzen. Aber was im Nachhinein so geradlinig aussieht, zeigt sich tatsächlich als windungsreicher Weg, bei dem zahlreiche Hindernisse beiseite geschafft worden sind, bis sich Bad Neuenahr in der Region durchgesetzt hatte. Es hätte auch anders kommen können!

Seit jeher traten an vielen Stellen der Unterahr und des angrenzenden Mittelrheintals Quellen zu Tage, die man wegen ihres speziellen Mineralgehalts meist als „Sauerbrunnen“ bezeichnete. Dass schon die Römer im nahe gelegenen Pöntertal (einem Nebentälchen des Brohltals) den Wert des Quellwassers erkannt hatten, beweist 1887 der Fund der Quellfassungen zusammen mit vielen Münzen der Jahre 27 vor bis 180 nach Christus. Auch in Bad Godesberg und Roisdorf nördlich von Bonn belegen archäologische Spuren eine römische Nutzung der dortigen Quellen. Keine dieser Quellen war in den folgenden Jahrhunderten ununterbrochen genutzt, vielleicht hatten sie eine lokale Bedeutung, wenn sie nicht ohnehin verschüttet waren. Im 16. Jahrhundert erwähnen mehrere Autoren eine Reihe von Quellen ausdrücklich auch als warme Heilquellen, berichten aber nichts von einer gewerblichen Ausbeutung, so zum Beispiel bei Ahrweiler, Heppingen am Fuß der Landskrone, Ehlingen, Bodendorf, Sinzig und im Brohltal. 1598 schrieb Tobias Stifell, als „Kellner“ Vorsteher der Wirtschaftsverwaltung der Burg, seine „Landskronische Chronik“ und hielt darin unter anderem fest, dass vor wenigen Jahren ein Ahrhochwasser am Fuß der Landskrone eine Quelle mit „Sauerwasser“ freigelegt habe, bei der man auf römische Münzen gestoßen sei. Wie am Pönterbach, in Bad Godesberg und Roisdorf handelte es sich also um eine wohl schon den Römern bekannte Quelle.
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Ob es ein Zufall oder bewusster Plan war, dass ausgerechnet diese vier „Römerquellen“ die ersten gewerblich genutzten Brunnen der Region wurden, lässt sich bisher nicht entscheiden. Die besten Voraussetzungen zur Entstehung eines Kurorts ergaben sich zu Beginn des 17. Jahrhunderts am Pönterbrunnen und Tyllerborn in der Nähe des Klosters St. Antoniusstein im Brohtal. Die Kölner Kurfürsten suchten recht häufig von ihrer Bonner Residenz aus die Quellen in „Tönisstein“ auf, wie sich der Platz bald nannte. Bauten sind seit 1617 nachgewiesen, die später erweitert und ergänzt wurden, aber Ende des 18. Jahrhunderts in Verfall gerieten. Auch der Versand des Mineralwassers wurzelte bereits in der Mitte des 17. Jahrhunderts, erreichte etwa 100 Jahre später 60.000 Krüge, die jährlich von Brohl aus verschifft wurden, und wurde durch die französische Herrschaft am Rhein nicht unterbrochen. Ebenso überstand der Roisdorfer Brunnen, der seit 1774 im Versand tätig war und dessen Wasser die Niederlande, Russland und sogar Übersee bediente, die Wirren der Zeit, immer in Konkurrenz zum „Marktführer“ Selters.

Der Kölner Kurfürst jedoch war inzwischen auf den verschütteten Godesberger Brunnen gestoßen, den er 1789-1794 fassen und in Parkanlagen integrieren ließ, während eine „Gesellschaft der Vornehmsten unter dem Namen ´Admodiations-Gesellschaft`“ mit einem Brunnenhaus, Theater und der Redoute wesentliche Bauten errichtete, worin (SCHWANN 1888, S.22 zit. Dick, 1844, S.28) „jeden Sonntag und Mittwoch vom Nachmittage bis Nachts 12 Uhr Gesundheits-Ball, Gesellschaft und Spiel gehalten wurde. … In dieser Weise bildete sich bald bei und um unseren Brunnen ein Curleben, wie es reger und anmuthiger in den damals bekanntesten Badeorten nicht gewesen sein kann.“ Die früher üblichen Badekuren waren inzwischen vielerorts um Trinkkuren erweitert worden. Als im Oktober 1794 französische Revolutionsarmeen auch in Godesberg einmarschierten, „war es eben so rasch mit der ganzen Herrlichkeit wieder zu Ende …“ (ebda. S.23). Parallel mit dem „Curleben“ war ein Versand des Mineralwassers in bis zu 1.000 Krügen täglich aufgebaut worden.

Zu dieser Zeit muss ein Abfüll- und Versandbetrieb der erneut entdeckten Heppinger Quelle am Fuß der Landskrone an der Unterahr schon seit mehreren Jahrzehnten bestanden haben, denn von Renier Roidkin ist eine Ansicht des Heppinger Brunnens von 1733 überliefert und von 1747, 1760/61 wie 1774/75 existieren Vertragsunterlagen zwischen dem Eigentümer und Pächter. Der Zustand der Quelle war in französischer Zeit schlecht, jedoch war das Renommee des Wassers immer noch stark genug, es unter dem etwas verballhornten Namen „Tönsteiner“ zu verkaufen.
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In Godesberg wollte man nach dem Wiener Kongress 1815 wieder an die Zeiten vor 1794 anknüpfen, jedoch (SCHWANN 1888, S.24): „ … wenn auch in der Redoute die früheren Festlichkeiten mit Feuerwerk und Bällen und ganz besonders das Spiel am grünen Tische wieder eröffnet wurden, so wollte doch nichts von dem entschwundenen Leben wiederkehren; und als erst im Jahre 1818 mit Gründung der Universität Bonn das Pharao-Spiel im Redoutensaale aufgehoben wurde, da war es vollends um Godesberg geschehen und es hatte den Anschein, als ob sein guter Stern für immer untergegangen sei.“ Der Preußische König hatte wohl Sorge um seinen in Bonn studierenden Kronprinzen, er könne dem Spiel verfallen. Die Mineralwasserabfüllung in Godesberg beschränkte sich in den folgenden 50 Jahren auf den lokalen Markt.

Ganz anders der Tönissteiner und Heppinger Brunnen: 1819 verließen 84.000 Krüge Tönissteiner Wasser das Brohltal, davon 10.000 nach Berlin. Schon 1818 hatte der Ahrweiler Kreisarzt Dr. Anton Velten der Koblenzer Regierung der preußischen Rheinprovinz die Empfehlung gegeben, aus den zahlreichen kohlensäurehaltigen Quellen an der Unterahr wirtschaftliches Kapital zu schlagen, aber in Heppingen stiegen erst 1828 mit Elias Dhal jun. und dem Kölner Kaufmann Friedrich Faulenbach zwei im Brunnengeschäft erfahrene Männer ein, die mit der aus Staatsbesitz gepachteten Quelle bald eine Jahresausfuhr von 400.000 bis 500.000 Krügen in die Niederlande und deren Kolonien erzielten. Dhal hatte zunächst 1807-1831 den Tönissteiner Brunnen gepachtet, um dessen Übernahme sich Faulenbach 1831 und 1834 erfolglos bemühte; Faulenbach war zuvor 1824-1826 Pächter des Roisdorfer Brunnens und 1827 Eigentümer einer Mineralquelle bei Burgbrohl, die er im gleichen Jahr von dem Dozenten für Chemie und Geologie an der Bonner Universität, Gustav Bischof, untersuchen ließ. 1826 war Bischofs Dissertation „Die vulkanischen Mineralquellen Deutschlands und Frankreichs (…). Chemische Untersuchungen der Mineralwässer zu Geilnau, Fachingen und Selters im Herzogthum Nassau“ erschienen. Mit diesem Nachweis seiner Qualifikation war seitdem Gustav Bischof und später auch sein Sohn Karl, ebenfalls Chemiker an der Universität Bonn, bei einer Vielzahl von Quelluntersuchungen in der Region präsent. Das galt bei den über 20 Bohrungen nach Kohlensäure im Brohltal und Laacher See-Gebiet ab 1828, bei der Neufassung des Heppinger Brunnens anfangs der 1830er Jahre, bei der Analyse des unmittelbar benachbarten, 1838/39 neu erbohrten „Landskroner Mineralwasser“, bei der Erbohrung des Apollinaris Brunnens 1851/52 kaum einen Kilometer weiter westlich, bei der Analyse des Sinziger Brunnens 1855 und noch anderenorts, vor allem aber 1852-1865 bei der Erschließung mehrerer Thermal- und Mineralquellen für das 1858 eingeweihte „Bad Neuenahr“. An Mineralwässern bestand also kein Mangel in der Region und ihre Qualität konnte sich mit den berühmten Quellen von Aachen, Selters, Fachingen und anderen messen, was sich in den zahlreichen Versandbetrieben niederschlug. Auch WEYDEN (1835, S.36), der Autor des ersten Ahrtalreiseführers, betonte, der Heppinger Brunnen „würde bei regelmäßigem Kurgebrauche eben so wohlthätige und in manchen Fällen, seines geringen Eisengehalts wegen, noch wohlthätigere Wirkungen hervorbringen, als die längst berühmten Wasser von Ems, Selters, Marienbad, Wildungen usw.“.
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Vom Versandbrunnen zum Badeort
Aber vermutlich mit Neid und Staunen lag der Blick mancher Brunnenbetreiber auf dem vergleichsweise glanzvollen Leben und der prächtigen Ausstattung der Badeorte Wiesbaden, Langenschwalbach, Schlangenbad, Ems, Spa, Baden Baden, Karlsbad und vieler anderer, die zwar auch unter den Folgen der napoleonischen Zeit gelitten hatten, jedoch in einer noch herrschenden agraren und frühindustriellen Gesellschaft ein attraktives Bild des Wohlstands und der Vornehmheit boten. Wiesbaden zählte 1820 schon 11.171 Besucher, 1840 etwa 15.000, 1866 circa 30.000 und 1890 als größte Kurstadt des Deutschen Reichs 102.028 Gäste. Nach Ems waren 1817 nur 652 Gäste gekommen, 1838 bereits 3.489, 1840 ein Sprung auf 5.225, 1856 waren es 6.358 und schon 1871 erreichte das Bad mit 12.166 Gästen den Höchststand des 19. Jahrhunderts. Wiesbaden schon seit 1771, Ems seit 1834/35 und Homburg seit den 1840er Jahren profitierten zudem erheblich von ihren Spielbanken, die bis zum Verbot des Glücksspiels im Deutschen Reich 1872 besonders für ausländische Gäste attraktiv waren, erst recht nachdem in Frankreich ab 1838 dieses Vergnügen untersagt war. Da ist es verständlich, warum Godesberg 1818 über den Entzug der Lizenz geklagt hatte. Tourismus in Kurorten erlebte schon zwischen 1800 und 1859 im Bereich des Deutschen Bundes ein beträchtliches Wachstum. MAI (2003, S.63) wertet ein Verzeichnis der deutschen Bade- und Kurverwaltungen von 1929 aus, das für die Zeit vor 1800 insgesamt 66 Badeorte nennt, zu denen bis 1859 weitere 108 Orte kommen. Bis 1929 wächst die Zahl noch einmal um 183 neue Orte. FRICK (1958, S.22) zitiert einen Artikel der Coblenzer Zeitung von 1858, der in seinem Titel „Die Badereiseepidemie“ jener Jahrzehnte persifliert. Die Zeit war reif für die Gründung eines Kur- und Badebetriebs auch in einem der Dörfer oder Städte an Ahr und Rhein, denn Bäder setzten den Trend im Tourismus.
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Der erste Versuch einer Badgründung - Heppingen
Der erste Versuch der Badgründung bei Heppingen am Fuß der Landskrone endete in einem Desaster. Die Autoren der ersten Ahrtal-Reiseführer berichten einträchtig, dass etwa 1838/39 unmittelbar neben dem von Dhal und Faulenbach betriebenen Heppinger Brunnen auf einem Privatgrundstück die Firma „Landskroner Mineralbrunnen“ eine eigene Bohrung niedergebracht habe und jetzt dabei sei, darüber ein Brunnengebäude zu errichten. Das bestätigt auch der niederländische Maler Johannes Franciscus Christ, der im Sommer 1839 auf der Heimreise von der Mittelahr die Quellen passierte und notierte (Aanteekeningen 1840, S.125): „Gegenüber des Brunnens, an der anderen Straßenseite, ist eine neue Quelle entdeckt worden, die für noch besser als die alte gehalten wird. Sie befindet sich in einem ausgedehnten, teilweise unterirdischen Gewölbe, worüber ein vornehmes Gebäude aufgezogen worden ist, das man für Badegäste einzurichten gedachte, wozu man genügend Wasser zu haben meinte.“ Christ ist der bisher einzige unmittelbare Zeuge für diesen Plan eines ersten Badebetriebs 1839 im Ahrtal. Der „Landskroner Mineralbrunnen“ hatte jedoch die Ader des Heppinger Brunnens getroffen und deshalb das gleiche Wasser. Quellschutzgebiete gab es noch nicht, denn erst 1908 trat das deutsche Quellschutz-Gesetz in Kraft. Infolge der Anzapfung brach 1840 der Heppinger Brunnen zusammen. Der „Rheinische Antiquarius“ zitiert 1862 genüsslich seitenlang die Satire eines Dr. Menapius mit dem Titel „Wasserkönig oder die Heilquellen von Heppingen-Landskron“. 1873 und 1885 erwarb der 1852 durch Georg Kreuzberg auf der Grenze Wadenheim/Heppingen erbohrte Apollinaris Brunnen den Landskroner und Heppinger Brunnen und legte beide aus Konkurrenzgründen still.
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Der zweite Versuch einer Badgründung – Burgbrohl / Tönisstein
Der zweite Versuch der Gründung eines Badeorts trägt den Titel „Der kurze Traum vom ´Kurbad Heilbronn bei Brohl`“ (HOMMEN 1985, S.112-117) und dauerte von 1849 bis 1857. Die Initiative des im Burgbrohler Schloss (seit 1849 „Curhaus“) niedergelassenen Arztes Dr. Otto Ewich, der mit dem Heilbrunnen im Pöntertal („Helpert“) gute medizinische Erfolge erzielt hatte, an dieser Quelle einen Kurort zu gründen und damit das Werk des Kurfürsten Clemens August fortzusetzen, fand trotz einflussreicher Fürsprecher im preußischen Königshaus nicht genügend Resonanz. Ewichs Plan, neben dem Helpert auch die Tönissteiner und andere, benachbarte Quellen zur Nutzung heranzuziehen, scheiterte an gegenläufigen Bestrebungen der am Trassabbau interessierten Kreise. Beteiligungen zur Bildung des für die Investitionen erforderlichen Grundkapitals erschienen 1857 zu wenigen Spekulanten attraktiv, da die preußische Regierung in Koblenz offensichtlich das im Ahrtal in Wadenheim und Beul entstehende Bad Neuenahr bevorzugte. Auch der Wiederaufbau des baufälligen kurfürstlichen Kurhauses in Tönisstein 1861 und der Neubau eines Gästehauses 1863 durch den Trasshändler Dominicus Zervas und seinen Schwiegersohn Baron Roderich von Mengershausen wurden nur bis 1884 für Kurzwecke genutzt, die besonders von Niederländern geschätzt waren. Tönisstein wurde 1886 von August Thyssen erworben, der schon 5 Jahre später zunächst die Mineralquellen und 1936 auch das etwas ausgebaute Bad an den münsterländischen Chemiker Dr. Carl Kerstiens verkaufte. Aus dem Bad aber war kein Badeort entstanden. Und wieder hatte im Hintergrund das im Entstehen begriffene Bad Neuenahr eine entscheidende Rolle gespielt.
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Der dritte Versuch einer Badgründung - Sinzig
„Verpasste Gelegenheiten!“ titelte 1926 ein Beitrag in der „Jubiläumsausgabe“ anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Sinziger Zeitung. Der Autor stellte damals fest: „Wir übertreiben wohl nicht, wenn wir sagen, dass Sinzig sich bei umsichtiger Verwaltung zu einem Weltbad von Bedeutung hätte ausbauen lassen.“ Der dritte Versuch einer Kurort-Gründung war Sinzigs angeblich 1853 bis circa 1861 verspielte Chance, den Aufstieg zum „Weltbad“ anzutreten. Auch die Sinziger Quelle war schon im 16. Jahrhundert bekannt, dann aber wohl verschüttet gewesen. 1853 wurde sie von A. Rosenbaum erneut erbohrt und gefasst. Noch im gleichen Jahr kam ihr Wasser in den Versand und konkurrierte zum Beispiel in Bonn mit dem kurz zuvor entdeckten Apollinaris Brunnen. Im Unterschied zu Georg Kreuzberg, der seine Quelle in Wadenheim/Heppingen vornehmlich als Versandbrunnen nutzen und noch nach günstigeren, das heißt wärmeren Quellen für Kurzwecke suchen wollte, beabsichtigte der ab 1855 neue Sinziger Eigentümer Erlenmeyer schon jetzt auch einen Badebetrieb. In kleinen Schriften warben neben anderen die Mediziner Eulenberg (1856) und Strahl (1857) für die Qualitäten des Kurortes Sinzig, der durch seine verkehrsgünstige Lage, sein mildes Klima und die landschaftlichen Reize der Umgebung ausgezeichnet sei. In der 1857 eröffneten „Badeanstalt“ konnte man „kalte Bäder aller Art“, „warme Bäder des Mineralwassers“, „Gasbäder“, „Dampfbäder“, „Fichtennadel- und Harzdampfbäder“ bekommen, Mineralwasser, Milch und Molken trinken oder sich unter Nutzung der nahen Weinberge „in dem weltbekannten Bodendorf“ der „Traubencur“ unterziehen. Quartiere gebe es in Sinzig zu genüge, einige Zimmer sogar im Badehaus, die infolge ihrer Verbindung zu einem Kuhstall den Kurgästen das Ammoniak therapeutisch zuführten. Im Herbst 1857 erstattete der Sinziger Bürgermeister dem Ahrweiler Landrat Bericht über die erste Saison, die 225 Kurgäste gezählt habe, also ein ganzes Jahr vor Neuenahr, das in diesem Nachbar eine bedrohliche Konkurrenz sah. Während sich dann Neuenahr baulich rasant entwickelte, tat sich in Sinzig nichts mehr. Seit 1862 residierte eine „Privat-Irren-Heilanstalt“ in dem Badehaus. Georg Kreuzberg und sein Apollinaris Brunnen vereinbarten mit dem Sinziger Brunneneigentümer Erlenmeyer eine Abfindung, wenn dieser seinen Betrieb für 30 Jahre stilllege. Und so geschah es. Die Konkurrenz-Quelle wurde sogar zugeschüttet und Sinzig entwickelte sich fortan nicht zu einem Bade-, sondern einem Landstädtchen mit etwas Industrie. Georg Kreuzberg hatte erneut den Weg frei gemacht für sein „Bad Neuenahr“ in Wadenheim und Beul.
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Bad Neuenahr auf dem Weg zu einem weit über die Grenzen des Deutschen Reiches bekannten Kur- und Badeort
Gleichgültig ob in Neuenahr, Karlsbad oder anderenorts, der Erste Weltkrieg bedeutete überall in Europa eine fundamentale Zäsur, die eine ganze Epoche abschloss. Sie wirkte sich auf alle Lebensbereiche aus und ging auch an vormals blühenden Badeorten nicht vorbei. „Am 31. Juli hatte der Kaiser das Reichsgebiet in Kriegszustand versetzt. Nunmehr reisten die 300 Gäste des Kurhotels, darunter zahlreiche Ausländer, endgültig und überstürzt ab. Damit war auch die Zeit des Aufbaues und des Aufblühens des Bades für lange Zeit zu Ende. (…) Die Kurdirektion hatte einen großen Teil ihres Kurhotels für das Reservelazarett Neuenahr eingerichtet“, schrieb der Neuenahrer Student Heinz Welter 1933 in der Rückschau (LINDLAHR 1992, S.11/12). Auch wenn die Gästezahlen einen massiven Rückgang des Besuchs von Neuenahr belegen, zum gänzlichen Erliegen kam der Fremdenverkehr nicht, was im übrigen für das ganze Mittelrheingebiet gilt. Noch immer besuchten auch prominente Persönlichkeiten den Badeort zur Kur: 1916 im April „Ihre Königliche Hoheit Frau Prinzessin Adalbert von Preußen mit Gefolge“ und im Juni „Seine Königliche Hoheit Prinz Adalbert“, 1917 der Erzbischof von Köln, Kardinal Felix von Hartmann (ebenso 1918), der General der Infanterie von Ziebarth sowie der Generalgouverneur von Belgien, Generaloberst Freiherr von Falkenhausen. Aber der Rückgang der Gäste aus dem Ausland war geradezu dramatisch. Quantitativ stand man bei Kriegsende da, wo man etwa zwanzig Jahre zuvor einmal gestanden hatte, nur war damals der Badeort noch nicht so prunkvoll ausgebaut gewesen. Dennoch bleiben die Gästezahlen angesichts der allgemeinen Lebensmittelknappheit und Versorgungsengpässe, von der auch die Neuenahrer Ortschronik Welters berichtet, vordergründig erstaunlich hoch, sind es aber nicht, weil wie in den Kriegsjahren 1866 und 1870/71 wieder Genesung suchende Soldaten in Reservelazaretten und preiswerten Quartieren die Zahlen relativ hoch hielten, sich aber die Struktur der Gäste gänzlich verändert hatte. In Remagen brach der Fremdenverkehr völlig zusammen. In den Hotels befanden sich ebenfalls „Reservelazarette“. Die Dörfer an der Mittelahr erlebten infolge der Zwangsablieferungen einen Einbruch ihres privaten Weinabsatzes. Brennkessel wechselten aus Winzerkellern in Munitionsfabriken, um dort zu Patronenhülsen zu mutieren. Kriegsgefangene Russen ersetzten 1915 bei der Lese in Dernau und Mayschoß die einheimischen Männer, die sich an den Fronten befanden. In der Saison 1912, gerade mal drei Jahre zuvor, hatte man noch weit mehr als 1000 zahlungskräftige Russen in Neuenahr willkommen geheißen, darunter sicherlich auch Besucher der Weinbaulandschaft Mittelahr.

Nicht mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs, sondern erst mit seinem Ende und dem damit verbundenen Kollaps des zweiten deutschen Kaiserreichs verschwand die von Adel und Großbürgertum geprägte Gesellschaft, welche einige Jahrhunderte lang allen Badeorten ihre aristokratischen Vorstellungen als Maßstab der touristischen Inwertsetzung der Kultur-landschaften vermitteln konnte. Auch wenn Neuenahr als damals junges Bad dieser Epoche lediglich wenige Jahrzehnte angehörte, es verdankt ihr seine große Blütezeit, die wegen der welthistorischen Ereignisse nur kurz ausfiel. Die Spuren dieser Zeit spiegeln sich aber noch immer, selbst nach über 100 Jahren, dominant im heutigen Stadtbild, trotz des zwischenzeitlichen Abrisses mehrerer markanter Hotelbauten jener Epoche.
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Sozialkuren, Freizeitgesellschaft, „Wellness“ 1919-heute
Die von dem Studenten Heinz Welter 1933 angefertigte Neuenahrer Chronik vermerkte zum Jahr 1919 (LINDLAHR 1992, S.40): „Durch die Übungen der Besatzungssoldaten, die ihre Wagen und Tanks durch die schönen Anlagen fuhren und deren Pferde und Maulesel die zierlichen Knospen der Bäume abfraßen, erhielt der Kurgarten sowie der gesamte Badeort ein existenzgefährdendes Aussehen. (…) Die Eröffnung der Kursaison wurde unter diesen Umständen auf den 1. August verlegt. Die Saison nahm dann noch einen nicht erwarteten guten Verlauf. Die alte Anziehungskraft Neuenahrs zusammen mit einem prächtigen Sommerwetter bewirkte einen lebhaften Kurbetrieb. Das noch vor wenigen Wochen wüste Bild des Kurortes präsentierte sich wieder in der gewohnten Schönheit und Behaglichkeit.“ Man hätte in Neuenahr gerne wieder an die Entwicklung der Vorkriegsjahre angeknüpft, in der das Bad beliebter Aufenthaltsort des (Groß-)Bürgertums und Adels gewesen war. An deren gesellschaftlichen Maßstäben hatte man sich in Ausstattung und Leben des Ortes orientiert, der trotz seines allmählich städtischen Charakters noch immer den rechtlichen Status eines Dorfes besaß. Aber der Krieg hatte alles verändert. Neuenahrs prägende Klientel der beiden vergangenen Jahrzehnte war in weiten Teilen verarmt und hatte zudem an Einfluss und Ansehen verloren. Kurbetrieb, Hotels und Gaststätten mussten schon während des Krieges erhebliche Einbußen bei der Nachfrage - erst recht ausländischer Gäste - hinnehmen, aber selbst gegenüber dem letzten Kriegsjahr bedeutete das erste Friedensjahr 1919 touristisch den Tiefpunkt.

Abgesehen von einigen Seebädern und Wintersportgebieten, die zu neuen touristischen Zielen heranwuchsen, wandelten die meisten Badeorte im Deutschen Reich in den Jahren der Zwischenkriegszeit ihr bauliches und landschaftliches Bild nur unwesentlich. Das gilt ebenso für die Verhältnisse im Unteren Ahrtal, jedoch gab es hier trotz aller Widrigkeiten auch den Versuch einiger Neugründungen von Badebetrieben. Der heutige Rückblick auf die Geschichte der Weimarer Republik leidet häufig unter dem Umstand, dass diese Phase vornehmlich auf dem Hintergrund des Wissens um ihr Scheitern und des sich anschließenden Desasters des Nationalsozialismus betrachtet wird. So berechtigt diese Perspektive im großen Rahmen der nationalen politischen Geschichte sein mag, sie übergeht damit die Tatsache, dass gerade private Neugründungen, seien es Neubauten von Häusern, Fabriken oder eben Badeanlagen, auf lokaler Ebene einen durchaus optimistischen Zeitgeist spiegeln, der nach den Jahren des Ersten Weltkriegs auf eine glücklichere Zukunft setzte, bedingt doch Tourismus wie kaum ein anderer Wirtschaftszweig ein Mindestmaß an wirtschaftlicher Prosperität und politischer Stabilität. Dass dabei in vorliegendem Fall an der Unterahr (und ebenso am Unteren Mittelrhein) Investitionen in den Ausbau der Mineralwasserindustrie und den Aufbau eines Tourismus vorherrschten, kann darüber hinaus als Beweis gedeutet werden, wie sehr Neuenahrs gerade nach der Jahrhundertwende rasanter Aufstieg Vorbild für risikofreudige Optimisten der Region gewesen ist. Einige Jahrzehnte lang haben diese Imitatoren, getragen von der Welle des deutschen Wirtschaftswunders bald nach 1949, das große Bad in viel kleinerem Maßstab begleitet, um dann wieder in touristischer Bedeutungslosigkeit zu versinken. Nur Bad Neuenahr erwies sich als stark genug, zwei tiefreichende Strukturwandel zu verkraften, seine Spitzenposition im Fremdenverkehr von Rheinland-Pfalz zu sichern und in der Szene der bedeutenden Heilbäder der Bundesrepublik Deutschland einen führenden Platz einzunehmen. Die touristische Inwertsetzung der Kulturlandschaft des Unteren Ahrtals offenbart sich so als von Ort zu Ort zu differenzierender Prozess. Wiederholt gab es in den benachbarten Dörfern gleichzeitig Schrumpfungs- und Wachstumsphänomene, Existenzkampf und Gründerfreude, Verfall und Neubau, und das rund 70 Jahre lang von 1919 bis etwa 1990.
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Der erste Strukturwandel: Bad Neuenahr und seine kleinen Imitatoren 1919-1945
Die Krisenjahre nach den Zweiten Weltkrieg gingen auch an Bad Neuenahr nicht spurlos vorüber.
In diesen Notzeiten wurde auch für einen renommierten Badeort wie Bad Neuenahr ein Umstand ärgerlich, der es in den günstigen Phasen nicht hätte schaffen können, von dem Weltbad überhaupt wahrgenommen zu werden. In seiner unmittelbaren Umgebung waren schon seit der Jahrhundertwende und erneut in den 1920er Jahren, gestützt auf den Fund und die Erschließung von Quellen, mehrere kleine Kurbetriebe und Abfüllanlagen für Mineralwasser entstanden. Bad Neuenahr bekam die neue Konkurrenz schmerzhaft zu spüren, wie der spätere Kurdirektor Erich RÜTTEN (1937-1971) 1933 in seiner zweiten Dissertation beklagte (1936a, S.95): „Der übernormale Rückgang im Jahre 1931 hat mannigfache Gründe. Insbesondere wirkte sich ungünstig für Bad Neuenahr, das der Preisgruppe I des ehemaligen deutschen Bäderverbandes angehörte, die Tatsache aus, dass eine Reihe kleinerer und kleinster Bäder ähnlicher Heilanzeigen in der näheren Umgebung gelegen sind. Es ist bekannt, dass in der Krise, wenn der Konsum nicht überhaupt verschoben wird, eine Abwanderung zu billigeren Einheiten stattfindet. So hatte Bad Neuenahr, das, um seine umfangreichen und kostspieligen Anlagen zu erhalten, nicht so billig sein konnte wie die kleinere Konkurrenz, recht schwer zu kämpfen. Hinzu kam, dass einige der Nachbarkurorte Kurgäste, die schon in Bad Neuenahr wohnten, mit Methoden, die dem Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs widersprachen, zur Benutzung ihrer Kurmittel zu weitaus billigeren, um nicht zu sagen Schleuderpreisen, aufforderten.“

Das gab zum Beispiel die Betreiberfamilie des Kurbetriebs in Bodendorf offen zu (zitiert nach HAFFKE 1983a, S.459): „Der Badebetrieb hatte voll zu tun. Der Besuch von Neuenahrer Kurgästen wuchs ständig. Es kam öfter vor, dass von einem Zug mehr als 80 Badegäste von dort ankamen. Um den Gästen die Fahrt angenehm zu gestalten, erwarben wir einen Omnibus und holten die Badegäste in Neuenahr ab. Nachher fuhren wir sie wieder hin. Das Kurbad Sinzig hatte schon zwei Jahre vorher damit begonnen, so dass unser Betrieb dadurch etwas zurückging.“ Durch neue Richtlinien des „Bundes deutscher Verkehrsverbände und Bäder“ wurde dieser Streit später beigelegt.
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Tabelle: Mineralwasser- und Badebetriebe an Unterahr und Mittelrhein
Bohrung(en)
Abfüllung
Kurbetrieb
Schwimmbad
„Bad“-Titel
Bodendorf
1900 / 1914 / 1929 / 1930
1919 / 1927
1925
1937
19351/ 1972
Sinzig
1853 / 1905
1929
1927
1938
Kripp
1900 / 1929
circa 1930
1934, 1. Sauna 1937
19351
Niederbreisig
1909 / 1914 / 1925 / 1927 / 1929
1915 / 1926
1928
1958
Hönningen/Rhein
1894
1896
1895 / 1907
1934
1950
Honnef
1897 / 1938
1898
1938
1960
Münstereifel2
1926
1967
1 „Heilbad“ 2 Kneippkurort, seit 1974 staatlich anerkanntes Kneipp-Heilbad
Quellen: grundsätzlich HOMMEN 1989, S.15 ff; im Detail: Bodendorf: HAFFKE 2002; Sinzig: KLEINPASS 1983, S.272 ff; Kripp: WEIS/FUNK 2005, S.233 ff; Niederbreisig u. Hönningen: HOMMEN 1989, S.25 ff; HAFFKE 1993b, S.335 f; JANTA 2009, S.50 f; WEILER 1969, S.223; Honnef: VOIGTLÄNDER 1990, S.116 ff

Godesberg, seit 1926 „Bad“, Honnef und Hönningen/Rhein besaßen bereits vor der Jahrhundertwende kleine Kurbetriebe, die Neuenahr nicht zusetzten. Auch das nahe Münstereifel wurde ab 1926 wegen seiner andersartigen Ausrichtung als Kneipp-Kurort kein Konkurrent. Dass Sinzig seinen vor etwa 65 Jahren stillgelegten Kurbetrieb 1927 wiederbelebte und bald parallel mit einer Abfüllung seines Mineralwassers begann, traf das frisch zum offiziellen „Bad“ gekürte Neuenahr schon stärker. Wirklich ärgerlich für das große Bad waren jedoch die Neugründungen in Bodendorf 1925 und Niederbreisig 1926, die ihre Betriebe nach erfolgreichen Quellbohrungen vor dem Ersten Weltkrieg kriegsbedingt zunächst nicht entfalten konnten, jedoch mit der Beruhigung der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf den Plan traten, sowie der „Nachkömmling“ Kripp 1934.

In allen drei Orten schien sich die Gründungsgeschichte Neuenahrs zu wiederholen: In Bodendorf war vor 1899 dem einheimischen Landwirt Josef Hardt aufgefallen, dass auf einem seiner Äcker in dem unwegsamen Gebiet rechts der Ahr offensichtlich Kohlensäure austrat, so dass dort häufiger Tiere verendeten. In Niederbreisig spürte 1909 und 1914, wie gut 80 Jahre vorher Prof. Gustav Bischof in Ahrtal und Eifel, der erfahrene Quellenforscher Peter Lang, der in den Jahrzehnten zuvor in Hönningen/Rhein, Obermendig, Brohl und Namedy erfolgreich gebohrt hatte, weitere kohlensäurehaltige Quellen auf. Und in Kripp fielen 1926 dem bei einem Hochwasser als Feuerwehrmann eingesetzten Gastronomen Ignaz Lohmer übel riechende „Wirbelblasen“ auf, die ihn auf die Idee brachten, dass es unter jener jetzt überschwemmten Wiese ein Kohlensäurevorkommen geben musste. Wie seinerzeit in Neuenahr mit dem Georg Kreuzberg zu verdankenden Apollinaris Brunnen und Badehaus entstanden an den drei Fundorten durch die Imitatoren ebenfalls Abfüllbetriebe für Mineralwasser oder Kohlensäure sowie Badeeinrichtungen und Kurhäuser, weil sich neben den Erbohrern einige investitionsfreudige Einheimische und bald auch Ortsfremde fanden, die vom Erfolg ihres Engagements überzeugt waren. Die Abfüllung von Kohlensäure oder Mineralwasser erweiterte in Kripp und Niederbreisig das Angebot an industriellen Arbeitsplätzen, in Bodendorf stellte sie den einzigen Industriebetrieb dar. Fremdenverkehr bedeutete für Bodendorf und Kripp einen völlig neuen Erwerbszweig am Ort, während Niederbreisig sich im Zuge des Rheintourismus bereits seit einigen Jahrzehnten zu einem „Luftkurort“ entwickelt hatte. Wieder entfielen die größeren Investitionen im Tourismus vornehmlich auf deshalb Zugezogene, während die ansässige Bevölkerung durch Privatzimmervermietung an Kurgäste gerne, aber gemäß ihren wirtschaftlichen Verhältnissen wesentlich bescheidener in das neue Geschäft einstieg.
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Der Bau von Thermal-Freischwimmbädern, reichsweit 1928 in Niederbreisig erstmals vollzogen, fand 1934 mit „dem größten Thermal-Schwimmbad Deutschlands“ in Hönningen, 1937 in Bodendorf und 1938 in Sinzig und Honnef Nachahmung bei Bad Neuenahrs kleinen Konkurrenten, während das große Bad zunächst keine vergleichbare Attraktion vorweisen konnte. Alle Initiativen wurzelten in den Jahren der Weimarer Republik oder schon vorher. Was für Bad Neuenahr Jahre der Bemühungen um neue Gästeschichten, des Wechselspiels zwischen Erholung, Stagnation und Rückgang der Gästezahlen bedeuteten, ging in das Bewusstsein der Nachbarbäder als Phase eines von Optimismus getragenen Aufbruchs ein, obwohl die miserablen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen überall die gleichen waren.

Die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933, angefangen vom Reich bis zum Dorf, brachte zwar auch in der Organisation der Fremdenverkehrsverbände manche Änderungen, wirkte sich aber faktisch im Bädertourismus des Untersuchungsgebiets mehr in der Propaganda als in realen Investitionen aus. Auch wenn das seit ihrer Gründung vollständig erhalten gebliebene Archiv der Aktiengesellschaft Bad Neuenahr bisher noch nicht ausgewertet worden ist, was für ein besseres Verständnis der allgemeinen Fremdenverkehrsgeschichte im Rheinland und der Lokalgeschichte Bad Neuenahrs sehr wünschenswert wäre, und spätere Veröffentlichungen die Jahre der NS-Zeit mit wenigen Floskeln übergehen, ist die Quellenlage für die Bearbeitung der Fragestellung vorliegender Arbeit hinreichend. Wie an der Weinahr profitierten die Bäder vordergründig von Aktionen der nationalsozialistischen Massenorganisation „Kraft durch Freude“ (KdF), die mit Sonderzügen und Bussen Scharen von Gästen in die Orte brachten, was der Kreisleiter der „Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei“ (NSDAP) und Landrat Dr. Peter SIMMER (1938, S.14/15 und Zitat S.20) in seiner Erfolgsbilanz über vier Jahre NS-Aufbau im Kreis Ahrweiler 1933-1937 festhielt: „Seit dem Jahre 1932 ist überall eine Steigerung des Fremdenverkehrs bis zu 30% zu verzeichnen. Auch die Bäder Bad Neuenahr, Niederbreisig und Bodendorf berichten über eine zunehmende Besucherzahl.“ Auch in Kripp florierte der Badebetrieb durch zahlreiche Gäste der KdF.

Das an sich nicht verwerfliche Ziel, Menschen aus bescheidenen finanziellen Verhältnissen eine Reise zu ermöglichen, wie es KdF laut und scheinbar menschenfreundlich propagierte, bekommt einen völlig anderen Beigeschmack, wenn man auch die Tatsache zur Kenntnis nimmt, dass den Hotels ab 1936 für Unterbringung und Beköstigung dieser Gästegruppe staatlicherseits nicht kostendeckende Preise diktiert worden sind, so dass die KdF-Reisenden verständlicherweise als Nutznießer zwar die Zahlen der Gästestatistik wieder ansteigen ließen, jedoch wegen der Verdrängung eines zahlungskräftigeren Publikums in den Badeorten wenig geschätzt waren. Zudem grenzte die zunehmend systematischer betriebene antisemitische Rassenpolitik nach dem Olympiajahr 1936 jüdische Gäste und Hoteliers aus dem touristischen Betrieb, nachdem sie hier bis dahin von Schikanen relativ unbehelligt geblieben waren, während einheimische Juden mit anderen Berufen durchaus davon betroffen waren. „Niederbreisig von Juden frei!“ meldete 1938 das Koblenzer Nationalblatt den Wegzug der letzten jüdischen Familie (JANTA 1989, S.229) und weiter hieß es: „Nun kommt es allein auf die Hotel- und Fremdenheiminhaber an, ob unser Kur- und Badeort von ´Gästen` dieser Art freigehalten wird.“ „Nichtarier sind in den Thermalschwimmbädern nicht zugelassen“, konnte man ohnehin schon in Niederbreisig lesen (HEIDBÜCHEL 1938, S.69) und ab 1938 durften in Bad Neuenahr Juden nur in „israelitischen“ Hotels aufgenommen werden, anderenorts standen Schilder „Juden unerwünscht“. 1935/36 boten im Unterkunftsverzeichnis noch vier „Rituelle Hotels“, wie die von Juden betriebenen Häuser in Bad Neuenahr genannt wurden, davon zwei sinnigerweise in der „Adolf-Hitlerstraße“, zusammen 135 Betten an. 1939 waren drei dieser Hotels nicht mehr im aktuellen Verzeichnis aufgeführt und eines hatte seinen Besitzer und Namen von „Hotel Meyer“ zu „Hotel Reichshof“ gewechselt. Auch hier  - wie in Ahrweiler, Sinzig, Remagen und überhaupt reichsweit - war es im Gefolge der Pogromnacht am 10. November 1938 durch fanatische Brandstifter zur Zerstörung der Synagoge, Verwüstungen und Plünderungen jüdischer Hotels und Geschäfte gekommen. Eines der ehemaligen Hotels diente 1942 als Sammelpunkt für 26 im Badeort verbliebene Juden zur Deportation in die Vernichtungslager. Von ihnen hat niemand überlebt. Anderenorts war es nicht anders. Auch dieses Kapitel der Tourismusgeschichte darf nicht übergangen werden.
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Natürlich waren die Repräsentanten von Staat und Partei dabei, wenn es etwas zu feiern gab, sei es anlässlich des am 27. Mai 1933 begangenen 75-jährigen Jubiläums Bad Neuenahrs mit Preußens Ministerpräsident Hermann Göring an der Spitze, der Eröffnung des Verkehrsamtes am Bahnhof im Sommer 1933 mit anschließendem Propagandamarsch durch die gerade nach NS-Größen umbenannten Straßen, der mit staatlicher Unterstützung gebauten großen Trink- und Wandelhalle in Bad Neuenahr 1934, des rein privat finanzierten Schwimmbads in Bodendorf 1937, der öffentlich subventionierten kleinen Trinkhalle und Kurparkkolonaden in Bad Neuenahr 1938 oder bei anderen Gelegenheiten. Aber die Bauprojekte unterschieden sich nicht grundsätzlich von Maßnahmen, die es vor der NS-Zeit gegeben hatte. Häufig genug stammten ihre Pläne noch aus den Jahren der Weimarer Republik und dokumentieren den eingeleiteten Strukturwandel, auch wenn sie jetzt propagandistisch als Beleg für Erfolge der Partei in Beschlag genommen wurden. Der Theatersaal im Kurhaus von Bad Neuenahr bot mehrfach den Rahmen für Kreisparteitage der NSDAP und größere Propagandaveranstaltungen. Ideologisch geprägte Zitate ließen sich leicht aus den Schriften jener Jahre heranziehen, aber was belegen sie? Dass die herrschenden Kreise großenteils von diesem Gedankengut durchdrungen waren, darf angenommen werden; dass es viele Mitläufer, aus Überzeugung, Opportunismus, Gleichgültigkeit oder Angst gegeben hat, ebenfalls. Vordergründig ging es vielen Menschen, die weder von Hitlers Kriegsabsichten noch von seiner deshalb desaströsen Finanzpolitik wussten und seine Rassenpolitik ignorierten oder unterschätzten, bis zu den erneuten Kriegsjahren besser, auch in Bad Neuenahr (Ahrweiler Zeitung 7. April 1938): „Im März 1933 hatte Bad Neuenahr 252 Wohlfahrtserwerbslose, heute 9. Rückgang durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen der Gemeinde: Ausbau mehrerer Straßen und deren Kanalisierung in Tausenden von Tagewerken. Erweiterung der gemeindeeigenen Grünanlagen, Unterstützung des Trinkhallenbaus der AG. Mit Beginn der Saison werden sämtliche Neuenahrer Hotels wieder in Betrieb sein.“

Wenige Tage vor der Volksabstimmung am 10. April 1938 zum „Anschluss Österreichs“ konnten sich Hitler und der Nationalsozialismus einer breiten Zustimmung im Deutschen Reich gewiss sein. Der touristische Strukturwandel Bad Neuenahrs seit 1918/19 orientierte sich jedoch an den Folgen des gesellschaftlichen Umbruchs nach dem Zerfall des Kaiserreichs nicht nur während der Weimarer Republik, sondern auch während der NS-Zeit. Sonst hätte es hier bald nach 1933 für die Ideologie der NS-Partei spezifische touristische Bauten oder Anlagen geben müssen, wie sie zum Beispiel für Königswinter beabsichtigt waren. Derartige Projekte hat es aber wohl nicht gegeben, wie man annehmen darf, auch wenn das Archiv der Aktiengesellschaft Bad Neuenahr (AGBN) bisher nicht ausgewertet ist, denn ein solches propagandaträchtiges Vorhaben wäre von den NS-Parteigrößen auf Gemeinde-, Kreis- oder Gauebene sicherlich nicht verheimlicht worden. Das Privatbad, das heißt im Besitz einer Aktiengesellschaft ohne staatliche Beteiligung befindliche Bad Neuenahr, erwies sich in seinem Tourismus in dieser Hinsicht wohl ideologisch als weniger anfällig oder für die NS-Partei interessant als der Staatsbesitz Nürburgring zu gleicher Zeit, soweit man ohne Kenntnis der Archivalien einen solchen Schluss ziehen darf. Dazu gehört auch, dass die jüdischen Wurzeln des Bad-Gründers Georg Kreuzberg nicht thematisiert worden sind.
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Auch wenn man angesichts der wenigen konkreten Elemente nicht von einer konsequenten flächenhaften touristischen Inwertsetzung sprechen kann, war durch das Auftreten der kleinen Imitatoren Bad Neuenahrs seit Mitte der 1920er Jahre das Gebiet der gesamten Unterahr und Goldenen Meile zwischen Niederbreisig und Remagen ins Blickfeld des Kur-Fremdenverkehrs geraten, was die folgenden Zahlen auch quantitativ belegen: Bodendorfs Übernachtungszahlen stiegen von 1935 11.000 auf 1936 14.000, 1937  20.030 und 1939  28.000 in 22 Betrieben mit 219 Gästebetten. Von Sinzig und Kripp sind keine Zahlen bekannt, aber Niederbreisig zählte 1937 76.262 Übernachtungen in über 1000 Betten. Gemessen an 1938 über 267.000 Übernachtungen in 88 Betrieben mit 2.444 Betten, die Bad Neuenahr aufzuweisen hatte, war das für das große Bad noch immer nicht wirklich bedrohlich, aber man hätte dort wohl trotzdem gerne auf die Verluste an die lästigen Nachbarn verzichtet. Die Kraft der touristischen Initiativen in den Dörfern reichte jedenfalls nicht, einen signifikanten Bevölkerungszuzug zwischen 1925 und 1939 auszulösen (siehe Tabelle Einwohnerzahlen an der Unterahr 1925-2008). Sinzig und Remagen verdankten ihr Wachstum dem Ausbau der örtlichen Industrie.

Tabelle: Einwohnerzahlen an der Unterahr 1925-2008
Bad Neuenahr-Ahrweiler1
Bad Bodendorf
Sinzig2
Remagen3
1925
15.293
617
3.532
4.775
1939
15.795
698
4.238
5.287
1950
18.091
849
5.134
6.107
1961
21.652
1.152
6.117
7.244
1970
24.015
1.674
7.747
8.488*
1980
26.141
2.556
8.265
8.636
1990
25.178
3.251
8.098
8.958
2000
27.933
3.640
9.470
9.941
2008
28.065
3.808
9.514
10.157
1 einschließlich der Eingemeindungen seit 1969
2 ohne Eingemeindungen
3 einschließlich Kripp
* 1974
Quellen: KURPJUHN 2003, S.49; HAFFKE 1983b, S. 757; Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz (www.statistik.rlp.de); SCHULTZ 2009, S. 256/257

Wie im Ersten Weltkrieg wurden mit Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939 in den größeren Hotels und Sanatorien Lazarette und Ausweichkrankenhäuser eingerichtet, die bis Kriegsende 1945 den Kurbetrieb und Fremdenverkehr in Bad Neuenahr und jetzt auch in Niederbreisig erheblich einschränkten. Die Beherbergungskapazitäten Bodendorfs, Sinzigs und Kripps wurden davon nicht betroffen, da sie zu gering waren, aber von einem nennenswerten Fremdenverkehr konnte man auch hier nicht mehr sprechen, obwohl das Bodendorfer Bad 1940 durch eine von im Ort stationierten Pionieren neben dem bestehenden Fußsteg errichtete befahrbare Holzbrücke  erheblich bequemer zu erreichen war als bisher. In Bad Neuenahr, dessen Kurviertel unter dem Schutz der Genfer Konvention stand, kamen zahllose Ausgebombte der Großstädte an Rhein und Ruhr hinzu. Zur Verbesserung der Versorgungslage wurden in manchen Parks Kartoffeln und Gemüse angebaut.  Im Vergleich zu Remagen, Sinzig und Ahrweiler erlitt Bad Neuenahr nur wenige Bombenschäden. Aus diesem Umstand ergab es sich wohl, dass mit dem amerikanischen Einmarsch am 7. März 1945, dem gleichen Tag der Einnahme der Brücke von Remagen, in Bad Neuenahr das Hauptquartier der 15. US-Armee eingerichtet wurde, was mit zahlreichen Requirierungen von Hotels und Wohngebäuden verbunden war. Damit hatte die NS-Zeit hier faktisch ihr Ende gefunden. Alle bisherigen politischen Einrichtungen in Gemeinden und Kreis arbeiteten seitdem unter Vorbehalt der Besatzungsmacht, die am 10. Juli 1945 an Frankreich überging.
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Der zweite Strukturwandel: Sozialkuren und das erneute Aufblühen der Bäder 1945-1982
Dass in den ersten Wochen und Monaten nach Kriegsende nirgends an ein Wiederaufleben des Bädertourismus zu denken war, spiegelt sich auch in den 64 in Bad Neuenahr ausgegebenen Kurkarten des Jahres 1945 (siehe Abbildung11 im Anhang), dem absoluten Tiefpunkt der über 150-jährigen Geschichte des Bades. Wie sollte es weitergehen? Der Kur-AG waren bis 1948 die Hände gebunden, denn ihr Vermögen stand unter der Kontrolle der Militärregierung. Im Zeitalter des „Maggelns“, „Fringsens“ und „Hamsterns“ war es angesichts des Währungsverfalls, der allgemeinen Notlage und Probleme im Verkehr zwischen der französischen und englischen Besatzungszone unmöglich, Gäste zur Kur nach Bad Neuenahr zu bekommen, diese angemessen zu ernähren und medizinisch zu versorgen, auch wenn die Rhein-Zeitung vom 11. Mai 1946 die „Eröffnung des Kurbetriebs in Bad Neuenahr“ ankündigte. Das gelang tatsächlich erst ein Jahr später, wie auch die annähernde Verzehnfachung der ausgegebenen Kurkarten von 1946 auf 1947 zeigt. Noch immer dienten mehrere große Hotels als Lazarette, die dann nach der Räumung einer grundlegenden Renovierung harrten. Verschiedene Hotels waren weiterhin in französischem Beschlag. Manche Parks, die von den französischen Besatzungstruppen als Trainingsgelände genutzt worden waren, galt es wiederherzustellen. Im ehemaligen Rheinhotel Niederbreisig bestand von 1946-1949 ein Flüchtlings- und Durchgangslager. In Bodendorf, Sinzig und Kripp hatte man andere Sorgen. Aber ohne ein Minimum an stabilen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen kann sich kein Tourismus wirklich entfalten, und die Reorganisation der politischen Verhältnisse unter deutscher Beteiligung brauchte ihre Zeit: 30. August 1946 Gründung von Rheinland-Pfalz als eines der aus dem zerschlagenen Preußen hervorgehenden Bundesländer, 15. September 1946 Gemeinderatswahlen, 13. Oktober 1946 Kreistagswahlen, 18. Mai 1947 Landtagswahlen. Die Währungsreform mit der Einführung der Deutschen Mark am 21. Juni 1948 und Gründung von „Trizonesien“, das heißt des Zusammenschlusses der drei westlichen Besatzungszonen ab April 1949, schufen weitere entscheidende Voraussetzungen für den Übergang von den Besatzungsjahren zum Beginn der Bundesrepublik Deutschland am 23. Mai 1949 und damit auch für einen sich immer stärker belebenden Tourismus. Am 13. Juli 1948 schrieb die Tageszeitung „Der Westen“ in einem Artikel über Bodendorf: „Es liegen Anfragen von Kranken und Erholungsbedürftigen aus allen Zonen im Übermaß vor; aber es ist leider auch jetzt noch nicht möglich, allen diesen Wünschen gerecht zu werden, weil es - wie wohl in allen Bädern - an Unterkunftsmöglichkeiten mangelt.“ Auch Gemeinde und AG Bad Neuenahr (AGBN) wollten weiterhin auf Kurfremdenverkehr als wichtigsten Wirtschaftsfaktor in Bad Neuenahr setzen. In den Jahrzehnten zuvor hatte man hier bewusst auf die Ansiedlung von Industrie verzichtet, von der man grundsätzlich eine Störung des Kurbetriebs durch Lärm und Abgase befürchtete. So erklärt sich, dass in Bad Neuenahr schon zwei Jahre vor dem Aufblühen des Fremdenverkehrs an der Mittelahr eine entscheidende Weiche für die Zukunft des Bades gestellt wurde: Am 15. Dezember 1948 eröffnete das erste Spielcasino Nachkriegsdeutschlands im dortigen Kurhaus seinen Betrieb. Dieses Datum markiert für den Tourismus Bad Neuenahrs die Wende zu einem neuen Abschnitt seiner wechselvollen Geschichte, während man in Bodendorf, Sinzig, Kripp und Niederbreisig noch etwa zwei Jahre auf den Aufschwung warten musste.

Bad Neuenahrs Dominanz 1948-1982 ging mit einem weiteren Ausbau des Kurortes einher.
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Der dritte Strukturwandel in Bad Neuenahr, Niedergang in Bad Bodendorf 1982-2013
Die zweite Ölkrise 1979/80 jedoch zwang den Staat auf Bundesebene zu tiefgreifenden Sparmaßnahmen, die sich auch auf das Gesundheitswesen auswirkten, der Kurmedizin die Mittel erheblich beschnitten und damit ab 1982 alle Kurorte, erst recht aber die wenigen noch privat betriebenen Badeorte wie Bad Neuenahr trafen. Seitdem befand sich Bad Neuenahr in seinem dritten großen Strukturwandel, der es nach und nach durch seine Neuorientierung auf die Interessen einer Freizeitgesellschaft und deren Bedürfnis nach „Wellness“ eine Zeit lang mit einem gewissen Erfolg wieder ein Stück weit unabhängiger vom Staat (Gesundheitspolitik der Bundesebene) machte. Die AGBN trennte sich genauso konsequent von allen ihren Kurkliniken, wie sie diese drei Jahrzehnte zuvor zu bauen begonnen hatte. Während sich die Zahl der Hotels kaum änderte, zogen sich die meisten Privatzimmervermieter aus dem Fremdenverkehr zurück.

Bad Neuenahrs windungsreiche Erfolgsgeschichte seit 1948/49 überstrahlt zumeist den Blick auf den Werdegang jener kleinen Imitatoren an der Unterahr, die wie das große Vorbild ebenfalls wieder da weiter machen wollten, wo sie in den Kriegsjahren aufhören mussten. Bodendorf, Kripp und Niederbreisig waren im Gegensatz zu Remagen und Sinzig kaum von Bomben zerstört worden, mussten aber auch wie Bad Neuenahr auf eine Konsolidierung der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland warten, ehe der Fremdenverkehr erneut aufleben konnte. Statistiken (HAFFKE 2009, S.200) belegen den etwa 15 Jahre andauernden Aufschwung Bodendorfs, das jederzeit den größten Teil im Fremdenverkehrsaufkommen Sinzigs auf sich vereinte und sich damals auch der für klassische Badeorte typischen langen durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von über 10 Tagen erfreuen konnte, und führen dann einen etwa 25 Jahre lang dauernden langsamen, nach 1990 aber dramatischen touristischen Niedergang des Dorfs vor Augen (siehe Abbildung 15 im Anhang).
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In Kripp und Sinzig vollzog sich das Ende des Fremdenverkehrs viel schneller. In den 1950er Jahren fanden beide Orte zunächst wieder wachsende Besucherzahlen für ihre kleinen Kurhäuser und Badeanlagen, die aber in Kripp 1958 und in Sinzig etwa 1960 ihren Betrieb einstellten und später abgerissen wurden. Auch das 1938 eröffnete Sinziger Schwimmbad schloss 1979 und wurde 1980 eingeebnet. „Ein balneologisches Intermezzo“ nennen die Chronisten treffend die kurze Geschichte des Heilbades Kripp (WEIS/FUNK 2005), was man ebenso für Sinzig übernehmen könnte, hätte es dort nicht den schon Mitte des 19. Jahrhunderts gescheiterten Versuch der Gründung von „Bad Sinzig“ gegeben. Niederbreisigs wechselvolle Fremdenverkehrsgeschichte („Bad“ 04. Oktober 1958, „Stadt“ Bad Breisig 02. Mai 1970, seit 1965 und 1983 Bäderbetrieb in städtischer Hand) mit guten Zeiten von 1951 bis etwa 1995, Stagnation und Rückgang seitdem soll hier nicht weiter verfolgt werden, da entsprechende Darstellungen erschienen sind (siehe Abbildungen 13 und 14 für Bad Breisig und Bad Hönningen im Anhang). Auch Bad Hönningen/Rhein (seit 1950 „Bad“) verzeichnete seit Jahren rückläufige Gästeübernachtungen und Bad Honnef (seit 1960 „Bad“) gab 1983 sogar seine Lizenz als „Heilbad“ ab, darf sich jedoch weiterhin „Bad“ nennen.

Damit könnte man es bewenden lassen, denn alle Imitatoren Bad Neuenahrs sind über kurz oder lang wieder verschwunden. Vordergründig sieht es so aus, als sei die touristische Inwertsetzung der Unterahr aufgegeben worden. Eine Untersuchung der touristischen Inwertsetzung der Kulturlandschaften fragt aber ebenfalls, ob es neben gelungenen auch gescheiterte Projekte gegeben hat, selbst wenn sie keinen landschaftlichen Niederschlag gefunden haben. In Bad Bodendorf gestalteten sich Aufstieg und Niedergang des Badebetriebs aufschlussreich für die Beantwortung dieser Frage. Ist für Kripp von einem „balneologischen Intermezzo“ die Rede, hat man in Bad Bodendorfs touristischem Werdegang von „Träumen und Alpträumen“ gesprochen. Warum ist das Winzerdorf auf dem Weg zum Badeort stecken geblieben und heute als reiner Wohnort keines von beiden?
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Eigentlich hatte es ab 1949 gut angefangen: Von 19 Vermietern 1951 hatten 16 schon in den Vorkriegsjahren Gästebetten angeboten. Bereits 1953 gab es mehr Betten (206) als jemals zuvor und ihre Zahl stieg bis zum ersten Höhepunkt 1961 auf 477, stagnierte etwa 10 Jahre, um 1971 mit 489 den absoluten Gipfel zu erreichen. Von nun an ging´s bergab auf 305 (1980), 194 (1990), 126 (2000), zwischenzeitlich unter 60 und nach Eröffnung eines grundlegend sanierten ehemaligen Sanatoriums/Hotels 2009 wieder etwas aufwärts auf 106 Gästebetten, was quantitativ dem Angebot von etwa 1935 entspricht. Stärker noch als die Bettenzahlen schwankte die Zahl der Beherbergungsbetriebe. Von 19 Vermietern 1951 wuchs ihre Zahl auf 48 (1961), stagnierte eine Weile und stieg auf 54 (1970). Dann sank die Zahl auf 35 (1980), 10 (1990), 7 (2000) und 3 (2009). Alle Daten sind unmittelbar den Gastgeberverzeichnissen Bodendorfs entnommen, enthalten also nicht die Gästebetten Sinzigs, die immer in den Zahlen des Statistischen Landesamtes Rheinland-Pfalz enthalten sind. Lückenlos von 1951 bis 2002 sind die separaten Daten Sinzigs und Bodendorfs bei HAFFKE (2002, S.41/42) dokumentiert und visualisiert.

Wie an der Mittelahr gehört der Weinbau zur Identität Ahrweilers und der Tourismus wird als erfreuliche Begleiterscheinung registriert. In Bad Neuenahr ist es umgekehrt: Man unterschlägt zwar nicht, dass man eine lange Tradition im Weinbau hat, aber der Blick richtet sich doch dominant auf die Bedeutung des Ortes als Bad mit wechselvoller Geschichte und damit auf den Tourismus (siehe Abbldung 12 im Anhang). In Sinzig-Bad Bodendorf pflegt man die Erinnerung an Weinbau und Fremdenverkehr gleichermaßen, denn beide sind etwas zeitversetzt untergegangen (siehe Abbildung 15 im Anhang). In Sinzig spielt das Bewusstsein, lange Jahrhunderte  Weinbau und einige Jahre etwas (Bade-)Fremdenverkehr in der Stadt gehabt zu haben, angesichts einer stärkeren industriellen Vergangenheit eine untergeordnete Rolle, was bei noch kleinerem Umfang auch für  Remagen-Kripp an der Ahrmündung zutrifft. In Bad Breisig dienen die Römer-Thermen als touristisches Markenzeichen, die 2023 bis 2025 mit erheblichen staatlichen Hilfen grundlegend saniert worden sind. Das historische Kurhaus ist jedoch 2010/11 abgerissen worden. Die Abbildungen 13 und 14 im Anhang vermitteln einen Überblick zum Bädertourismus in Bad Breisig und Bad Hönningen von 1951 bis 2023. Der Artus Mineralbrunnen GmbH in Bad Hönningen war ein Unternehmen, das aus den 1896/97 gegründeten Firmen Hubertus Sprudel und Arienheller Kohlensäurewerk entstand. Anfang der 1970er Jahre übernahm die Firma auch den Brunnen in Bornheim-Roisdorf. Seit 2002 befand sich Artus im Insolvenzverfahren. Das Unternehmen wurde am 31. Mai 2008 geschlossen. Die private Kristall Rheinparkt-Therme in Bad Hönningen liegt direkt am Rheinufer und bietet Wellnessanwendungen, Themensaunen, Gastronomie und einen hauseigenen Campingplatz.
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Anhang - Zu den Abbildungen 11-15
Abbildung 11: Kurkarten in Bad Neuenahr 1859-1957
Mit dem lückenlosen Datenbestand über beinahe 100 Jahre demonstrieren die in Bad Neuenahr abgesetzten Kurkarten für die Zeiten, in denen noch keine Gäste- und Übernachtungszahlen systematisch erhoben worden sind, hervorragend die allmähliche Entwicklung Bad Neuenahrs in den ersten dreißig Jahren, den rasanten Aufschwung zur ersten Blüte, die Wirkung von Kriegen und Krisen und den Weg zur zweiten Blüte.
Daten: Both, 1958, S.57. Entwurf: J. Haffke
 
Abbildung 12: Bad Neuenahr-Ahrweiler - Gäste und Übernachtungen 1951-2023
Mit Beginn der 1950er Jahre erhebt das Statistische Landesamt Rheinland-Pfalz auch lokale touristische Daten. Das Diagramm zeigt die für Bad Neuenahr und Ahrweiler zusammengefassten Zahlen, obwohl die beiden Städte erst 1969 zusammengelegt worden sind. Der Anteil Ahrweilers an den Gäste- und erst recht an den Übernachtungszahlen ist wesentlich geringer als der des jederzeit dominierenden Bad Neuenahr. Der Wiederaufstieg und die zweite Blüte des Badeortes bis 1974, die Wirkungen der beiden Ölkrisen 1973 und 1980 sowie der in ihrem Gefolge eingeführten „Gesundheitsreformen“ 1982, 1989 und 1997 sowie der schwierige Prozess des erneuten Strukturwandels zum „Wellness-Bad“ mit vielfältigen Angeboten zur Unterhaltung, Sport und Genuss schlagen sich deutlich im Verlauf der Kurven nieder. Der heftige Einbruch der Zahlen 2020-2022 erklärt sich durch die massiven Kontaktbeschränkungen infolge der Corona-Pandemie und der Flutkatastrophe im Ahrtal am 14./15. Juli 2021. Seit 2023 geht es wieder langsam aufwärts.
Daten: Statistisches Landesamt Rheinland Pfalz. Entwurf: J. Haffke
 
Abbildung 13: Bad Breisig und Bad Hönningen - Gäste 1951-2023
Das Gästeaufkommen in den benachbarten, aber vom Rhein getrennten Bädern steigt bis Anfang der 1970er Jahre an, unterliegt dann jedoch bis Mitte der 1980er Jahre stärkeren Schwankungen. Bad Hönningen erlebt in den folgenden Jahrzehnten einen kontinuierlichen Rückgang der Gästezahl, während sich Bad Breisig etwa 20 Jahre lang einer erhöhten Nachfrage erfreut, bis auch hier seit 2006 die Zahlen rückläufig sind. Die massiven Einschränkungen infolge der Corona-Pandemie 2020 bis 2022 schlagen sich in beiden Bädern deutlich nieder.
Daten: Statistisches Landesamt Rheinland Pfalz. Entwurf: J. Haffke
 
Abbildung 14: Bad Breisig und Bad Hönningen - Übernachtungen 1951-2023
Der Verlauf der Übernachtungszahlen ähnelt sich – grob betrachtet – in beiden Bädern. Bad Breisig weist, abgesehen vom Einbruch in den 1980er Jahren, allerdings günstigere Werte auf als Bad Hönningen, das seit 1975 rückläufige Zahlen aufweist. Bad Breisig ist etwas weniger vom Rückgang der Übernachtungen betroffen, obwohl es auch seit 1996 beträchtliche Einbußen hinnehmen muss. Der staatlich finanzierte Bau der Römer-Thermen 1992 und ihr Betrieb seitdem hat keine nachhaltige Stabilisierung der Aufenthaltsdauer im Ort gezeitigt, stattdessen den kommunalen Haushalt schwer belastet. Seit 2023 werden die Badeanlagen, erneut mit öffentlichen Mitteln, renoviert.
Daten: Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz. Entwurf: J. Haffke
 
Abbildung 15: Sinzig - Gäste und Übernachtungen 1951-2013
Bei relativ geringen Gästezahlen liegt die Zahl der Übernachtungen bis in die 1970er Jahre in Sinzig (-Bad Bodendorf) hoch, d.h. die Gäste verweilen zum Teil länger als 7 Tage im Ort. Etwa 70 – 90 Prozent der Übernachtungen entfallen dabei auf Bad Bodendorf.  Sinzig (-Bad Bodendorf) erlebt ab Mitte der 1970er Jahre einen beständigen Rückgang der Übernachtungen bis 2010. 2013 verliert Bad Bodendorf seinen Status als „Heilbad“. Ab 2014 werden die Gäste- und Übernachtungszahlen nicht mehr in der Tourismusstatistik aufgeführt, weil sie auf einzelne Betriebe schließen lassen können.
Daten: Statistisches Landesamt Rheinland Pfalz. Entwurf: J. Haffke

(Jürgen Haffke, Bonn, 2024)
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Internet
https://www.statistik.rlp.de/: Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz

Quellen
Ahrweiler Zeitung 7. April 1938
Rhein-Zeitung vom 11. Mai 1946
Tageszeitung Der Westen vom 13. Juli 1948

Literatur

Frick, Hans (1958)
Die Quellenweihe vor 100 Jahren und die elfjährige Gründungsgeschichte des Bades Neuenahr. Bad Neuenahr.
Haffke, Jürgen (2013)
Felsen und Burgen, Wasser und Wein. 180 Jahre gastliches Ahrtal und Bad Neuenahr-Ahrweiler. Köln.
Haffke, Jürgen (2009)
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Das linke Rheinufer. Der Remagengau, das Ahrthal. In: Denkwürdiger und nützlicher Rheinischer Antiquarius, welcher die wichtigsten und angenehmsten geographischen, historischen und politischen Merkwürdigkeiten des ganzen Rheinstroms von seinem Ausfluß in das Meer bis zu seinem Ursprunge darstellt, von einem Nachforscher in historischen Dingen. Mittelrhein. Der III. Abtheilung 9. Band, Coblenz. Online verfügbar: https://books.google.de/books?id=_qMOAAAAYAAJ&redir_esc=y, abgerufen am 27.10.2023
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Das Ahrthal. Ein Führer von der Mündung der Ahr bis zu ihrer Quelle. Historisch geographische Skizzen und naturhistorische Andeutungen. Bonn.
(1840)
Aanteekeningen op een Reisje langs de Ahr en den Rijn. Nijmegen.

Kurorte im Ahrtal, Brohltal und am Unteren Mittelrhein

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Kulturlandschaftspflege, Landeskunde

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Jürgen Haffke (2024), „Kurorte im Ahrtal, Brohltal und am Unteren Mittelrhein”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/SWB-354137 (Abgerufen: 18. Juni 2025)
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