Die Zonser Stadtmauer ist am Niederrhein aktuell naturschutzfachlich wohl die wertvollste Mauer. Durch umfassende Renovierungsarbeiten wurde früher der Pflanzenbewuchs oftmals entfernt und die Mauer neu verfugt. Trotzdem ist die für alte Mauern typische Flora und Fauna noch in bestimmten Bereichen zu beobachten. Die hohe Anzahl an Artenfunden und die große Länge der Mauer macht Zons einmalig. Mittlerweile berücksichtigt der Denkmalschutz auch die Naturschutz-Belange.
In unberührten Schießscharten, Leuchternischen, Fugen und sonstigen nicht renovierten Stellen haben sich ökologische Nischen gebildet. Vögel nutzen Aussparungen als Nistplätze, wechselwarme Tiere können sich vormittags auf an exponierten Stellen sonnen und bei Bedarf in schattige Nischen zurückziehen. Insekten nutzen ebenfalls die Aussparungen innerhalb der Mauern oder graben sich selbst Gänge in die Fugen. Das ressourcenlimitierte Mauerhabitat bietet außerdem diversen kleinwüchsigen Pflanzen - gegenüber höheren Pflanzen - ein Refugium, da zweitere nicht genügend Platz für ihre Wurzelbildung an und in der Mauer haben.
Pflanzen der Stadtmauern von Zons
Die Mauern von Zons umgeben, weitgehend unzerstört, die ganze Altstadt in einem Viereck, dessen Seiten angenähert in die vier Himmelsrichtungen ausgerichtet sind. Nur die ursprünglichen Holzanbauten fehlen im Innern. Der größte Bereich ist freistehend, bei kleineren Bereichen sind die Mauern in die Außenwand von Häusern integriert.
Der Vegetationszustand an den Mauern ist sehr unterschiedlich. Während die Mauerkrone in der Regel dichten Bewuchs aufweist, wurden an vielen Mauerwänden Reinigungs- und Verfugungssanierungen durchgeführt. Die Verfugung mit nicht historischem Material, wie handelsüblichem Zementmörtel mit chemischen Zuschlägen beendet eine qualitativ hochwertige, pflanzliche Ansiedlungsmöglichkeit, und damit auch den überwiegenden Teil der Ansiedlung durch Insekten. Nur Flechten können dann noch auf der Steinoberfläche überleben.
Somit weisen nur einige der Zonser Mauern heute noch eine intakte Besiedlung auf. Hervorzuheben ist hier die Innenseite der Westmauer südlich der Schlossstraße und ein kürzeres Stück im Anschluss Richtung Norden an die Schlossstraße.
Zunächst bedingt durch die Ausrichtung der Mauern finden sich verschiedene Biotope, deren Besiedlung von der Exposition zu verschiedenen Tageszeiten abhängig ist - von mehr oder minder sonnenexponiert zu eher schattig. Das schafft unterschiedliche Bedingungen für die Keimfähigkeit von Diasporen und Überlebensfähigkeit von Jungpflanzen. Von den Bewuchsmöglichkeiten geben Mauerkrone, Mauerwand und Mauerfuß unterschiedliche Besiedlungsmöglichkeiten, die auch vom Transfer der Ausbreitungseinheiten (Diasporen) abhängen. Transport durch Ameisen (Myrmekochorie), Transport durch Vögel (Ornithochorie) und Transport durch den Wind (Anemochorie) sind Hauptfaktoren für eine Ansiedlung an den Mauerbereichen. Allgemein gilt für Mauerwandbesiedlungen, dass der Transport durch Ameisen der primäre Ansiedlungsweg ist.
Die Zonser Mauerkronen sind in weiten Bereichen abhängig von der Exposition unterschiedlich besiedelt. Pflanzen sammeln vom Wind mitgeführtes Material und bilden eine dünne Bodendecke, deren Zuwachs davon abhängt, wie viel materialbindende Wurzelmasse ausgebildet wird, die nicht vom Regenwasser ausgeschwemmt wird.
Die Mauerfußbesiedlung, soweit nicht monotone Rasenflächen anschließen, unterliegt wiederum eigenen Bedingungen hinsichtlich Wasser- und Nährstoffversorgung sowie Belichtung.
Die genauen Arten sind in den untergeordneten Objekten zu beschrieben.
Schnecken der Stadtmauern von Zons
Die Schneckenfunde richten sich nach Kobialka u. Kappes 2010 und eigenen Daten.
West- und Ostmauer
Wissenschaftlicher Name | Deutscher Name | Fundort | Jüngster Nachweis in Zons |
Cochlicopa lubrica | Gemeine Glattschnecke | Mauer / Mauerfuß | 2021 |
Vallonia costata | Gerippte Grasschneck | Mauer / Mauerfuß | 2021 |
Vallonia excentrica | Schiefe Grasschnecke | Mauer / Mauerfuß | 2008 |
Acanthinula aculeata | Stachelige Streuschnecke | Mauer / Mauerfuß | 2008 |
Pupilla muscorum | Moos-Puppenschnecke | Mauer / Mauerfuß | 2021 |
Vertigo pygmaea | Gemeine Windelschnecke | Mauer / Mauerfuß | 2008 |
Clausilia dubia | Gitterstreifige Schließmundschnecke | Mauer | 1928 |
Laciniaria plicata | Faltenrandige Schließmundschnecke | Mauer / Mauerfuß | 2008 |
Balea perversa | Zahnlosen Schließmundschnecke | Mauer | 2021 |
Alinda biplicata | Gemeine Schließmundschnecke | Mauer / Mauerfuß | 2021 |
Punctum pygmaeum | Gemeine Punktschnecke | Mauer / Mauerfuß | 2008 |
Discus rotundatus | Gefleckte Schüsselschnecke | Mauer / Mauerfuß | 2021 |
Oxychilus draparnaudi | Große Glanzschnecke | Mauer / Mauerfuß | 2021 |
Aegopinella nitidula | Rötliche Glanzschnecke | Mauer / Mauerfuß | 2017 |
Boettgerilla pallens | Wurmschnegel | Mauer / Mauerfuß | 2008 |
Lehmannia valentiana | Gewächshaus-Schnege | Mauer / Mauerfuß | 2008 |
Deroceras reticulatum | Genetzte Ackerschnecke | Mauer / Mauerfuß | 2008 |
Arion lusitanicus | Spanische Wegschnecke | Mauer / Mauerfuß | 2017 |
Arion circumscriptus | Graue Wegschnecke | Mauer / Mauerfuß | 2008 |
Arion distinctus | Gemeine Wegschnecke | Mauer / Mauerfuß | 2008 |
Arion intermedius | Kleine Wegschnecke | Mauer / Mauerfuß | 2008 |
Cepaea nemoralis | Hain-Schnirkelschnecke | Mauer / Mauerfuß | 2017 |
Cepaea hortensis | Garten-Schnirkelschnecke | Mauer / Mauerfuß | 2021 |
Helix pomatia | Weinbergschnecke | Mauer / Mauerfuß | 2017 |
Am Beispiel der Mauervegetation und der Schnecken wurde die hohe ökologische Bedeutung der Zonser Stadt-Mauern erneut dokumentiert. Daher ist die Stadt Zons für den Naturschutz von besonderer Wichtigkeit.
(Christian Platz und Michael Stevens, Haus der Natur - Biologische Station im Rhein-Kreis Neuss e.V., 2020)