Die 1877/79 errichtete Alte Bonner Synagoge am Rheinufer wurde mitsamt dem 1909/10 ergänzten jüdischen Gemeindehaus im Zuge der NS-Progromnacht 1938 zerstört und wenig später abgerissen. Seit 1947 bestand ein Betsaal für die Nachkriegsgemeinde, 1959 wurde die Neue Synagoge in der heutigen Tempelstraße eingeweiht.
Die Alte Synagoge Mitte des 18. Jahrhunderts wurde eine Synagoge in dem 1715 eingerichteten Ghetto erbaut. 1879 wurde ein Synagogenneubau eingeweiht. Seit 1932 gab es auch einen „ostjüdischen“ Betsaal. Die Synagoge wurde 1938 zerstört und später abgerissen (Reuter 2007).
Die Synagoge entstand nach Plänen des in Bonn tätigen Architekten und königlichen Bauinspektors Hermann Eduard Maertens (1823-1898). Dieser hatte der Gemeinde im Dezember 1874 einen Entwurf vorgelegt und wurde 1876 mit der Durchführung beauftragt. Erkennbares Vorbild für den Bau war die 1861 vollendete Kölner Synagoge in der Glockengasse. Nach Erteilung der Baugenehmigung zum 18. Januar 1877 erfolgte die Bauausführung von Sommer 1877 bis Anfang Dezember 1878.
Die Bonner Zeitung berichtete am 1. Februar 1879 über die feierliche Einweihung des Gotteshauses am 31. Januar 1879 (hier zitiert nach www.jüdische-gemeinden.de): „Der Abschied aus der alten, düsteren, ganz versteckt gelegenen ... Synagoge und sodann der Einzug in den neuen, stolz und frei gelegenen Tempel am Rhein - diese für die Juden denkwürdigen Ereignisse reden laut von dem mächtigen Umschwunge der Zeiten, und wer wollte nicht freudig Theil nehmen an dem gehobenen Gefühl des reich begabten Volkes. ... Der Tempel ist im Basilikenstil gebaut, ... Wie in den meisten neueren Synagogen üblich, geschieht im Innern die Trennung der Männer und Frauen nur durch einen Mittelgang, sodann auch durch gesonderte Haupteingänge. ... Über einem Eingang befand sich ein Stein mit der Jahreszahl ‚1715', der offenbar von einem Tore des ehemaligen Ghettos stammte.“
Ein bereits Mitte des 19. Jahrhunderts als baufällig beschriebenes jüdisches Gemeindehaus befand sich in der Judengasse Nr. 10. Dieses war bereits im Jahr 1900 abgebrochen worden (Bemmelen 2002, S. 224). Zum 25. Jubiläum der Bonner Synagoge wurde am 30. Januar 1904 eine Jubelfeier ausgerichtet (Kalischer 1904). Um 1909/10 entstand nach Entwürfen des Bonner Architekten und Regierungsbaumeisters Karl Thoma (1857-1923, eigentlich Johann Nikolaus Carl Thoma) auf dem der Synagoge benachbarten Grundstück ein jüdisches Gemeindehaus, das über Grünflächen mit dem Gotteshaus verbunden war, welches gleichzeitig einen eingeschossigen Anbau erhielt. 1928 wurde das Synagogengebäude unter Leitung des Kölner Architekten Robert Stern (1885-1964) umgebaut und renoviert (Bemmelen 2002).
Im Zuge der NS-Progrome im November 1938 standen gegen Mittag des 10. November die Bonner Synagoge und das benachbarte Gemeindehaus in Flammen. Im Verlauf des Tages wurden die Gebäude noch mehrfach angezündet, vermutlich von SS-Männern. Die Überreste der beiden zerstörten Gebäude wurden dann im Dezember 1938 abgebrochen. Nachdem das Grundstück im Juni 1939 in den Besitz der Stadt Bonn übergegangen war, errichtete diese von Dezember 1942 bis Dezember 1943 auf den Fundamenten eine Holzbaracke als Kindertagesstätte, die jedoch nicht genutzt wurde und nach dem Zweiten Weltkrieg wieder abgebrochen wurde. Das nun mit einer Betonplatte und Schotter abgedeckte Gelände wurde als Parkplatz genutzt. 1953 erhielt die neu gegründete jüdische Gemeinde in Bonn das Grundstück über die Jewish Trust Corporation zurück, verkaufte es aber bereits 1955 wieder an die Stadt, um im Gegenzug ein Grundstück für die Errichtung einer neuen Synagoge zu erwerben (Bemmelen 2002, S. 263). Auf dem vormaligen Grundstück der Synagoge entstand Ende der 1980er-Jahre das heutige Hotel Hilton Bonn. Im Vorfeld des Hotelneubaus erfolgten 1987 Grabungen des damaligen Rheinischen Amts für Bodendenkmalpflege (heute LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland) an den Fundamenten der früheren Synagoge.
Gedenkstätten und Bodendenkmal Seit Januar 1963 weist eine Gedenktafel am Treppenaufgang zur Kennedybrücke auf den früheren Synagogenstandort hin. Außerdem erinnert seit 1988 eine aus Feldbacksteinen des Synagogenbaus errichtete Gedenkstätte am Moses-Hess-Ufer an das einstige Gotteshaus. Vor Ort befinden sich vor der Terrasse des Hilton-Hotels lagegetreu relozierte Fundamentreste der rheinseitigen Ostmauer der Synagoge, diese stehen mit Eintragung vom 17. August 1987 als Bodendenkmal unter Denkmalschutz (Nr. B 15). 1990 wurde ein Säulenfragment der zerstörten Alten Synagoge mit einer Gedenktafel an der neuen Bonner Synagoge aufgestellt. Im Frühjahr 2019 wurde dieses auf den jüdischen Friedhof des Waldfriedhofs Kottenforst versetzt.
Frühere Lage und Wandel der Straßennamen Der Standort der Alten Synagoge ist auf den historischen Karten der zwischen 1836 und 1850 erarbeiteten Preußischen Uraufnahme noch nicht auszumachen, die Blätter der Preußischen Neuaufnahme (1891-1912) und die topographischen Karten TK 1936-1945 zeigen dann das insgesamt rund 7.500 Quadratmeter umfassende Grundstück mit dem Gotteshaus (vgl. Kartenansicht). Die Synagoge befand sich am Rheinufer an der nördlichen Seite der seit 1715 so benannten Judengasse, die nach der Einweihung der neuen Synagoge 1886 in Tempelstraße umbenannt wurde. Nach der Zerstörung der Synagoge wurde diese Straße dann 1939 nach dem Mediziner und Jugendfreund Ludwig van Beethovens, Franz Gerhard Wegeler (1765-1848) in Wegelerstraße umbenannt. „Kriegszerstörungen und Wiederaufbau der Bonner Altstadt liessen die Straße verschwinden. Um Wegeler zu gedenken beschloss der Rat der Stadt Bonn am 10.10.1952 eine Straße im Musikerviertel nach ihm zu benennen.“ (stadtplan.bonn.de) Der um 1900 noch als Rheinwerft bezeichnete Abschnitt des Rheinufers im Bereich der heutigen Josefstraße hieß von 1922 bis 1933 und erneut von 1952 bis 2011 Erzbergerufer. Dieses war nach dem Politiker Matthias Erzberger (1875-1921) benannt, der einem Mordanschlag rechtserroristischer Kreise zum Opfer fiel. Zwischen 1933 und 1952 war der Abschnitt nach dem Sportpädagogen und langjährigem Leiter des Bonner Turnwesens sowie Bonner Stadtverordneten Fritz Schroeder (1853-1931) benannt.
Hinweis Die Geometrie wurde von einem Stadtplan von 1888 übernommen (Claus Weber, Stade, 2022).
Quelle Pläne und Abbildungen in dem Artikel „Die neue Rheinbrücke zwischen Bonn und Beuel“, in: Deutsche Bauzeitung, XXXII. Jahrgang, No. 101, Berlin, 17. Dezember 1898, S. 645-647 (aus der Sammlung von Herrn Klaus Rick, Bonn, 2022).
Internet www.jüdische-gemeinden.de: Bonn (abgerufen 08.04.2022) stadtplan.bonn.de: Straßenverzeichnis Bonn, u.a. mit Judengasse (1715-1886), Tempelstraße (1879-1939), Erzbergerufer (1922-1933 und 1952-2011), Fritz-Schröder-Ufer (193-1952) und Moses-Hess-Ufer (seit 2011) (abgerufen 08.04.2022) de.wikipedia.org: Alte Synagoge Bonn (abgerufen 08.04.2022)
Lexikon der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum. 3 Bände, 1 Aach - Groß-Bieberau, 2 Großbock - Ochtendung, 3 Ochtrup - Zwittau. Gütersloh.
Bemmelen, Nicole (2002)
Die Neue Judengasse in Bonn - Entstehung und Zerstörung. In: Bonner Geschichtsblätter Nr. 51/52, 2001/2002, S. 197-283. o. O.
Kalischer, Elias / Vorstand der Synagogengemeinde Bonn (Hrsg.) (1904)
Festworte zur fünfundzwanzigjährigen Jubelfeier der Bonner Synagoge (30. Januar 1904). Bonn.
Pracht, Elfi (1997)
Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen, Teil I: Regierungsbezirk Köln. (Beiträge zu den Bau- und Kunstdenkmälern im Rheinland 34.1.) S. 467-479, Köln.
Reuter, Ursula (2007)
Jüdische Gemeinden vom frühen 19. bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts. (Geschichtlicher Atlas der Rheinlande, VIII.8.) S. 30, Bonn.
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