Das Bonner Münster, das den Märtyrern Cassius und Florentius geweiht ist, war die Kirche eines ehemaligen Kollegiatstiftes. Seit 1956 trägt das Münster den Ehrentitel einer Basilica minor („kleinere Basilika“). Diese an die vier „großen“ Basilicae maiores in Rom angelehnte Auszeichnung wird seit dem 18. Jahrhundert vom Papst der römisch-katholischen Kirche als besonderer Ehrentitel an bedeutende Kirchengebäude verliehen. Das Bonner Münster sei wegen seiner historischen Vergangenheit, Schönheit und Monumentalität das „wertvollste Denkmal“ in der Stadt, schrieb Papst Pius XII. zur Begründung der Auszeichnung. In Deutschland gibt es 78 Basilicae minores (Stand 2023).
Zur Durchführung umfangreicher Sanierungsarbeiten wurde die Kirche im Juli 2017 „für mindestens zwei Jahre“ geschlossen. Die Kosten wurden mit rund 22,2 Millionen Euro veranschlagt, deren Großteil das Erzbistum Köln trägt. Der sanierte Kreuzgang wurde an Fronleichnam 2021 wiedereröffnet, die Krypta und der Innenraum der Basilika am 31. Oktober 2021.
Baugeschichte Ein Grabhaus (Cella memoriae) aus der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts bildete die Keimzelle für den Kirchenbau. Es ist ungewiss, ob für diese Zeit bereits von einem christlichen Kultbau gesprochen werden kann. Aus der merowingischen Epoche stammt ein Saalbau, der aufgrund von Kreuzen, die in den Estrich eingelassen sind, eindeutig als christliche Kirche angesprochen werden kann. Seine Errichtung fällt in die Zeit um 550 n. Chr.
Der älteste Bauteil des heutigen, weitgehend spätromanischen Münsters ist eine dreischiffige Hallenkrypta, die vor der Mitte des 12. Jahrhunderts vollendet gewesen sein muss. Über ihr erhebt sich ein Langchor, der von einer für den Kölner Raum charakteristischen Etagenapsis abgeschlossen wird. Seine Weihe erfolgte 1153. Im Anschluss entstand der Vierungsbereich mit seinem steilen achteckigen Turm. Die seitlichen Konchen sind wohl um 1220 entstanden. Jüngster Bauteil ist das prächtige Langhaus, das einen salischen Vorgängerbau ersetzt. Seine Errichtung dürfte in den 1230er Jahren erfolgt sein.
Baubeschreibung Das Münster verkörpert in seinem Typus eine dreischiffige Basilika mit einer vollständigen Einwölbung, einem einschiffigem, apsidial geschlossenem Langchor, der von Chortürmchen flankiert ist, Querarmen, die von polygonalen Konchen geschlossen werden, und einem achteckigen, steil aufragenden Vierungsturm, der in seiner Höhentwicklung den kurz zuvor entstandenen Vierungsturm von Sankt Andreas in Köln weiterführt.
Die Ostapsis weist die für die Kölner Hoch- und Spätromanik charakteristische Gliederung eines zweigeschossigen Etagenchores mit Blendbögen, Zwerchgalerie und Plattenfries auf. Auch die jüngeren, polygonal geschlossenen Seitenkonchen behalten den klassischen Abschluss mit Zwerchgalerie und Plattenfries bei, doch lassen Einzelformen wie auch die größere Öffnung des Mauerwerks in Fensterflächen bereits Einflüsse der nordfranzösischen Kathedralgotik erkennen. Letzteres trifft in einem weitaus stärkeren Maße für das prächtige Langhaus zu. Mit seinen weiten Arkadenbögen, einem durchlaufenden Triforium und den von schlanken Säulchen getragenen Dreibogenstaffeln des Obergadens beweist das Langhaus, dass der Baumeister die gotischen Kathedralen Frankreichs und Englands sehr genau studiert hat. Nach dem Urteil des deutschen Kunsthistorikers Dethard von Winterfeld gehört es „zu den leichtesten und ausgewogensten Räumen der niederrheinischen Baukunst”. Die zu einer engen Altstadtgasse weisende Westfassade ist hingegen sehr schlicht gestaltet und übt keine repräsentative Wirkung aus.
Ausstattung Die Ausstattung des Münsters entstand zwischen dem ausgehenden 16. und dem 20. Jahrhundert, während von dem alten Kircheninventar nach zweimaliger Plünderung im Truchsessischen Krieg 1583 und 1587 sowie einem Großbrand 1590 mit Ausnahme der spätgotischen Grabmäler für die Erzbischöfe Engelbert II. (1220-1274, Erzbischof 1261-1274) im Westchor und Ruprecht von der Pfalz (1427-1480, Erzbischof 1463-1480) in der Nordkonche wenig erhalten ist. Mehrere, teilweise großformatige Altäre des 17. und 18. Jahrhunderts am Choraufgang, in den Querkonchen, an den Vierungspfeilern sowie in den Seitenschiffen prägen den Innenraum. Schon beim Hineingehen fällt im westlichen Joch des Mittelschiffes das qualitätsvollste Kunstwerk dieser Epoche auf, eine überlebensgroße Bronzefigur der heiligen Helena, die um 1630 geschaffen wurde. In dramatisch bewegter Haltung ist die Heilige, der die Gründung des Bonner Kollegiatstiftes zugeschrieben wurde, bei der Auffindung des heiligen Kreuzes dargestellt. Stifter des ursprünglich für das Grabmal des Kölner Erzbischofs Siegfried von Westerburg (1260-1297, Erzbischof 1275-1297) vorgesehenen Kunstwerkes war der Stiftspropst und Archidiakon Franz Wilhelm von Wartenberg (1593-1661). Aufgrund der hohen Qualität wurde das Werk lange Zeit dem Bildhauer Georg Petel (~1601/02-1634) zugeschrieben; heute wird indes der Kölner Bildhauer Jeremias Geißelbrunn (1595-1660) als Künstler angenommen. Im Hauptchor steht ein neoromanischer Hochaltar, der 1863 nach einem Entwurf des Architekten und Kölner Privatbaumeisters Heinrich Johann Wiethase (1833-1893) entstanden ist.
Stiftsgebäude Von dem Kollegiatstift haben sich drei Flügel des zweigeschossigen Kreuzgangs, den Propst Gerhard von Are (um 1100-1169) ab 1140 an der Südseite der Kirche errichten ließ, mit Resten der Stiftsgebäude erhalten. Während Ost- und Westflügel des Kreuzgangs noch eine Tonnenwölbung aufweisen und von gedrungenen Bogenstellungen geprägt sind, weist der reifere Südfügel bereits ein Kreuzrippengewölbe auf, das von reich gegliederten Arkaturen getragen wird. An den Ostflügel grenzt der Kapitelsaal an, eine zweischiffige Halle mit Kreuzgratgewölben über zwei freistehenden Säulen und einer zweigeschossig gegliederten, nach Osten weisenden Apsis. Reste der Stiftsgebäude wurden nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg in das bis 1955 neuerrichtete Pfarrhaus einbezogen, während der nahezu gänzlich zerstörte Westflügel dem neuen Pfarrsaal der Münstergemeinde weichen musste.
Pilgerspuren Das Bonner Münster ist Verehrungsstätte der römischen Märtyrer Cassius und Florentius, die seit der Zeit um 1000 mit dem heiligen Victor in Xanten und dem heiligen Gereon in Köln den christlichen Soldaten der thebäischen Legion zugerechnet werden. Als Gräber der beiden Märtyrer wurden einige Sandsteinsarkophage in Anspruch genommen, die in einer Gruft unter der heutigen Hallenkrypta zugänglich sind. Der Fundzusammenhang lässt jedoch erkennen, dass sich die Sarkophage nicht vor das 6. Jahrhundert datieren lassen. Die beiden Märtyrer Cassius und Florentius wurden erstmals 691 oder 692 als namensgebend für die Kanonikergemeinschaft genannt. Erst zu dieser Zeit ist eine liturgische Märtyrerverehrung in Bonn greifbar.
Seit etwa 1200 wurde die Gründung der Thebäerstifte in Bonn, Köln (St. Gereon) und Xanten (St. Viktor) der römischen Kaiserin und heiligen Helena (~250-~328, Mutter Kaiser Konstantins I.) zugeschrieben. Helena genoss daher im Bonner Kollegiatstift eine besondere Verehrung. Bis zur Plünderung des Münsters im Jahre 1583 wurde hier eine Reliquie der Heiligen aufbewahrt und verehrt. Im Mai 2012 erhielt das Münster eine neue Helenareliquie, ein etwa fingernagelgroßes Knochenpartikel, dass aus dem Reliquienbesitz des Trierer Domes stammt und vom Trierer Bischof Stefan Ackermann der Münstergemeinde übergeben wurde. In der Südkonche des Münsters ruhen in einem Holzschrein die Gebeine des seligen Heinrich von Bonn. Der Kreuzfahrer war 1147 in Portugal bei Kämpfen gegen die Mauren ums Leben gekommen. Es ist wahrscheinlich, dass Heinrich auf seiner Reise das Grab des heiligen Jakobus in Santiago de Compostela aufgesucht hat. Nach seinem Tod wurde er als Märtyrer verehrt und in einer kleinen Kapelle in Lissabon beigesetzt. 1967 übergab der Erzbischof von Lissabon die Gebeine dem Bonner Münster. In der südöstlichen Ecke des Münsters zwischen Chor und Querschiff gab es eine bereits 1327 erwähnte Kapelle mit einem dem Apostel Jakobus dem Älteren geweihten Altar.
(Christoph Kühn, im Auftrag des LVR-Fachbereichs Umwelt, 2012 / Ergänzungen Franz-Josef Knöchel, Digitales Kulturerbe LVR, 2018/2023)
Jakobswege. Wege der Jakobspilger im Rheinland. Band 2: In 13 Etappen von Köln und Bonn über Trier nach Perl/Schengen am Dreiländereck von Deutschland, Luxemburg und Frankreich. Köln (3. Auflage).
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