Zu den zahlreichen Bauwerken des Architekten Gottfried Böhm (1920-2021) im Rheinland zählte auch der Gemeindesaal und Kindergarten Sankt Hermann Josef in Köln-Riehl, der im Jahr 2007 abgebrochen wurde. Ikonen unter den Werken Böhms sind etwa die Wallfahrtskirche Sankt Maria Königin des Friedens in Neviges, das Bürgerhaus in Bergisch-Gladbach, das Kinder- und Jugenddorf Bethanien in Refrath, das Rathaus in Bensberg und die Wohnsiedlung Seeberg-Nord. Böhms Vater, der ebenfalls bedeutende Architekt Dominikus Böhm (1880-1955), hatte bereits 1932 die nahegelegene Kirche Sankt Engelbert in der Garthestraße gebaut. Sohn Gottfried gestaltete sie in den 1950er Jahren um.
Nach Plänen Gottfried Böhms und seines Büros wurde der Riehler Kindergarten und Gemeindesaal Sankt Hermann Josef in den Jahren 1967 bis 1972 an der Leidener Straße errichtet. Zeitzeugen berichten von Böhms Kommunikationsbereitschaft und Ideenreichtum, als sein Entwurf im Stadtteil diskutiert wurde. Das Gebäude wies die klassischen Merkmale der Zeit des Brutalismus auf: Böhm verwendete geometrische Grundformen, die Fassaden bestanden aus rau belassenem, brettgeschaltem Sichtbeton. Grüne Akzente wurden an Stürzen, Fensterlaibungen und dem oberen Wandabschluss gesetzt. Im Obergeschoss über dem Kindergarten war ein Versammlungsraum für die Gemeinde.
Der Kindergarten wurde am 1. Oktober 1974 eröffnet. Schon 1975 taucht das Gebäude als „Aapeinsel“ (kölsch für Affeninsel) auf dem Karnevalsorden der nahegelegenen Engelbertgemeinde auf.
Der Riehler Stadtteilhistoriker Joachim Brokmeier lobt, dass das Gebäude mit „seiner eigenwilligen Fassade aus Beton mit seinen Farbabsetzungen einen interessanten Kontrast zu den rein funktionalen Wohnbauten der Tiergartensiedlung“ bilde. Der Kölner Stadtanzeiger nannte es auch „Ein architektonischer Lichtfleck“. Die Architektin Anne-Julchen Bernhardt, Köln, erinnert sich an den Geruch frischen Betons, als sie 1975 in die Kita kam. Im Gebäudeinneren hatte der Fußboden grasgrüne Noppen, es gab viel Grünes, Gelbes und Rotes dort. Die spätere Erzieherin Cansu Cakar erinnert an den Spielplatz neben dem Kindergarten, der mit dem Abriss im Jahr 2007 ebenfalls beseitigt wurde. Bald nach der Fertigstellung kam aber auch Kritik an dem Gebäude auf. Während die Kinder sich in ihrer „Burg“ wohlfühlten, sprachen Viele von der „Aapeinsel“ oder vom „Blinne-Bunker“, nach dem Pfarrer Gerhard Blinne, der den Bau vorangetrieben hatte.
In den Jahren 2000 bis 2001 wurden erhebliche Bauschäden erkannt. Da eine Sanierung für geschätzt 1 Millionen DM nicht finanziert werden konnte, wurde der Kindergarten geschlossen. Einige Jahre lang fanden dort noch Familienfeiern statt. Das nicht denkmalgeschützte Gebäude wurde am 23. Januar 2007 sehr zügig abgerissen. Gottfried Böhm selbst wurde über den Abriss nicht informiert. Die Tiergartensiedlung verlor einen „bedeutenden architektonischen Blickpunkt“ (Joachim Brokmeier). Auf dem Gelände wurde die Seniorenwohnanlage „Paulinum“ errichtet.
(Stefan Weigang, Garbsen/Hannover, 2024)
Quelle Kölner Stadtanzeiger vom 04.04.1975
Internet www.riehler-geschichten.koeln: Gemeindesaal Hermann-Josef (abgerufen 09.07.2024) de.wikipedia.org: Gottfried Böhm (abgerufen 09.07.2024) de.wikipedia.org: Liste der Bauwerke von Gottfried Böhm (abgerufen 09.07.2024) de.wikipedia.org: St. Engelbert (Köln) (abgerufen 09.07.2024) www.baunetz.de: St. Hermann Joseph: Abriss von Böhm-Kindergarten in Köln (abgerufen 09.07.2024) www.koelnarchitektur.de: Ein Zeuge weniger (Text David Kasparek, 08.02.2007, abgerufen 09.07.2024) unser-quartier.de: Riehler Geschichte: Der Kindergarten im Hermann-Josef-Haus (Text Joachim Brokmeier, 01.10.2017, abgerufen 09.07.2024) www.bauwelt.de: „Regentage sind glückliche Tage“. Gottfried Böhm zum 90. Geburtstag (abgerufen 09.07.2024)
Literatur
Brokmeier, Joachim (2013)
Köln-Riehl, Geschichte(n) aus dem Veedel. (Heimatarchiv.) Erfurt.
Brokmeier, Joachim (2008)
Köln-Riehl, ein Stadtteil mit langer Tradition. (Heimatarchiv.) Erfurt.
Lang, Ute (2013)
Rheinkilometer 690,5. Meine Straße in Köln. Norderstedt.
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