Das Baudenkmal Bahnhof Belvedere im Kölner Stadtteil Müngersdorf ist das älteste noch erhaltene Stationsgebäude Deutschlands. 1839 wurde es von der Rheinischen Eisenbahn-Gesellschaft im Rahmen der ersten internationalen Eisenbahnstrecke („Eiserner Rhein“) von Köln nach Antwerpen erbaut.
Bahnhofsgebäude An der Belvederestraße gelegen, zwischen Gerhard-Marcks-Weg im Norden und Eisenbahntrasse im Süden, befindet sich das ehemalige Empfangsgebäude des Bahnhofes Müngersdorf: ein eierschalenfarbener Bau mit einem von Voluten getragenen Balkon zur Straßenseite, großen Fenstern und einem westlich angrenzenden Park, dessen Architektur an zeitgenössische Landhäuser erinnert. Der Entwurf stammt vom damaligen Oberingenieur der Gesellschaft, August Eduard Pickel, einem Absolventen der von Karl-Friedrich Schinkel (1781-1841) geleiteten Berliner Bauakademie. Der dazugehörige kleine Park ist eine Gestaltung des ersten Kölner Gartendirektors Jakob Greiß (1800-1853), der zu der nach dem Landschaftsarchitekten und Gartenkünstler Peter Joseph Lenné (1789-1866) benannten Lenné-Schule gehört.
Hintergründe Im Jahr 1829 wird in Lüttich die Idee zu einer Eisenbahnlinie Antwerpen-Lüttich-Köln entwickelt. Diese Verbindung ist 1831 wichtiger Teil eines nationalen Bahnnetzes für das unabhängig gewordene Belgien. Dafür verhandeln belgische Ingenieure und hohe Staatsbeamte in Aachen und Köln. In dortigen Wirtschaftskreisen besteht gleichfalls ein fundamentales Interesse an diesem Schienenweg. Auf ihm können unter Umgehung der restriktiven holländischen Rheinzölle Güter transportiert werden. 1833 gründet sich zwecks Realisierung der Verbindung ein Komitee in Köln, dessen treibende Kraft der Großkaufmann Ludolf Camphausen (1803-1890) ist. Er verfasst die Schrift „Zur Eisenbahn von Köln nach Antwerpen“ (1833 und 1835) und nennt die Strecke „Eiserner Rhein“. Der „Eiserne Rhein“ beginnt in Köln und führt über Düren, Aachen und Lüttich nach Antwerpen. Am 2. August 1839 werden der Bahnhof Belvedere und das erste fertiggestellte preußische Teilstück der Strecke feierlich eingeweiht. Der Name Belvedere bedeutet so viel wie „schöne Aussicht“ (aus dem italienischen von bel / bello für „schön“ und vedere für „sehen“) und geht hier auf den freien Blick zurück, den der Besucher des Bahnhofs von dort aus auf die Stadt Köln und die Landmarken ihres Umlandes, wie beispielsweise die Abtei Brauweiler, hat. Genau 6,7 Kilometer misst die Strecke zwischen Müngersdorf und dem am damaligen Sicherheitshafen außerhalb der Kölner Gemarkung gelegenen Bahnhof „Am Thürmchen“ (heute Ecke Theodor-Heuss-Ring / An der Münze, vgl. Karte der Preußischen Uraufnahme von 1836-50). Die Eisenbahnverbindung erleichterte es vielen Kölner*innen am Wochenende, einen Ausflug ins Grüne zu unternehmen. Mit der Eisenbahn gelangten sie wesentlich schneller und komfortabler nach Müngersdorf als vorher. Im Bahnhofsgebäude befand sich ein Restaurant für die Ausflugsgäste. Nach Vervollständigung der Gesamtstrecke verlor der Bahnhof zunehmend an Bedeutung und wurde noch im 19. Jahrhundert stillgelegt. Nach der Aufgabe des Bahnhofs ging die Anlage 1888 bei der Eingemeindung von Müngersdorf nach Köln in städtischen Besitz über.
Kulturlandschafliche Bedeutung Aus kulturlandschaftlicher Sicht ist das Empfangsgebäude des Bahnhof Belvedere von großer Bedeutung, da es als letzter noch erhaltener Bestandteil des „Eisernen Rheins“ auf deutschem Gebiet viel über die Arbeits- und Lebensweise zu Anfang und Mitte des 19. Jahrhunderts aussagt. Die Konzeption eines Bahnhofsgebäudes war eine neuartige architektonische Herausforderung für die bis dahin keinerlei Notwendigkeit bestanden hatte. Erst im Laufe der Zeit entwickelt sich ein eigener Bautyp entsprechend den Nutzungsanforderungen an das Gebäude. Die Anlagen der ersten Jahre eines neuen Typs mussten sich aufgrund mangelnder Erfahrung in der Regel an bereits bestehenden Bautypen orientieren. Das waren als „Quellarchitektur“ die Posthaltereien. Die Gesamtstrecke zwischen Köln und Antwerpen entsprang in erster Linie wirtschaftlichen Beweggründen, die mit ihr zusammenhängende Infrastruktur hätte also durchaus von rein funktionalem Charakter sein können. Die Teilabschnitte, insbesondere der als Erster fertiggestellte Abschnitt von Köln nach Müngersdorf hingegen, von der Eisenbahngesellschaft vor allem für Test- und Werbezwecke vorgesehen, animierte viele Stadtbewohner Kölns zu Wochenendausflügen ins Grüne. Daher überrascht es nicht, dass für das Bahnhofsgebäude ein typisches Landhaus als Vorbild herangezogen wurde, mit Balkon in der ersten Etage, rückwärtiger Terrasse und einer angegliederten Parkanlage. Das Haus musste nicht, wie die Bahnhöfe von heute, große Mengen von Berufspendlern bewältigen, sondern sollte in erster Linie ansprechend aussehen und eine Aura von Sommer-Landpartie ausstrahlen. Sogar bei der Positionierung des Gebäudes wurde die Frage der Funktionalität hinten angestellt. Das Gebäude steht nicht parallel zu den Gleisen, sondern im rechten Winkel zu ihnen, da es mit seiner Front auf den Blick nach Köln ausgerichtet ist.
Heute Als das Ensemble baufällig war, versuchte die Stadt zunächst vergeblich, es zu verkaufen. Ende 2010 gründete sich der Förderkreis Bahnhof Belvedere e.V. mit dem Ziel, den Bahnhof zu renovieren und der Öffentlichkeit als Ort für Kultur, Bildung, Teilhabe und Feste zugänglich zu machen. Bestandteil des neuen Nutzungskonzeptes ist auch eine Ausstellung zur Geschichte des Gebäudes und des „Eisernen Rheins“. 2013 begannen die Sanierungsarbeiten, die u.a. durch Fördermittel aus den Denkmalpflege-Sonderprogrammen des Bundes, den Denkmalförderungen des Landes NRW, aus einem Mittel der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und der NRW-Stiftung bezuschusst werden.
Baudenkmal Das Empfangsgebäude im Bahnhof Belvedere ist eingetragenes Baudenkmal (Stadt Köln, UDB-Nr. 268; LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland, Datenbank-Nr. 67219) im Range eines „Denkmals von nationaler Bedeutung“ und steht auf der Bundesdenkmalliste. Es ist außerdem Station der Via Industrialis und in der Europäischen Route der Industriekultur (ERIH) gelistet.
(Hannah Brüggemann, NABU-Naturschutzstation Leverkusen-Köln, 2014; Hinweise und Ergänzungen durch den Vorstand des Förderkreises Bahnhof Belvedere e.V.)
Der Bahnhof Belvedere in Köln-Müngersdorf. Das älteste erhaltene Empfangsgebäude in Deutschland. In: Rheinische Heimatpflege 48, Heft 4, S. 253-262. Köln.
Naumann, Ulrich (2015)
„Aller Anfang ist schwer…“. Vor 175 Jahren begann das Eisenbahnzeitalter in Köln. (Jahrbuch für Eisenbahngeschichte 46, 2014/2015.) Werl. Online verfügbar: https://dgeg.de/657-EG_65, abgerufen am 26.06.2021
Naumann, Ulrich (2014)
Mit »Atlas« und »Pluto« nach Müngersdorf. In Köln wurden am 2. August 1839 die ersten 6,7 km Eisenbahn feierlich eröffnet. (Eisenbahn Geschichte 65.) S. 44-53. o. O. Online verfügbar: Eisenbahn Geschichte 65, 2014, abgerufen am 12.03.2019
Nußbaum, Norbert (2014)
„Ein kleines, aber prächtiges Stationsgebäude“. In: BlickPunkt Müngersdorf, Nr. 23 (Winter 2013/14), o. O.
Rossner, Christiane (2015)
Eine Frage der Wahrnehmung. Der historische Bahnhof Belvedere in Köln-Müngersdorf wurde zu einem Projekt der LVR-Anna-Freud-Schule. In: Monumente, Magazin für Denkmalkultur in Deutschland 4/2015, S. 58-61. o. O. Online verfügbar: http://www.monumente-online.de/15/04/sonderthema/Bahnhof_Belvedere.php, abgerufen am 11.08.2015
(2011)
Zur Geschichte des Bahnhofs Belvedere. (BlickPunkt Müngersdorf, Sonderdruck 2011.) o. O.
(o.J.)
Bahnhof Belvedere - Ein Baudenkmal für Kultur, Bildung und Feste. Köln.
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