Braunkohlenwerk Kulkwitz

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Denkmalpflege
Gemeinde(n): Markranstädt
Kreis(e): Leipzig
Bundesland: Sachsen
Koordinate WGS84 51° 17′ 27,52″ N: 12° 14′ 22,02″ O 51,29098°N: 12,23945°O
Koordinate UTM 33.307.523,58 m: 5.685.803,00 m
Koordinate Gauss/Krüger 4.516.808,72 m: 5.684.042,62 m
  • Gelände des ehemaligen Braunkohlenwerks Kulkwitz von Westen (Luftbildaufnahme)

    Gelände des ehemaligen Braunkohlenwerks Kulkwitz von Westen (Luftbildaufnahme)

    Fotograf/Urheber:
    Ronald Heynowski
    Medientyp:
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Das weiträumige Gelände des Braunkohlenwerkes Kulkwitz liegt nördlich der Kreuzung von Zwenkauer und Göhrenzer Straße. Es erstreckt sich östlich der Zwenkauer Straße und wird gegenwärtig als Industriegebiet genutzt. Neben einigen Neubauten, werden im Kern historische Gebäude des Braunkohlenwerkes als Firmensitz (Verwaltung, Entwicklung, Fertigung) genutzt. Jenseits der Zwenkauer Straße sowie weiter nördlich auf gleicher Straßenseite liegen die Betriebsgelände ehemaliger Kraftwerke, deren Geschichte mit der des Braunkohlenwerkes aufs Engste verflochten sind.
Die Anfänge des Braunkohlenwerkes Kulkwitz liegen in der auf 1864 datierten Gründung der Tiefbaugesellschaft Grube Mansfeld bei Albersdorf, der als erster Großbetrieb im nordwestsächsischen Raum gilt. Nach anfänglichen Förder- und Absatzschwierigkeiten konsolidierte sich die Braunkohlengewinnung Ende des 19. Jahrhunderts und mündete in der Gründung der Leipziger Braunkohlenwerke AG 1891. Das betrachtete Betriebsgelände wurde in verschiedenen Phasen erschlossen und zeugt von der technischen Weiterentwicklung der Braunkohlengewinnung und verarbeitung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Insbesondere der Übergang vom Tiefbau zum Tagebau (Aufschluss 1936) und die chemische Veredlung der Braunkohle etwa zur gleichen Zeit, stellt eine tiefe Zäsur in der Entwicklung des Braunkohlenwerkes dar. Zuvor wurde seit den Jahren um 1900 unmittelbar nördlich der Straßenkreuzung Zwenkauer/ Göhrenzer Straße, am sogenannten Schachtdreieck, die für die Förderung und Verarbeitung der Braunkohle im Tiefbaubruchverfahren erforderlichen Anlagen errichtet: Den Albert- und den Carolaschacht flankierten diverse Gebäude (Verwaltung, Schachtgebäude, Schmiede, Kessel- und Pumpenhaus, Siederei sowie Mannschaftsgebäude, Tischlerei, Fahrradschuppen, Holzlager, Stall, Klärbecken), die um 2010 restlos abgebrochen wurden. Bereits in der frühen Phase des Braunkohlenwerkes Kulkwitz bestand eine enge Verbindung zu den unmittelbar gegenüber gelegenen Landkraftwerken Kulkwitz, deren Funktionsgebäude bis auf Vereinzelte, darunter Verwaltungs- und Wohnhaus sowie ein Pförtnerhaus und eine Schaltwarte aus späterer Zeit, ebenfalls nicht mehr existieren. Zwar besaß das Braunkohlenwerk anfangs noch ein eigenes Kesselhaus zur Stromerzeugung, wurde ab 1913 jedoch mit Strom aus den benachbarten Landkraftwerken versorgt. Umgekehrt avancierte das Kraftwerk ab 1911 zum Hauptabnehmer der geförderten Kohle. Durch allmählichen Erwerb der Aktien des Braunkohlenwerkes gelangte dieses 1927 gänzlich in den Besitz der staatlichen Aktiengesellschaft Landkraftwerke Kulkwitz und wurde ihm 1938 angegliedert. So traten die Landkraftwerke, Abteilung Braunkohlenwerk, schließlich als Bauherr der 1937 projektierten Neubaumaßnahmen auf, in deren Folge Brikettier- und Schwelereianlagen im Anschluss an die alten Schachtanlagen in nördlicher Richtung entlang der Zwenkauer Straße errichtet wurden. Der von dem Leipziger Ingenieur- und Architekturbüro Paul Ranft 1937 vorgelegte Entwurf sah den Bau zahlreicher Funktionsgebäude vor, die untereinander und mit dem nördlich des Betriebsgeländes aufgeschlossenen Tagebau Kulkwitz über Bandanlagen verbunden waren. Verbindungen bestanden sowohl zwischen der Brikettfabrik mit Trocken-, Nass- und Pressendienst einerseits und dem Schweldienst mit den daran angeschlossenen Kühl- und Speicheranlagen (für verschiedene Endprodukte) andererseits als auch zum Kraftwerk, das insbesondere den dem Schwelprozess zurückbleibenden Koks zur Stromproduktion verwendete. Das Braunkohlenwerk als Ort der Gewinnung, Verarbeitung, des Transports, der Lagerung von Braunkohle und seiner Veredlungsprodukte bildet in seiner baulichen Struktur die Prozesshaftigkeit und Komplexität dieses Wirtschaftszweiges ab: Neben den ortsfesten Gebäuden (Großraumbunker, Trocken-, Nass- und Pressdienst, Brikettauswurf, Schweldienst, Gaserzeugung, Lagerbehälter für Teer, Mittel,- Leichtöl oder Gas) gehören dazu auch Wasserspeicher- und Kläranlagen sowie Transportinfrastruktur (Lokschuppen, Gleissysteme) und allgemeine Einrichtungen (Klempnerei, Hauptumspannstelle, Eisenlager, Pförtnerhaus). In Richtung des Tagebaus wurden weitere Funktionsgebäude genutzt, wie ein Grabenbunker, Schrägstollen, Umsetzstelle und Gebäude der Tagesanlagen. Nicht zuletzt waren mit einer Werksschänke und einer Kegelbahn sowie Wohnbaracken auch zahlreiche Sozialgebäude auf dem Werksgelände vertreten. Die meisten der genannten Gebäude und baulichen Anlagen sind nicht erhalten. Innerhalb der Kernbetriebsgeländes sind überformt, aber im historischen Kern noch vorhanden: Schweldienst, Gaserzeugung und das langgestreckte Gebäude der Hauptwerkstatt. Im hinteren, südöstlichen Bereich des Geländes ist der Großraumbunker original, aber in baufälligem Zutand erhalten.
Als Reparationsbetrieb der Sowjetischen Aktiengesellschaft (SAG) unterstellt, wurde der Betrieb später Teil der VVB Kohlenindustrie Leipzig mit Sitz in Borna. Nachdem die Teererzeugung und Verkokung 1949 eingestellt wurde, war die Brikettproduktion das Haupttätigkeitsfeld des Braunkohlenwerkes. Mit der stetig steigenden Förderleistung und dem Aufschluss eines weiteren Tagebaufeldes (Miltitz) stieg auch die Produktion von Kohlebriketts um ein Vielfaches. Als 1963 die Kohleförderung vor Ort eingestellt wurde, versorgten die Tagebaue Böhlen und Espenhain die Brikettfabrik Kulkwitz bis zu ihrer Schließung 1967, die mittlerweile dem Braunkohlenwerk Deutzen angegliedert war, mit Rohkohle.
1991 wurde das Industriegelände mit den mittlerweile maroden Gebäuden des Braunkohlenkraftwerks von der Treuhand teilweise veräußert. Es erfolgte der Ausbau einiger historischer Gebäude, insbesondere des Schwelwerkes, zum Sitz einer Firma für Umweltmesstechnik, die ihren Erfolg mit der Produktion von Staubmessgeräten begründete. Seit Ende der 1990er Jahre wird das Werksgelände kontinuierlich weiterentwickelt und historische Gebäude saniert bzw. umgebaut.
Die noch vorhandenen baulichen Zeugnisse des Braunkohlenwerks Kulkwitz sind aufgrund seiner die Umgebung stark prägenden Einflüsse in topografischer wie sozialer Hinsicht von herausragender ortsgeschichtlicher Bedeutung. Zudem steht das Industriegebiet für die historische Entwicklung der Energiewirtschaft, die an diesem Ort gesellschaftstypische Verwandlungen erfuhr und mit der gegenwärtigen Nutzung auf die Umstellung auf nicht fossile Energie sowie Respekt vor Natur und Umwelt verweist.

(Isabell Schmock-Wieczorek, Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, 2022)

Datierung:
  • Erbauung 1937–1940er Jahre

Quellen/Literaturangaben:
  • Welsch, Betriebsgeschichte der Leipziger Braunkohlenwerke Kulkwitz AG, Kulkwitz, Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, URL: https://archiv.sachsen.de/archiv/bestand.jsp?oid=09.01.04&bestandid=40128&syg_id=&_ptabs=%7B%22%23tab-einleitung%22%3A1%7D#einleitung, zuletzt besucht am 11.02.2022.
  • Böhme, Helmert, Betriebsgeschichte des VEB Braunkohlenwerk Kulkwitz (bei Leipzig), Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, URL: https://archiv.sachsen.de/archiv/bestand.jsp?oid=09.01.04&bestandid=40185&_ptabs=%7B%22%23tab-einleitung%22%3A1%7D#einleitung, zuletzt besucht am 11.02.2022.
  • KRGrimma, B 2109.
  • Dr. Födisch Umweltmesstechnik AG (Hg.): 30 Jahre Kompetenz in Umwelt- und Prozessmesstechnik. URL: file:///C:/Users/SchmocIs/Downloads/Broschuere_30_Jahre_DrFoedisch.pdf (10.03.2022).

Bauherr / Auftraggeber:
  • Bauherr: Landkraftwerk Kulkwitz AG (GND: 355106-4)
  • Entwurf: Paul Ranft

BKM-Nummer: 30500045

Braunkohlenwerk Kulkwitz

Schlagwörter
Ort
Kulkwitz
Fachsicht(en)
Denkmalpflege
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Übernahme aus externer Fachdatenbank

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„Braunkohlenwerk Kulkwitz”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/BKM-30500045 (Abgerufen: 2. Mai 2025)
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