Haus Orr und seine Wirtschaftshöfe Im Norden befindet sich ein Ensemble aus Haus Orr, dem Kriegshof (Gut Orr) und dem Heinenhof. Die Bausubstanz der Höfe ist aus dem späten 19. Jahrhundert (Inschrift Heinenhof „1872“), allerdings gehen sie auf ältere Ursprünge zurück (vgl. die Tranchot-Karte). Haus Orr ist ein ehemaliges Rittergut. Diesen Status erhielt es, weil der Eigentümer so vermögend war, dass er 1842 in den preußischen Landtag gewählt werden konnte. Das Herrenhaus ist ein repräsentativer, blockartiger und zweigeschossiger Backsteinbau mit aufgesetztem Zinnenkranz, der insgesamt an eine Burg erinnert. Die Ecken sind turmartig betont. Sehr wahrscheinlich war der spätere Kölner Dombaumeister Ernst Friedrich Zwirner (1802-1861) der Architekt, weshalb auch die Bezeichnung „Zwirnersche Villa“ existiert. Anklänge an gotische Häuser in Köln, in England und an die Bauten Karl-Friedrich Schinkels sind erkennbar. Bauherr war der Bankier Peter Daniel Koch (Kretzschmar 1991; Westphal 2013). Das Herrenhaus ist in einen Park eingebettet, dessen zentrale Achse durch einen heute verlandeten Teich in einer Senke im Westen des Hauses (Seggenbewuchs) gebildet wird. Dieser Teich war das zentrale Element des ehemaligen Landschaftsgartens. Noch heute prägen alte Ahorn und Eschenbäume den ansonsten verwilderten Garten. Der Garten entstand zunächst durch Umwandlung vorhandener Nutzgärten in einen kleinen Park, der sich bis zu einem östlich tiefer gelegenen Weiher mit Inseln erstreckte. Der weitere Ausbau erfolgte nach dem Erwerb des Hauses durch den Elberfelder Bankier Wilhelm Pagenstecher zwischen 1887 und 1893. Im Zuge dieses Ausbaus wurde die größere der beiden Inseln mit dem Festland verbunden. Untersuchungen haben ergeben, dass es sich bei der Insel um eine frühe Burgstelle handelt (Kretzschmar 1991, S. 71).
Der ehemalige Teich geht über in die Kleine Laache, die durch eutrophe Brennesselbestände geprägt ist und anschließend in die Große Laache, in der der Pulheimer Bach versickert, der weiter im Westen im Bereich der Glessener Höhe entspringt. Die „Laache“ ist ein Altarm des Rheins, der noch heute grundwasserabhängig unterschiedliche Wasserhöhen aufweist. Landschaftsbestimmend sind das Relief von Nieder- und Mittelterrasse sowie Auenvegetation und die entsprechende Fauna. Der Wirtschaftshof von Haus Orr war der gegenüberliegende Kriegshof. Er ist mit seiner zur Orrerstraße gerichteten Fassadenfront dominant und stark landschaftsbestimmend. Der Beyershof befand sich direkt östlich von Haus Orr an der Straße nach Auweiler. In den 1960er Jahren wurde der Hof abgerissen, verblieben ist eine aus Ziegelsteinen gemauerte Scheune, deren Datumsinschrift 1912 lautet. Die zum Beyershof gehörenden Ländereien werden wie auch die des Kriegshofs heute durch den Heinenhof bewirtschaftet. Zu Haus Orr gehörten ferner noch die Pletschmühle, der Altenhof (heute Wüstung) und der Stöckheimerhof.
Bis auf die Begradigung der Orrerstraße und den Abriss des Beyershofs ist in diesem Bereich die historische kulturlandschaftliche Situation noch erhalten. Hinzugekommene neue Gebäude im Bereich des Heinenhofs beeinträchtigen diese Situation nicht. Weiterhin ist die Lage in der Feldflur gegeben. Das ehemalige Gartenland wird heute als Weide genutzt und ist umgeben von alten Bäumen und Hecken (westlich anschließend an den Kriegshof eine Weide mit Altholzbestand insbesondere Eichen, Eschen, höhlenreich; Obstbäume, auch östlich anschließend eine Weide mit Altbäumen und Hecken).
Der Orrer Wald Die Ausdehnung des Orrer Waldes hat seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts stetig zugenommen. Zu der Zeit bestand er nur aus einer kleinen Waldzelle südöstlich des späteren Hauses Orr. In der preußischen Neuaufnahme ist die heutige Waldausdehnung erreicht, hatte aber zwischenzeitlich eine größere Ausdehnung. Noch Mitte des 19. Jahrhunderts (Preußische Uraufnahme) erstreckte sich der Wald auch westlich und südwestlich des Gut Baadenberg. Der heutige Wald ist artenreich, v.a. standortgerechter Laubwald mit hohem Alt- und Totholzanteil. Diese Flächen werden seit Ende des 19. Jahrhunderts (vgl. Preußische Neuaufnahme) landwirtschaftlich genutzt.
Kulturhistorische Bedeutung Der Kulturlandschaftsbereich ist in großen Teilen kartennachweislich hoch repräsentativ für die kulturlandschaftliche Situation am Beginn des 19. Jahrhunderts (Tranchot-Karte und 1830er Jahre). In Dichte und Ausprägung liegt eine in dem hier intensiv agrarwirtschaftlich genutzten Bereich der nördlichen Kölner Rheinebene selten gewordene und daher historisch wertvolle Kombination von Elementen und Strukturen vor. Die Waldausdehnung entspricht der Situation vom Ende des 19. Jahrhunderts, die auf den Rheinverlauf vor rund 20.000 Jahren zurückgehenden Altgewässer (Laachen) sind persistent. Es besteht eine hohe Erlebbarkeit der Landschaftsentwicklung (Terrassenkanten, Flussmorphologie), die unterstützt wird durch die didaktische Aufbereitung mit den Erzählstationen des Wassererlebnispfades Pulheimer Bach. Die kulturhistorische Tiefe (Burgstelle bei Haus Orr) und die hohen Persistenzen (Struktur, Einzelelemente) gewährleisten eine sehr gute Ablesbarkeit und Erlebbarkeit kulturhistorischer Zusammenhänge. Haus Orr ist repräsentativ für die Tendenz des gehobenen Bürgertums des 19. Jahrhunderts, bislang nur dem Adel vorbehaltene Verhaltensweisen zu kopieren. So zeigten auch sie zunehmend ihren erworbenen Reichtum äußerlich durch den Erwerb ehemaliger Adelssitze oder durch den Neubau von Herrenhäusern. Im vorliegenden Fall wird die ins 13. Jahrhundert zurückreichende Tradition der Orrer Grundherrschaft und des späteren Ritterguts dadurch neu belebt. Haus Orr repräsentiert einen der frühesten neugotischen Profanbauten des Rheinlandes (Kretzschmar 1991, S. 71). Zusammen mit den historischen Hofstellen ist hier ein Ensemble vorhanden, dass die kulturlandschaftliche Situation des 19. Jahrhunderts repräsentiert.
Hinweise Die „Ruine Haus Orr“ und der „Landschaftsgarten Haus Orr“ sind eingetragene Baudenkmale (LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland, Nrn. 19414 und 3353). Das Objekt „Haus Orr“ ist wertgebendes Merkmal des historischen Kulturlandschaftsbereichs „Haus Orr, Esch, Auweiler“ (Kulturlandschaftsbereich Regionalplan Köln 313).
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