Der Kulturlandschaftsbereich liegt rechtsrheinisch zwischen Wesel und Isselburg und ist gekennzeichnet durch die alt- und mittelholozäne Auenlandschaft des Rheins im Westen und eine für den Niederrhein typischen Donkenlandschaft mit Senken und leichten Erhöhungen (Donken) im Osten. Bei den alt- und mittelholozänen Ablagerungen des Rheins handelt es sich um die letzten erhaltenen Reste einer steinzeitlichen Kulturlandschaft. Die Senken sind eher siedlungsfeindliche Feuchtgebiete (z.B. Werther Bruch), in denen Niedermoore gute Erhaltungsbedingungen für Artefakte aus organischen Materialien aller Art sowie für Pflanzenreste bieten, die eine Rekonstruktion der Umwelt in der Vergangenheit ermöglichen. Die hochwasserfreien Donken wurden dagegen von den Menschen seit der Vorgeschichte bevorzugt besiedelt.
Die naturräumlichen Voraussetzungen ermöglichten die intensive metallzeitliche Besiedlung und Nutzung der fruchtbaren Niederungen, in den Rheinaltarmen sowie der Kanten entlang der Niederterrasse. Siedlungen werden bevorzugt hochwasserfrei auf Erhöhungen angelegt, wie den Donken. Weitere metallzeitliche Siedlungsplätze finden sich entlang den Kanten der Niederungen, wie bei Wesel, Rees-Haldern, Rees-Haffen-Mehr. Durch lang andauernde Besiedlung in mehreren Epochen entstand hier eine künstliche Aufhöhung, so dass dieser Platz als Wurt oder Warf anzusprechen ist. Dies kann man auch für andere, bislang noch nicht erkannte Plätze voraussetzen. Die Gräberfelder legte man abseits der Siedlungen auf den weniger fruchtbaren Höhen an, wie z.B. bei Wesel-Diersfordt oder im Umfeld von Rees.
Es zeigt sich eine nahezu vollständig besiedelte und genutzte Landschaft, in der insbesondere die Abhängigkeit der Menschen von der Landschaft und den naturräumlichen Bedingungen noch gut abzulesen ist. Die moderne Siedlungstätigkeit hat dieses Gebiet nur partiell verändert, so dass die metallzeitliche Siedlungs- und Landschaftsstruktur (Gewässer - Siedlungskammer - Gräberfeld) großräumig noch erkennbar und erlebbar ist.
Die Sander und Dünen weisen z.T. ein erhebliches Plaggeneschvorkommen auf, das im Mittelalter bzw. in der frühen Neuzeit entstand. Die archäologischen Fundstellen sind dadurch großflächig gut konserviert im Boden erhalten.Dazu waren die Waldgebiete entlang der deutsch-niederländischen Grenze militärisch (Sperrgebiete) genutzt und unterlagen in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg keinen größeren Veränderungen durch Ausweisung von Baugebieten. Sie sind heute partiell durch die geplante Verlagerung von Kies- und Sandgruben in das Hinterland bedroht. Dieses exemplarisch ausgewählte Gebiet ist daher für den Niederrhein von überregionaler Bedeutung, weil sich hier verschiedene Kulturlandschaften mit guten Erhaltungsbedingungen und einem reichen Fundaufkommen finden.
Mit der Ausbildung der Grafschaft und dem späteren Herzogtum Kleve entwickelte sich auch das Deichschausystem in der Mitte des 14. Jahrhunderts. Erste Deiche entstanden um die Siedlungen auf den hochwasserfreien Uferwällen bereits vor 1300. Hinzu kamen Quer- und Sommerdeiche. Die Errichtung der Deiche erfolgte zumeist entlang der Rheinstromrinne und der Altrheinarme. Bis in das 20. Jahrhundert wurde trotz mehrfacher Erhöhung und Erneuerung die alte Linie weitgehend beibehalten. Die beiden Rheininseln Grietherbusch und Grietherort sind aufgrund der Rheinlaufveränderungen entstanden.
Der Kulturlandschaftsbereich ist somit in seiner Struktur datierbar und repräsentativ für die Wechselwirkung von Rheinstromverlagerungen und menschlichen Anpassungen.
Mit dem Landesausbau der Klever Grafen erfolgte die Anlage von Landwehren. Im Bereich Millingen waren es vor allem die vorgeschichtlichen Altrheinarme und Senken, die zur Anlage der Landwehrgräben genutzt wurden (Millinger Landwehr, Hurler Landwehr). Nach Osten zu, im Gebiet der Gemeinde Hamminkeln, verläuft die Klevische Landwehr in mehreren, teilweise kilometerlangen Abschnitten. Sie sind Zeugnis eines Siedlungsanspruches gegen den Hintergrund herrschaftlicher Territorialansprüche des späten Mittelalters.
Nordwestlich von Hamminkeln erstreckt sich entlang der Issel das Werther Bruch, eines der größeren im 14. Jahrhundert erschlossenen Feuchtgebiete. Bis heute hat sich das Siedlungsbild mit der Reihensiedlung, den Streifenfluren und Entwässerungsgräben erhalten. Ebenfalls in den Kontext des Landesausbaues und der Bruchkolonisation gehören Burg und Siedlung Ringenberg mit dem umgebenden Bruchgebiet. Rees ist die erste mittelalterliche Stadtgründung am unteren Niederrhein.
Die Dingdener Heide ist eine alte Kulturlandschaft, die durch Jahrhunderte lange, traditionelle bäuerliche Landnutzung entstanden ist. In dem Projekt „Dingdener Heide - Geschichte einer Kulturlandschaft“ wird gezeigt, wie die Landschaft sich unter dem Einfluss des Menschen entwickelt und verändert hat. Materielle Zeugnisse der Landschaftsgeschichte sind Eschäcker, Heidereste, Landwehren und Hofwüstungen. Die wichtigsten Zeitabschnitte der letzten 650 Jahre Landschaftsgeschichte sollen rekonstruiert werden, so als wäre die Zeit vor 50, 200 oder 600 Jahren stehen geblieben. Bei einem Rundgang kann man erleben, wie die Landschaft zu den verschiedenen Zeitpunkten ausgesehen hat. Die Dingdener Heide ist als Beispielraum für die Kulturlandschaftsnutzung über verschiedene Zeitschichten zu erhalten und weiterzuentwickeln.
Spezifische Ziele und Leitbilder:
- Erhalt des typischen Kleinreliefs mit Altwasserrinnen und Wurten;
- Bewahrung der historischen Flurmuster;
- Erhalt der Deiche und Landwehren als strukturelle Elemente;
- Bewahrung der archäologischen Substanz;
- Extensive Landnutzung;
- Erhalt der Plaggenesche;
- Erhalt der Feuchtböden als Bodenarchiv;
- Keine weiteren Siedlungsflächenausweisungen und Ausweisungen von Rohstoffgewinnungsflächen.
Aus: Landschaftsverband Westfalen-Lippe und Landschaftsverband Rheinland (Hrsg.): Kulturlandschaftlicher Fachbeitrag zur Landesplanung in Nordrhein-Westfalen. Münster, Köln. 2007
Internet
Kulturlandschaften in NRW (Abgerufen: 03.04.2018)