Arbeitsanstalt Brauweiler

Bettleranstalt, Arbeits- bzw. Korrektionsanstalt, Konzentrationslager, Gefängnis Brauweiler, Rheinische Provinzial Arbeitsanstalt, Rheinisches Landeskrankenhaus

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege, Landeskunde
Gemeinde(n): Pulheim
Kreis(e): Rhein-Erft-Kreis
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Koordinate WGS84 50° 57′ 43,38″ N: 6° 46′ 58,55″ O 50,96205°N: 6,78293°O
Koordinate UTM 32.344.310,24 m: 5.647.945,05 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.555.047,91 m: 5.647.716,85 m
  • Arbeitshaus in der ehemaligen Abtei Brauweiler, Frauenhaus um 1920

    Arbeitshaus in der ehemaligen Abtei Brauweiler, Frauenhaus um 1920

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  • Arbeitshaus in der ehemaligen Abtei Brauweiler, Schlosserei um 1920

    Arbeitshaus in der ehemaligen Abtei Brauweiler, Schlosserei um 1920

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  • Gebäudeansicht des früheren Arbeitshauses in der ehemaligen Abtei Brauweiler (2011).

    Gebäudeansicht des früheren Arbeitshauses in der ehemaligen Abtei Brauweiler (2011).

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  • Arbeitshaus in der ehemaligen Abtei Brauweiler, Aufenthaltsraum im Frauenhaus um 1920

    Arbeitshaus in der ehemaligen Abtei Brauweiler, Aufenthaltsraum im Frauenhaus um 1920

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  • Arbeitshaus in der ehemaligen Abtei Brauweiler, Bäckerei um 1920

    Arbeitshaus in der ehemaligen Abtei Brauweiler, Bäckerei um 1920

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  • Blick in eine der Zellen der früheren Arbeitsanstalt Brauweiler, der heutigen Gedenkstätte zu deren Geschichte (2016).

    Blick in eine der Zellen der früheren Arbeitsanstalt Brauweiler, der heutigen Gedenkstätte zu deren Geschichte (2016).

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  • Eine Installation der heutigen Gedenkstätte in einer der früheren Zellen der Arbeitsanstalt Brauweiler (2016).

    Eine Installation der heutigen Gedenkstätte in einer der früheren Zellen der Arbeitsanstalt Brauweiler (2016).

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Die Gebäude der früheren Abtei in Brauweiler wurden nach der Aufhebung des Klosters als „Arbeits- bzw. Korrektionsanstalt“ weitergenutzt und unter der NS-Herrschaft als Konzentrationslager und Gefängnis. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden hier von 1945 bis 1949 heimatlose „Displaced persons“ untergebracht, bevor die Abtei erneut als Arbeitsanstalt und von 1969 bis 1978 als psychiatrisches Landeskrankenhaus genutzt wurde.

1809-1945: Bettleranstalt, Arbeitsanstalt, Konzentrationslager und Gefängnis
Nach dem Einmarsch der Franzosen ins Rheinland 1794 erfolgte im Zuge der Säkularisation 1802 die Aufhebung der Benediktinerabtei Brauweiler. Die ehemalige Abteikirche wurde nun zur katholischen Pfarrkirche und die Abteigebäude ab 1809/1811 als Bettlerdepot bzw. Bettleranstalt genutzt, die nach 1815 durch Preußen als „Arbeits- bzw. Korrektionsanstalt“ (später „Rheinische Provinzial Arbeitsanstalt Brauweiler“) weiter geführt wurde. Die Anzahl der Häftlinge schwankte in den Jahren 1811 bis 1825 zwischen 400 und 600.

Das ehemalige Frauenhaus (heute Bürohaus) ist das letzte noch erhaltene Unterbringungshaus aus Zeiten der preußischen Arbeitsanstalt. Es wurde 1864 fertiggestellt und sollte sogenannte Landarme aufnehmen, doch nach der Fertigstellung wurden hier – anders als ursprünglich geplant – die Insassinnen der Arbeitsanstalt untergebracht, während der NS-Zeit dann parallel auch Frauen, die von der Gestapo inhaftiert wurden. Zu ihnen zählte auch Auguste Adenauer, die dazu gezwungen wurde, den Aufenthaltsort ihres Mannes Konrad zu verraten, und 10 Tage hier in Gefangenschaft war. Später wurde das Gebäude als Frauenabteilung des psychiatrischen Krankenhauses genutzt und beherbergt heute Büros und die Gedenkstätte Brauweiler.

1885 entstand das Kessel- und Maschinenhaus in dessen Mitte ein vierstöckiger Wasserturm emporragte. In vier Flügeln um den Wasserturm herum waren unter anderem eine Dampfwäscherei, das Frauen- und Männerbad und die Großküche untergebracht. Nach mehreren Umbauten und dem 1956 erfolgten Abriss des nicht mehr genutzten Wasserturms wurde aus dem Kessel- und Maschinenhaus eine moderne Großwäscherei. Doch bereits in den 1980er Jahren wurde diese stillgelegt und ein Großteil des Gebäudes abgerissen. Übrig geblieben ist der heute noch sichtbare L-förmige Teil.

1913 wurde der sogenannte Zellenbau der Arbeitsanstalt östlich der Abteikirche fertiggestellt. Es handelte sich um ein Gefängnis mit ca. 150 Einzelzellen. Ursprünglich zur Unterbringung von Korrigenden der Arbeitsanstalt erbaut, diente es während der NS-Zeit als Gestapo-Gefängnis. Auch Konrad Adenauer war hier für einige Wochen inhaftiert. Nach der Schließung der Arbeitsanstalt 1969 stand das Gebäude leer, es war für die Nutzung als Landeskrankenhaus nicht geeignet und wurde 1972 gesprengt.

1920 wurden das „Bewahrungshaus“ samt Zellengebäude an die Kölner Justizverwaltung vermietet. Unter der nationalsozialistischen Herrschaft von 1933-1945 dienten die Gebäude als Konzentrationslager und als Gefängnis der Kölner Geheimen Staatspolizei (Gestapo), in dem 1944 auch der spätere Bundeskanzler Konrad Adenauer (1876-1967) für zwei Monate inhaftiert wurde.

1945-1969: Nothilfelager und erneut Arbeitsanstalt
Von 1945-1949 wurde der Anstaltskomplex als offenes Lager der Britischen Armee und später im Rahmen der Nothilfe- und Wiederaufbauverwaltung der Vereinten Nationen (UNRRA - United Nations Relief and Rehabilitation Administration) für die Unterbringung von infolge des Kriegs nicht am Ort beheimateten Zivilpersonen, so genannter „Displaced Persons“, genutzt.
Ab 1950 wurde Brauweiler wieder als Arbeitsanstalt genutzt. Seit 1953 stand die ehemalige Abtei als „Rheinische Landes-Arbeitsanstalt Brauweiler“ unter Führung des im gleichen Jahr als Nachfolger des Provinzialverbandes der Rheinprovinz gebildeten Landschaftsverbands Rheinland (LVR).
Eine prominente Insassin von April 1952 bis April 1953 war die Edelprostituierte Rosemarie Nitribitt (1933-1957), die hier in Besserungs- bzw. Korrektionshaft „Tüten kleben und am Webstuhl arbeiten musste“.

1969-1978: Rheinisches Landeskrankenhaus
Ab 1969 bis zur Schließung der Klinik 1978 erfolgte die Nutzung als „Rheinisches Landeskrankenhaus Brauweiler“ vor allem zur psychiatrischen Behandlung von alkohol- und drogenkranken Patienten.

Neben der Geschichte der früheren Arbeitsanstalt steht vor allem das spätere Landeskrankenhaus bis heute im Zentrum der teils kontrovers geführten Diskussion um den „Brauweiler Psychiatrieskandal“ und die Rolle des NS-belasteten ersten LVR-Landesdirektors Udo Klausa (1910-1998, Direktor des Landschaftsverbands Rheinland von 1954-1975).
Die skandalöse Behandlung von Menschen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen in „menschenfeindlichen“ Einrichtungen wie Brauweiler, die in einigen Fällen sogar zum Tode von Patienten führte (vgl. etwa spiegel.de 1981 und nrhz.de 2011), war Ausgangspunkt für die in den 1970er Jahren einsetzende Psychiatriereform mit dem Ziel, die Situation psychisch erkrankter Menschen durch die Umstrukturierung der psychiatrischen Landschaft zu verbessern.

„Im Jahre 1809 wurde auf dem Gelände der durch die Säkularisation 1802 aufgehobenen ehemaligen Benediktinerabtei Brauweiler bei Köln durch den französischen Kaiser Napoleon eine Anstalt für Bettler und Vagabunden eingerichtet, welche nach dem Übergang der Rheinlande an Preußen durch den neuen Landesherrn fortgeführt wurde. Als Arbeitsanstalt hatte diese Einrichtung die Aufgabe, die eingewiesenen Personen durch Beschäftigung zu disziplinieren und sie wieder einer ‚der Gesellschaft nützlichen‘ Tätigkeit zuzuführen. Im Jahre 1873 wurde sie in die Zuständigkeit der Rheinischen Provinzialverwaltung übertragen. Im 20. Jahrhundert weitete sich die ursprüngliche Klientel auch auf andere Personenkreise aus: Trinker, ‚Arbeitsscheue‘, Prostituierte und Zuhälter. Im ‚Dritten Reich‘ wurde die Arbeitsanstalt u.a. als Konzentrationslager, Straf- und Gestapo-Gefängnis genutzt. Nach Auflösung des 1945-1949 auf dem Gelände bestehenden Lagers für ‚displaced persons‘ nahm die Arbeitsanstalt 1950 wieder ihre Tätigkeit auf. Im Jahre 1953 übernahm sie der Landschaftsverband Rheinland als ‚Rheinische Landes-Arbeitsanstalt Brauweiler‘ mit einem Arbeitshaus für Männer und einem Arbeitshaus für Frauen. Nach Schließung der Arbeitsanstalt im Jahre 1969 wurde die Einrichtung als ‚Rheinisches Landeskrankenhaus Brauweiler‘ (‚Trinker-Heilanstalt‘) vor allem zur Behandlung von Alkoholkranken weitergeführt, bis auch sie nach einer Reihe von Skandalen im Jahre 1978 geschlossen wurde.“ (Zitat: Dr. Wolfgang Schaffer, Vorwort in Kahlfeld / Schaffer 2009)

(Franz-Josef Knöchel, LVR-Redaktion KuLaDig, 2010/2024)

Wege zum LVR – Anfahrt inklusiv: Gedenkstätte Brauweiler des LVR

Internet
abteibrauweiler.lvr.de: Broschüre „Rundgang Abtei“, LVR-Kulturzentrum Abtei Brauweiler, 2021, PDF-Datei, 4,1 MB (abgerufen 07.05.2024)
www.afz.lvr.de: LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrum, Geschichte der Abtei (abgerufen 18. November 2010, Inhalt nicht mehr verfügbar 28.10.2016)
de.wikipedia.org: Abtei Brauweiler (abgerufen 18. November 2010)
www.nrhz.de: „Die braune Nachkriegsgeschichte“ (Neue Rheinische Zeitung vom 07.09.2011, abgerufen 28.10.2016)
www.spiegel.de: „Psychiatrie: Tür zudrücken“ (Der Spiegel 7/1981 vom 09.02.1981, abgerufen 28.10.2016)

Literatur

Daners, Hermann; Wißkirchen, Josef (2006)
Was in Brauweiler geschah: Die NS-Zeit und ihre Folgen in der Rheinischen Provinzial-Arbeitsanstalt (Dokumentation). (Pulheimer Beiträge zur Geschichte, Sonderveröffentlichung 25.) Pulheim.
Frank-Planitz, Ulrich (1975)
Konrad Adenauer - eine Biographie in Wort und Bild. Bergisch Gladbach.
Groten, Manfred; Johanek, Peter; Reininghaus, Wilfried; Wensky, Margret / Landschaftsverband Rheinland; Landschaftsverband Westfalen-Lippe (Hrsg.) (2006)
Handbuch der Historischen Stätten Nordrhein-Westfalen. (HbHistSt NRW, Kröners Taschenausgabe, Band 273.) S. 866-867, Stuttgart (3. völlig neu bearbeitete Auflage).
Kahlfeld, Rudolf; Schaffer, Wolfgang / LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrum (Hrsg.) (2009)
Bestand „Arbeitsanstalt bzw. Rheinisches Landeskrankenhaus Brauweiler 1833-1978“. Köln u. Pulheim-Brauweiler.
Schreiner, Peter (2009)
Die Geschichte der Abtei Brauweiler bei Köln: 1024-1802. (Pulheimer Beiträge zur Geschichte und Heimatkunde, Sonderveröffentlichung, 30.) Pulheim (ergänzte Neuauflage).
Wisplinghoff, Erich (2002)
Artikel "Brauweiler". In: Lexikon des Mittelalters 2, S. Sp. 595-596. München.
Wißkirchen, Josef (2010)
Gedenkort Friedhof Brauweiler. (Schriften zur Gedenkstätte Brauweiler 1.) Pulheim.
Wißkirchen, Josef (2005)
Brauweiler bei Köln. Frühes Konzenttrationslager in der Provinzial-Arbeitsanstalt 1933-34. In: Schulte, Jan Erik (Hrsg.): Konzentrationslager im Rheinland und in Westfalen 1933-1945. Zentrale Steuerung und regionale Initiative, S. 65-85. Paderborn u.a..
Wißkirchen, Josef (1992)
Provinzial-Arbeitsanstalt, Konzentrationslager und Gestapo-Gefängnis in Brauweiler. In: Wißkirchen, Josef (1992): Stadt Pulheim: Geschichte ihrer Orte von 1914 bis zur Gegenwart, S. 118-158. Köln.

Arbeitsanstalt Brauweiler

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
Abtei Brauweiler
Ort
50259 Pulheim - Brauweiler
Fachsicht(en)
Kulturlandschaftspflege, Landeskunde
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Geländebegehung/-kartierung, Literaturauswertung
Historischer Zeitraum
Beginn 1802 bis 1809, Ende 1978

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Empfohlene Zitierweise
„Arbeitsanstalt Brauweiler”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/O-2696-20101205-3 (Abgerufen: 14. Oktober 2024)
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