Patrozinium: Viktor. Orden: Kollegiatstift (Männerkloster). Geschichte (Gründung und Entwicklung bis um 1200): Auf dem römischen Coemeterium zwischen „Castra Vetera“ und „Colonia Traiana“ fand sich als Ergebnis von Ausgrabungen über dem Grab wohl von zwei Märtyrern eine hölzerne „cella memoriae“ des ausgehenden 4. Jahrhundert, ersetzt im 5. Jahrhundert durch eine steinere „cella memoriae“. Der Name Viktor findet sich zu Ende des 6. Jahrhunderts durch Gregor von Tours erstmals genannt. Um die Jahrtausendwende zählte dieser Heilige zusammen mit Gereon (Köln) sowie Cassius und Florentius (Bonn) zu den angeblich 330 Märtyrern der Thebaischen Legion, die 752 bis 768 aufgefunden worden sein sollen. Der über dem Grab nach der Mitte des 8. Jahrhunderts errichteten Kirche scheint eine Klerikergemeinschaft zugeordnet gewesen zu sein. Die Erwähnung des Ortes „qui vocatur Sanctos super Renum“ (vielleicht 838/43) und der „ecclesia sancti Victoris mirifico opere constructa“ sowie eines „praepositus fratrum“ (beides von 863) legt nahe, an die Existenz eines Stiftes nach der Aachener Kanonikerregel um die Mitte des 9. Jahrhunderts zu denken. 866 wurde Xanten unter den Kirchen des Kölner Erzbistums genannt.
Die nach dem Normannensturm (863) im 10. Jahrhundert wieder errichtete Kirche brannte 1081 und 1109 ab, weswegen auf urkundliche Nachrichten nicht zurückgegriffen werden kann. Dennoch ist für das Stift während des 10. und 11. Jahrhunderts eine Blütezeit anzunehmen. Im 10. Jahrhundert erhielt das Stift einen eigenen Immunitätsbezirk, getrennt von den bischöflichen Bauten, und ansehnliche Schenkungen vom Kölner Erzbischof Brun und Luitgard, der eine Bruder und die andere Tochter Ottos des Großen, sowie von Imeza, einer Vertrauten der Kaiserin Theophanu, und dem Grafen Wichmann von Hamaland. Der Grundbesitz des Stiftes war beträchtlich. Zugleich war der Propst der Archidiakon des nördlichen Teils der Erzdiözese. Dem Stift oblag die Ausbildung des Weltklerus; darüber hinaus war es in der Frühzeit ein Stützpunkt der Friesen- und Sachsenmission. Von daher verstehen sich seine engen Beziehungen zum Utrechter Bischofssitz, die um die Jahrtausendwende in eine Rivalität umschlugen und als solche infolge von Grenzstreitigkeiten bis ins 13. Jahrhundert andauerten. Das von Nimwegen bis Krefeld reichende Archidiakonat war in fünf Dekanate aufgeteilt und umfaßte um 900 40, um 1100 fast 80, um 1300 135 und um 1500 143 Pfarreien bzw. Kirchen. Nicht nur als Sitz des Archidiakons war das Stift unmittelbar vom Kölner Erzbischof abhängig. Diesem stand in Xanten eine Stiftspfründe zu, und er ernannte auch den aus dem Adelsstand kommenden Propst. Dieser wiederum erscheint zuweilen als Kandidat für ein Bischofsamt und gleichzeitig auch als Vorsteher eines stadtkölnischen Stiftes, so im 12. Jahrhundert von St. Gereon und St. Severin. Im 11. und 12. Jahrhundert gehörte er dem Kölner Priorenkolleg an, und zwar in diesem Gremium nach dem Dompropst dem Rang nach vor den Pröpsten von St. Gereon und Bonn. 1149 konnte das Xantener Kapitel das Recht der Propstwahl durchsetzen, mußte aber im 15. Jahrhundert zusichern, stets nur einen Kölner Domkapitular in dieses Amt zu wählen, was Papst Alexander V. 1409 billigte.
Bis ins Spätmittelalter zählte das Stift 46 Kanonikatspfründen. Der bekannteste Kanoniker war der hl. Norbert, der zu Anfang des 12. Jahrhunderts das Stift verließ, weil es die Augustinusregel nicht akzeptieren wollte, und nach mehrjähriger Wanderpredigertätigkeit zum Gründer des Prämonstratenserordens wurde. Die in die Diskussion geratene Frage der Disziplin in Xanten mündete in eine Auflösung der „vita communis“ ein; aus dem Kollegiatstift wurde ein Säkularstift mit eigenem Hausstand für den Konventualen; die Stiftskirche übernahm die zusätzliche Funktion einer Pfarrkirche. Es waren nicht nur eigensüchtige Gründe, sondern auch zunehmende Verpflichtungen des Archidiakons dafür verantwortlich, dass der Propst seiner Residenzpflicht nur noch sporadisch nachkommen konnte, weswegen der Stiftsdekan seit 1241 die Leitung des Konventes übernahm. Seit 1122 sind die Grafen von Kleve als Vögte von Xanten nachweisbar (Engels 2006).
1802 aufgelöst (Bönnen / Hirschmann 2006).
Seit dem Jahr 1937 trägt Sankt Viktor den Ehrentitel einer Basilica minor („kleinere Basilika“). Diese an die vier „großen“ Basilicae maiores in Rom angelehnte Auszeichnung wird seit dem 18. Jahrhundert vom Papst der römisch-katholischen Kirche als besonderer Ehrentitel an bedeutende Kirchengebäude verliehen. In Deutschland gibt es 78 Basilicae minores (Stand 2023). Obwohl sie nie Bischofskirche war, wird die heutige katholische Pfarr- und ehemalige Stiftskirche St. Viktor wegen ihrer Bedeutung und Größe auch gerne als „Xantener Dom“ bezeichnet.
(LVR-Redaktion KuLaDig, 2011/2023)
Der Dom als Lebensraum für Tiere und Pflanzen Wie ein Fels ragt der Dom aus der Umgebung auf und wirkt wie ein Magnet auf vorbeiziehende Vögel. Und tatsächlich, es sind vor allem ursprüngliche Gebirgsbrüter, die sich am Dom niedergelassen haben. Ob Uhu, Hausrotschwanz, Dohle oder Straßentauben (deren Ahnen, die Felsentauben tragen einen sehr passenden Namen), sie alle kommen ursprünglich aus den Gebirgslandschaften Europas. Auch Fledermäuse, die am Dom in beachtlicher Artenzahl anzutreffen sind, stammen ursprünglich zumindest teilweise aus Gebirgen. Höhere Pflanzen sucht man am und auf dem Dom nahezu vergebens, denn ihr Wurzelwerk könnte Mauern und Fugen zusetzen, sodass sie schnell entfernt werden. Tausende Flechten mehrerer Arten finden sich hingegen fast überall auf etwas älterem Stein und verleihen dem Bauwerk den ein oder anderen Farbklecks. Eine Liste aller vorgefundenen Arten befindet sich als pdf-Datei in der Medienleiste.
(Biologische Station im Kreis Wesel e.V., 2022. Erstellt im Rahmen des Projektes „KuLaDig-Natur“. Ein Projekt im Rahmen des LVR-Netzwerks Kulturlandschaft.)
Klöster und Stifte von um 1200 bis zur Reformation. (Geschichtlicher Atlas der Rheinlande, IX.3.) Bonn.
Engels, Odilo (2006)
Klöster und Stifte von der Merowingerzeit bis um 1200. (Geschichtlicher Atlas der Rheinlande, IX.2.) Bonn.
Otten, Thomas (2003)
Die Ausgrabungen unter St. Viktor zu Xanten: Dom und Immunität. (Rheinische Ausgrabungen, 53 (teilw. zugl. Dissertation Universität München 1999).) Mainz.
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