Für die Gestaltung schrieb die Stadt Köln seinerzeit einen Kunstwettbewerb aus - das erste Mal, dass dies für ein dieser Opfergruppe des NS-Regimes gewidmetes Denkmal geschah. Die Jury entschied sich für den Entwurf des Schweizer Grafikdesigners Ruedi Baur (*1956) und seines Teams.
Konzept und Umsetzung
Umgebende Infrastruktur und Aufbau des Denkmals
Widmung
Internet, Literatur
Konzept und Umsetzung
Seit 1996 findet in Köln jedes Jahr am 27. Januar eine Gedenkfeier für die Opfer des NS-Regimes statt, an der Institutionen und Einzelakteure verschiedener politischer Ausrichtungen teilnehmen. Aus dem 2006 gesetzten Fokus auf Kölner Deserteure entstand das Bestreben, dieser bisher wenig beachteten Opfergruppe ein Denkmal zu setzen.
Bei einer durch das NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln organisierten Zusammenkunft, zu der alle an der jährlichen Gedenkfeier beteiligten Einzelpersonen und Institutionen geladen waren, gründete sich die „Projektgruppe Kriegsgegner/innen als Opfer der NS-Militärjustiz in Köln“, die die Umsetzung über die nächsten drei Jahre auf den Weg brachte.
Die PDS (Partei des Demokratischen Sozialismus, Vorgängerin der heutigen Partei Die Linke) stellte am 28. September 2006 einen Antrag im Stadtrat Köln, der von SPD und Grünen unterstützt wurde. Daraufhin fasste der Stadtrat den Beschluss, Deserteuren, „Wehrkraftzersetzern“ und Kriegsdienstverweigerern ein Denkmal zu setzen und stellte dafür 50.000 Euro zur Verfügung. Zusätzlich sollten Spenden gesammelt werden.
Für das neue Denkmal kam an diesem Punkt sowohl eine einfache Tafel oder Stele als auch ein komplexeres Werk in Frage. In Absprache mit betroffenen Personen und Institutionen sollte es in bereits vorhandene Gedenkstrukturen eingebettet werden.
Die weitere Planung und Umsetzung oblag Mitarbeitenden des NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln (NS-DOK), der städtischen Verwaltung sowie der bereits gegründeten Projektgruppe. In ehrenamtlicher Arbeit wurden enorme Mengen an Akten im Bundesarchiv-Militärarchiv Freiburg, in den Archiven der Divisionsgerichte sowie in der sogenannten „Todesurteilskartei“ nach Hinweisen auf desertierte Kölner Soldaten durchsucht. Eine ausführliche Darstellung dieser Arbeiten sowie Einblicke in die Ergebnisse finden sich auf der Webseite des NS-DOK (museenkoeln.de, Todesurteilskartei).
Am 13. November 2008 sprach sich der Stadtrat mehrheitlich für einen Künstlerwettbewerb zur Gestaltung des Denkmals aus. Der Entwurf des Schweizer Grafikdesigners Ruedi Baur und seines Teams überzeugte die Jury am 24. April; am 30. Juni 2009 entsprach der Stadtrat deren Empfehlung. Letztlich stellte die Stadt statt der ursprünglich geplanten 50.000 Euro sogar 80.000 Euro zur Verfügung, sodass für die auf 90.000 Euro veranschlagte Umsetzung „nur“ noch weitere 10.000 Euro über Spenden zusammenzutragen waren.
Anlässlich des 70. Jahrestags des Überfalls der deutschen Wehrmacht auf Polen wurde das Denkmal für die Opfer der NS-Militärjustiz am 1. September 2009 am Appellhofplatz feierlich enthüllt und der Öffentlichkeit übergeben.
Umgebende Infrastruktur und Aufbau des Denkmals
Durch seinen Standort am Appellhofplatz an der Ecke Burgmauer / Neven-Du-Mont-Straße ist das Denkmal auf interessante Weise in die historischen Infrastrukturen und Gedenkstrukturen der Umgebung eingebettet. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite steht das Zeughaus, in dem lange das Stadtmuseum untergebracht war. Unmittelbar hinter dem Denkmal befindet sich mit dem Justizgebäude am Appellhofplatz der aktuelle Sitz des Finanzgerichts und des Verwaltungsgerichts der Stadt Köln. Während der NS-Zeit tagten hier sogenannte Sondergerichte, die vor allem politisch motivierte Todesurteile verhängten. Das ebenfalls in unmittelbarer Nähe liegende EL-DE-Haus, seinerzeit Zentrale der Gestapo, beherbergt heute das NS-DOK der Stadt Köln.
Das Denkmal selbst misst 8 mal 4 Meter und ähnelt in seiner Form einer Pergola: Drei rechteckige, metallene Torbögen tragen eine Inschrift aus bunten Metallbuchstaben, die aufgrund der Konstruktion zu schweben scheint. Betrachtende müssen darunter stehen und den Blick himmelwärts wenden, um sie lesen zu können. Die Inschrift lautet:
Hommage den Soldaten die sich weigerten zu schießen auf die Soldaten die sich weigerten zu schießen auf die Soldaten die sich weigerten zu schießen auf die Menschen die sich weigerten zu töten die Menschen die sich weigerten zu töten die Menschen die sich weigerten zu foltern die Menschen die sich weigerten zu foltern die Menschen die sich weigerten zu denunzieren die Menschen die sich weigerten zu denunzieren die Menschen die sich weigerten zu brutalisieren die Menschen die sich weigerten zu brutalisieren die Menschen die sich weigerten zu diskriminieren die Menschen die sich weigerten zu diskriminieren die Menschen die sich weigerten auszulachen die Menschen die sich weigerten zu diskriminieren den Menschen der Solidarität und Zivilcourage zeigte als die Mehrheit schwieg und folgte…
Am rechten mittleren Pfeiler des Denkmals findet sich ein weiterer Text zu den Hintergründen auf Deutsch, Englisch sowie in Braille-Schrift:
Wir gedenken der Menschen, die sich dem nationalsozialistischen Angriffs- und Vernichtungskrieg verweigert und widersetzt haben. Als Deserteure, „Wehrkraftzersetzer“, Kriegsdienstverweigerer oder „Kriegsdienstverräter“ in der Wehrmacht oder als zivile Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegner scherten sie aus Front und Heimatfront aus. Allein 30.000 Soldaten und Zivilisten wurden von der NS-Militärjustiz zum Tode verurteilt, 20.000 davon hingerichtet. Ihr Mut verdient unseren Respekt.
Köln, 1. September 2009
Entwurf des Denkmals:
Ruedi Baur
Denis Coueignoux
Vera Kockot
Karim Sabano
In memory of those who opposed and resisted the Nazi war of aggression and destruction. They abandoned the battle and home fronts as deserters, military seditionists, conscientious objectors and war traitors within the Wehrmacht or as civilian resisters. 30 000 soldiers and civilians alone were sentenced to death by the Nazi military judiciary. 20 000 of them were executed. Their courage deserves our respect.
Cologne, September 1st 2009
Design by
Ruedi Baur
Denis Coueignoux
Vera Kockot
Karim Sabano
Widmung
Das Denkmal ist Soldaten und Zivilpersonen gewidmet, die sich der Teilhabe am Kriegsgeschehen selbst sowie an der sogenannten Heimatfront verweigerten. Folgendes wird dazu auf der Webseite des NS-DOK erläutert (zitiert nach museenkoeln.de, Denkmal):
„Zwei Aspekte sind uns besonders wichtig.
Erstens: Das Denkmal soll ein Zeichen setzen gegen die Verunglimpfung der Wehrmachtdeserteure, 'Kriegsverräter', Kriegsdienstverweigerer und 'Wehrkraftzersetzer', die nach 1945 als Feiglinge oder Verräter galten. Es soll zum Ausdruck bringen, dass ihr damaliges Handeln gegen den Krieg mutig war, weil sie ein hohes persönliches Risiko eingingen, und dass ihre moralische Entscheidung unseren Respekt verdient. Deshalb steht das Denkmal auch für eine Rehabilitierung und Entschädigung aller Männer und Frauen, die durch die NS-Militärjustiz wegen ihres widerständigen Verhaltens verurteilt wurden.
Zweitens: Der nationalsozialistische Krieg war ein 'totaler Krieg'; er bezog die 'Heimatfront' vollständig in die Kriegführung mit ein. Infolgedessen urteilten auch Zivilgerichte und Sondergerichte gegen Zivilistinnen und Zivilisten nach einem Kriegsstrafrecht, das selbst kleinste Delikte mit der Todesstrafe ahnden konnte. Das Denkmal ist auch den Männern und Frauen gewidmet, die aus der 'Heimatfront' ausscherten, weil sie diesen Krieg ablehnten oder nicht mehr unterstützen wollten, und dadurch Opfer der NS-Unrechtsjustiz wurden.
Wir widmen das Denkmal den Menschen, die sich gegen den verbrecherischen und rassistischen Eroberungskrieg des nationalsozialistischen Staates engagierten. Als zivile Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegner, als Deserteure, 'Wehrkraftzersetzer', Kriegsdienstverweigerer oder 'Kriegsverräter' scherten sie aus Front und Heimatfront aus. Oft mussten sie für ihre Überzeugung mit dem Leben bezahlen. Ihr Mut verdient unseren Respekt.“
(Antonia Frinken, LVR-Abteilung Digitales Kulturerbe, 2024)
Internet
museenkoeln.de: NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln, Denkmal für die Opfer der NS-Militärjustiz (abgerufen 12.06.2024)
museenkoeln.de: NS-DOK, Seite zur Todesurteilskartei (abgerufen 20.06.2024)
de.wikipedia.org: Deserteurdenkmal (Köln) (abgerufen 12.06.2024)