Der von der Deutschen Erdöl AG in Auftrag gegebene Siedlungsbau stand unter der Bauherrschaft der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschafts Borna G.m.b.H. und wurde vom Leipziger Architekten Max Steinmüller projektiert. Die in drei Bauphasen zwischen 1940 und 1944 errichtete Siedlung war für etwa 130 Familien konzipiert. Erste Bauanträge wurden im Sommer 1940 bei der Stadt Borna eingereicht und als »kriegswichtig« eingestuft, womit im selben Jahr die Arbeiten im ersten Bauabschnitt begannen. Die 1940 ursprünglich geplanten 33 Häuser (Bebauungsplan vom 8. Juli 1940) waren als Typenwohnhäuser konzipiert und umfassten »Mehrfamiliendoppelwohnhäuser« der Typen A (10 Familien), B (8 Familien) und Typ C (Eigenheimwohnung) sowie einen Sonderbau »Bäcker- und Fleischerhaus«, außerdem fünf Einzelhäuser. Mit fortschreitender Umsetzung des Siedlungsbaus wurden mehrfach Änderungen am ursprünglichen Plan und sowohl Anpassungen in den einzelnen Bauformen als auch in der Anordnung der Häuser im Bebauungsplan vorgenommen. Einzelne Häuser nordöstlich der Tummelwitzer Straße und ein Doppel- sowie ein Einzelwohnhaus an der Lessingstraße wurden abgebrochen und die Grundstücke zum Großteil neu bebaut.
Alle erhaltenen Wohnhäuser der Siedlung wurden bis auf zwei Ausnahmen (Am Breiten Teich, Liebes-Kirsch-Allee) als Doppelhäuser ausgeführt und sind durch ihre typisierte Bauweise sowie ihr Erscheinungsbild mit hellem Außenputz, hellgefugter Bruchsteinsockelverkleidung, einheitlicher Dachdeckung in rotbraunem Biberschwanz sowie der Einfriedung zur Straße hin mit halbhohen Hecken als zusammenhängender Siedlungskomplex erkennbar. Bei Sanierungsmaßnahmen wurden diese grundlegenden Gestaltungsmerkmale beibehalten.
Die sozialgeschichtliche Bedeutung der Siedlung Neuwitznitz liegt begründet in dem Umstand, dass es sich hier um die erste Umsiedlung einer Dorfgemeinschaft an einen neuen Standort in westsächsischem Gebiet handelt. Die Errichtung eines Bäcker- und Fleischergebäudes als Ersatzbau für die devastierten Betriebe in der Flucht der Seumestraße und damit an zentraler Position innerhalb der Siedlung, spiegelt das Bemühen um den Erhalt der sozialen (Dorf-)Gemeinschaft wieder. Baugeschichtlich ist sie darüber hinaus von Bedeutung, weil sich im Verlauf der drei Bauphasen mit der Umsetzung des »Reichserprobungstypes« G3 und GW4 im westlichen und an der Robert-Koch-Straße gelegenen Siedlungsareal eine stärkere, überregional wirksame Normierung der Gebäudetypen durchsetzte.
(Isabell Schmock-Wieczorek, Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, 2022)
Datierung:
- Erbauung 1940 bis 1944/45
Quellen/Literaturangaben:
- Bergner, Thomas (Museum der Stadt Borna): Ortstermin. 15.09.2022.
- Christliches Umweltseminar Rötha e.V./Kulturbüro im Werk Espenhain (Hg.): Glück auf, Witznitz! Südraum Journal 10. Leipzig 1999, S. 37-40.
- Förderverein des Museums der Stadt Borna e. V. (Hg.): Von Abtei bis Zwiebelhaus. Ein Lexikon zur Geschichte der Stadt Borna. Borna 2001, S. 164 f., 241, 289.
- Bauaktenarchiv Borna, Seumestr. 2-8.
- Bauaktenarchiv Borna, Tummelwitzer Str. 2-22.
- Bauaktenarchiv Borna, Tummelwitzer Str. 13, 15.
Bauherr / Auftraggeber:
- Persönlichkeit: Deutsche Erdöl AG (DEA) (GND: 1075343917)
- Bauherr: Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft Borna m.b.H,
- Entwurf: Max Steinmüller (Architekt, GND: 125946546)
BKM-Nummer: 30500010