Bereits 1857 wurde das Grubenfeld „Verein“ an die gleichnamige Bohrgesellschaft verliehen; hieraus wurde später die Zeche Niederberg (offizielle Bezeichnung ab 1970, Hermann / Hermann 2003).
Motiviert waren die bergbaulichen Amibitionen am linken Niederrhein durch den Pionier und Konkurrenten Franz Haniel, der seit 1851 die Entwicklung der späteren Zeche Rheinpreußen voran trieb. Was Haniel zunächst aufhielt, war der geologische Untergrund. Schwimmsande verursachten technische Probleme bei den Bohrungen. Haniel blieb am Ball - der finanzielle Aufwand war allerdings immens (Boldt / Gelhar 2008, Gelhar 2005, S. 125, Spethmann 1995, S. 476 f.).
Andere Gesellschaften hatten inzwischen zwar auch die Felder, aber ihnen fehlten diese finanziellen Mittel zur Umsetzung der Förderung. Das galt auch für die Gewerkschaft „Verein“. Erst mehr als 50 Jahre später – im Jahr 1911 – gründete sich nach zwischenzeitlicher Aufsplitterung der Eigner die Niederrheinische Bergwerks-Gesellschaft mbH. Später wurde daraus die Niederrheinische Bergwerks AG. Das Abteufen der Schächte 1 und 2 erfolgte umgehend und die Förderung auf Niederberg konnte beginnen, als Schacht 1 im Jahr 1917 die Endteufe erreichte. Zum Einsatz kam dabei das Gefrierverfahren, das die Probleme mit dem Grundwasser und den Schwimmsanden minimierte (siehe unten). Die Standortwahl der Zeche zeigt eindeutig, wie Pull-Faktoren (Anziehungsfaktoren) bei der Industrialisierung wirkten: Für Niederberg war das die schon bestehende Trasse der Moerser Kreisbahn (Eisenbahn).
Es erfolgten mehrere Ausbauphasen mit den Schächten 3 (Moers-Kapellen), 4 (Kempen-Tönisberg) und 5 (Neukirchen-Vluyn). Zuletzt war als Förderschacht nur noch Schacht 5 in Betrieb – die übrigen Anlagen dienten der Bewetterung, der Seilfahrt und dem Material- bzw. Bergetransport.
Im Jahr 2002 erfolgte der Zusammenschluss der Zeche Niederberg und des Bergwerks Friedrich-Heinrich/Rheinland zum Bergwerk West (Verbundbergwerk). Deren Felder markierten die westliche Grenze des Steinkohlenbergbaus im Ruhrgebiet bis zum Jahr 2012 (Stilllegung).
Im Zuge dieses Verbunds wurden die Tagesanlagen der Zeche Niederberg 1/2/5 und 3 bis 2005 außer Betrieb genommen und weitgehend abgeräumt; nur Schachtanlage 4 ist bis heute erhalten.
Im Areal von Niederberg 1/2 sollen folgende Backsteingebäude aus der frühen Entwicklungsphase der Zeche in neue Nutzungsformen integriert werden: das Zentralmaschinenhaus (1917), die zwei Fördermaschinenhäuser der Schächte 1 (1917/1938) und 2 (1923) und das Lüftergebäude von Schacht 2 (1918) für die aktuelle Gasabsaugung (ehemaliges Gebäude der Grubenwehr). Dazu kommen die Fördertürme der Schächte 1 (1986) und 2 (1923, Route der Industriekultur 2015). Erhalten sind bislang auch die Torhäuser von 1919/20. Das Ensemble dokumentiert eindrucksvoll den gründerzeitlichen Kontrast der Backsteingebäude mit der filigranen Stahlkonstruktion der Fördertürme. Torhäuser, Fördermaschinenhäuser, Zentralmaschinenhaus und das Fördergerüst Schacht 2 sind auf der Denkmalliste der Stadt Neukirchen-Vluyn (Denkmalliste der Stadt Neukirchen-Vluyn 2015)
Geologische und bergbauliche Besonderheiten
- Förderleistung: 140 Mio. t in 84 Jahren (Zeche Niederberg bis zum Zusammenschluß 2002)
- Abteufen der Schächte 1 und 2 im höheren Bereich mit dem Gefrierverfahren (künstliches Gefrieren des Untergrunds, um die Standfestigkeit wasserführender Schichten zu erhöhen)
- Teufe bis zu 1162 m (5. Sohle)
- einzige Hausbrandzeche der Ruhrkohle AG seit 1973 auf der Basis von anthrazitischer Kohle (Geitling-Flöze); Betrieb der entsprechenden Brikettfabrik von 1924 bis 1998
- abgebaute Flöze im unteren Westfal A (Magerkohle und anthrazitische Kohle): Mausegatt, Geitling, Finefrau und Girondelle; die Namen wurden in Neukirchen-Vluyn auch zur Benennung von Strassen verwendet
Räumliche Abgrenzung
In der räumlichen Abgrenzung des Geländes von Niederberg 1/2 wurde auch die jüngere Flächennutzung bis 2002 berücksichtigt (Parkplätze im Südwesten der Anlage). Die Tagesanlagen für Schacht 5 befanden sich unmittelbar im nördlichen Anschluss des Areals 1/2. Für die Kartierung wurden sie nicht berücksichtigt, da sie abgeräumt wurden und das Gelände aktuell für den Wohnungsbau genutzt wird. Ein kulturhistorischer Wert ist nicht mehr erkennbar. Terminologisch korrekt wird der komplette Bergwerksstandort als Niederberg 1/2/5 bezeichnet.
Kulturhistorische und kulturlandschaftliche Bedeutung
Niederberg 1/2 ist ein Stellvertreter für den Bergbau des frühen 20. Jahrhunderts. Der Backsteinexpressionismus und das Deutsche Strebengerüst von Schacht 2 (unter Denkmalschutz) stammen aus der Gründungszeit von 1911 bis zur Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg; sie sind architektonisch bzw. baulich herausragende Merkmale. Das Fördergerüst von Schacht 1 war bis 1986 ebenfalls ein Deutsches Strebengerüst und wurde dann durch ein Kastenstrebengerüst ersetzt. Die weitere Geschichte und korrelierende Ausbauphasen bis zur Stilllegung verdeutlichen auch bergbautechnische Zusammenhänge wie den Abbau im Verbund (siehe oben).
(Kai-William Boldt, Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz e.V., 2015)
Die Zeche Niederberg 1/2 in Neukirchen-Vluyn war KuLaDig-Objekt des Monats im Januar 2016.
Internet
Route der Industriekultur 2015 (abgerufen: 06.01.2015)
Denkmalliste der Stadt Neukirchen-Vluyn 2015 (abgerufen: 08.01.2015)