Das Areal der historische Radsportstätte befindet sich heute innerhalb des Reuterparks, der parkähnlichen Anlage mit Sportplätzen zwischen dem Bonner Talweg, der August-Bier-Straße, der Hausdorffstraße und der Reuterstrasse. Aktuell ist das Gelände Teil der großen Außenanlagen des „Haus der Jugend“, einer 1972 begründeten Jugendbegegnungsstätte der Bundesstadt Bonn, und wird von dieser für u.a. Pedal-Gokart fahren, Fußball oder Basketball genutzt (www.hausderjugendbonn.de).
Der Eislauf- und Sportplatz an der Reuterstraße in Kessenich
Der bereits im Jahr 1879 gegründete Bonner Eisclub e.V. nutzte zum Schlittschuhlaufen anfangs den Poppelsdorfer Mühlenweiher und danach einen Teich am Baumschulwäldchen. 1889 erwarb der Verein dann ein fast 30.000 Quadratmeter großes Grundstück an der Ecke der damaligen Schumann- und Reuterstraße in der seinerzeit noch eigenständigen Gemeinde Kessenich (1904 nach Bonn eingemeindet).
Hier baute man einen Sportplatz, der im Winter zum Eislaufen und für Eishockeyspiele genutzt wurde. Laut einem Bericht in der Zeitschrift für Schulgesundheitspflege wurden die Kosten des Grunderwerbs und der Errichtung erster Einrichtungen in Höhe von 60.000 Mark von „Freunden und Förderern der Leibesübungen“ durch den Erwerb von Anteilsscheinen zwischen 1000 und 5000 Mark finanziert (de.wikipedia.org).
Die Eisbahn wurde auch noch während des Ersten Weltkriegs betrieben.
Im Sommer wurden die Flächen für andere Sportarten genutzt, darunter Croquet und Tennis. In den Karten der zwischen 1891 und 1912 erarbeiteten Preußischen Neuaufnahme ist das Areal bereits als „Sport-Platz“ am Bonner Talweg in Kessenich eingezeichnet (vgl. Kartenansicht). Der 1905 gegründete und zeitweise bis zu 2.000 Mitglieder zählende Bonner Lawn-Tennis-Verein spielte hier Tennis. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Tennisplätze von amerikanischen Einheiten mit Raupenschleppern zerstört, später wurde die Anlage wieder aufgebaut (vgl. Nöller 1999 und www.bonn.de).
Die Kessenicher Radrennbahn
Über die nur kurze Zeit nach dem Ausbau der (Eis-)Sportflächen auf diesen erbaute Radrennbahn liegen nur wenige Nachrichten vor. Die 6 Meter breite und mit einem Ziegelmehl-/Sandgemisch bedeckte Bahn hatte eine Länge von 460 Metern und in den beiden steilen Kehren eine Kurvenüberhöhung von 45 Zentimetern.
Die Bonner Zeitung berichtet am 1. Mai 1890 von den Arbeiten beim Bau der Radrennbahn (zitiert nach zeit.punktNRW):
„Auch die Radfahrbahn geht ihrer Vollendung entgegen, und wenn diese seitens der Fahrlustigen mit besonderer Ungeduld erwartet wird, so ist zu bedenken, daß gut Ding Weile haben will. Man wollte nicht eine oberflächliche und oft reparaturbedürftige Bahn, sondern gleich etwas Ganzes schaffen, und hat deshalb ebensowenig Zeit wie Mühe und Kosten gescheut, um die ganz sportgerecht angelegte Bahn tief und stark zu fundamentiren; eine Maßregel, die sich mit der Zeit lohnen wird.“
Und nur drei Wochen später kann die selbe Zeitung am 22. Mai 1890 das Eröffnungsrennen für den 24. Mai ankündigen:
„Uebermorgen - Samstag - wird die Radfahrbahn des Bonner Eisclubs den Freunden dieses schönen Sports zur Benutzung übergeben werden. Nachdem die Ballspiele auf dem Eisplatz sich schon längst eingebürgert haben und bei günstigem Wetter täglich der jungen Welt Gelegenheit zur Bewegung im Freien bieten, wird mit der Eröffnung der Radfahrbahn ein weiterer Schritt geschehen, um die großen Anlagen des Bonner Eisplatzes auch für die Zeit des Sommers den Bewegungsspielen aller Art dienstbar zu machen. Die Radfahrbahn des Bonner Eisclubs hat sowohl in Hinsicht ihrer Ausdehnung als ihrer zweckmäßigen Herstellung nicht ihres Gleichen im ganzen deutschen Westen. Die Bahn zieht sich wie ein breites Band um den großen Eisplatz; sie besitzt eine Länge von 460 Metern und eine Breite von 6 Metern; ihre ziemlich mühsame und kostspielige Anlage ist mit Zuratheziehung aller bisherigen Erfahrungen in andern Städten erfolgt. Der Boden besteht aus einem Gemisch von Sand und Ziegelmehl. Diesem Boden wurde durch beständiges Walzen bei ununterbrochener Besprengung die nöthige Ebenmäßigkeit und Festigkeit gegeben. Außen um die Bahn läuft die 1-2 Meter höher gelegene Promenade, von der die Zuschauer einen freien Ueberblick über das weite Feld genießen. Das frische Grün des Dammrasens und die kräftig anwachsende Kastanien-Allee geben dem Sportplatze eine schöne Umrahmung. Es muß eine Lust sein, auf diesem ebenen und dabei doch elastischen Boden auf dem Velociped dahinzufahren! Selbst an den Kurven, welche einen Radius von 46 Metern und eine Steigerung von 45 Centimetern haben, ist der schnellste Lauf gestattet. Die Velocipedbahn des Bonner Eisclubs entspricht somit nach allen Hinsichten den höchsten Anforderungen.“
Im General Anzeiger vom 13. Juli 1912 wird das Programm der „V. Vaterländischen Festspiele in Bonn“ für Samstag und Sonntag, den 13. und 14. Juli und Sonntag den 21. Juli beworben. Neben zahlreichen Turn-, Fecht- und Ballsport-Wettkämpfen „in der Gronau“ sowie Schwimm- und Ruderwettbewerben auf dem Rhein, wird für den 14. Juli auch ein „Flieger-Rennen der Radfahrer auf dem Sportplatz (Reuterstraße)“ angekündigt. Bei einem Flieger- bzw. Steherrennen nutzen die Radrennfahrer den Windschatten eines knapp vorausfahrenden Motorrades und erzielen dadurch ein deutlich höheres Tempo.
Am 10. Mai 1925 kündigt der General Anzeiger einen an diesem Tag stattfindenden, vom Rad-Club „Diamant“ veranstalteten „Großkampftag“ mit einem „Flieger-Rennen, 2-Stunden-Rennen und Ausscheidungsrennen“ sowie einem großen Konzert an (vgl. Abb.).
In der Deutschen Rad- und Kraftfahrer-Zeitung findet sich zuletzt noch eine Rennausschreibung für den 18. April 1926. In zeitgenössischen Stadtplänen wird die Anlage in den Folgejahren als „Sport Platz“ ohne gesonderte Kenntlichmachung einer Radrennbahn ausgewiesen (vgl. landkartenarchiv.de, 1926 und 1930).
Im Internationalen Radsportarchiv werden für Bonn - leider ohne vertiefende Angaben - die folgenden Radrennbahnen angeführt (www.radsportarchiv.de):
- eine „Radrennbahn am Venusberg“ (ohne Bestandsdatum, möglicherweise ein Teil des in der Preußischen Neuaufnahme eingezeichneten Sportplatzes An der Casselruhe / Hauweg),
- eine „Radrennbahn Bonn, 1894“,
- eine „Radrennbahn am Bonner Sportplatz, 1902“ (offenbar die hier behandelte Bahn), und
- eine „Radrennbahn Heinrichs-Schneiders-Bahn, 1927“ (die Bahn im früheren Poststadion).
Die einstige Kessenicher Radrennbahn ist heute verschwunden, vor Ort ist einzig noch die frühere Südkurve in ihrer Struktur erkennbar. Im Digitalen Geländemodell (DGM, vgl. Abb.) ist die südliche Kurve in Resten erkennbar und die Struktur der Umrandung erhalten. Dieser Bereich ist daher auch besonders schützenswert aus bodendenkmalpflegerischer Sicht.
(Jost Mergen, LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland, 2023 / Franz-Josef Knöchel, Digitales Kulturerbe LVR, 2023)
Quellen
Historische Zeitungen im Zeitungsportal zeit.punktNRW, online unter zeitpunkt.nrw (abgerufen 08.11.2023).
Internet
www.radsportarchiv.de: Internationales Radsportarchiv, dort: Suche nach Bahnen (abgerufen 07.11.2023)
www.bonn.de: Zeitfenster Januar 2023: Bonner Wintersport um die Jahrhundertwende (abgerufen 07.11.2023)
stadtplan.bonn.de: Luftbild 1930 (abgerufen 08.11.2023)
landkartenarchiv.de: Stadtplan von Bonn 1:11.000, Februar 1926 (abgerufen 09.11.2023)
landkartenarchiv.de: Stadtplan von Bonn 1:20.000, 1930 (abgerufen 09.11.2023)
www.hausderjugendbonn.de: Haus der Jugend Bonn (abgerufen 08.11.2023)
de.wikipedia.org: Haus der Jugend Bonn (abgerufen 08.11.2023)