Schloss Schaumburg in Balduinstein

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Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege
Gemeinde(n): Balduinstein
Kreis(e): Rhein-Lahn-Kreis
Bundesland: Rheinland-Pfalz
Koordinate WGS84 50° 20′ 21,53″ N: 7° 58′ 41,81″ O 50,33931°N: 7,97828°O
Koordinate UTM 32.427.293,63 m: 5.576.857,35 m
Koordinate Gauss/Krüger 3.427.339,49 m: 5.578.648,58 m
  • Die Lahn in Balduinstein mit Blick auf Schloss Schaumburg (2020)

    Die Lahn in Balduinstein mit Blick auf Schloss Schaumburg (2020)

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    Karl Peter Wiemer
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  • Schloss Schaumburg von Westen (2013)

    Schloss Schaumburg von Westen (2013)

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Im hohen Mittelalter wurde südöstlich der später entstandenen Ortschaft Balduinstein die „Schouwenburg“ errichtet. Die 1197 erstmals urkundlich erwähnte Burg liegt auf einem devonischen Basaltkegel mit gemäßigt ansteigender Ostflanke und nach den anderen Himmelsrichtungen steil abfallenden Hängen. Wie das noch aus der frühen Bauzeit erhaltene Mauerwerk erkennen lässt, dienten die in der Umgebung reichlich vorhandenen Natursteinvorkommen als Baumaterial: devonischer Massenkalk, Schalstein, Basalt und Schiefer. Die gleichen Gesteinsarten fanden über Jahrhunderte hinweg auch bei zahlreichen Umbauten Verwendung, in deren späterem Verlauf die Burg mehr und mehr zum Schloss umgestaltet wurde.

Die Schlosskapelle, um 1802
Lahnmarmor wurde auf Schaumburg erstmals um 1802 beim Umbau des südöstlichen Gebäudetrakts zur klassizistischen Schlosskapelle verwendet. Dort ist der gesamte Boden des um drei Stufen erhöhten Chorraums einschließlich der Stufen selbst mit poliertem schwarzem Lahnmarmor belegt. Ebenso besteht der wohl wesentlich später hinzugefügte, fast würfelförmige Altar aus Platten schwarzen Lahnmarmors.

Der düstere Bodenbelag des Chorraums ist ein wesentlicher Faktor zum Erzielen eines gravitätischen, feierlichen Raumeindrucks. Dazu trägt auch die Imitation von Lahnmarmor an anderen Stellen bei: Jeweils zwei eckige, kanellierte Säulen unter der Orgel- und der Besucherempore und der Unterbau der Kanzel sind mit bemaltem Holz verkleidet. Die Bemalung imitiert das charakteristische Erscheinungsbild rötlicher Lahnmarmorsorten, wie Unica oder Bongard.

Die Umbauten durch Erzherzog Stephan, ab 1850
Ende des Jahres 1848 nahm der in Ungnade gefallene Palatin von Ungarn, Erzherzog Stephan (1817-1867), Residenz auf Schloss Schaumburg. Kurz danach begannen die umfangreichsten Um- und Erweiterungsbauten in der Geschichte des Schlosses. In der intensiven Bauphase zwischen 1850 und 1857 entstanden unter anderem der längliche Stephansbau und der große achteckige Turm im Stil der englischen Tudorgotik. Durch ihre Größe und ihre dunkle, mit Basalt verkleidete Außenhaut prägen diese Bauwerke das heutige Bild des Schlosses. Ein großer Teil der älteren Schlossgebäude erhielt wenig später zur Angleichung an das Äußere der damaligen Neubauten ebenfalls neue Basaltfassaden im Tudorstil.

Der Bibliothekssaal, 1852-1857
Mit Anklängen an den Tudorstil ließ Stephan zwischen 1852 und 1857 auch den Bibliothekssaal im Obergeschoss des Alten Baus umgestalten, der zuvor als Speisesaal gedient hatte. Die neue Bibliothek wurde umlaufend mit fest installierten, vom Boden bis zur Decke reichenden Wandschränken mit Eichenholztüren ausgestattet. In direkter Fortsetzung dieser Einbauten erhielt die Decke eine aus hölzernen Profilleisten bestehende, dekorative Netzstruktur. Sie erinnert an die prachtvollen Gewölbedecken englischer Kirchen des 15./16. Jahrhunderts.

Ein wichtiger gestalterischer Faktor war die Belegung der gut 82 m2 umfassenden Bodenfläche mit Lahnmarmorplatten aus der Nassauischen Marmorfabrik des Diezer Zuchthauses. Seit ihrem Umzug von Weilburg ins Diezer Grafenschloss im Jahr 1811 hatte sich diese Werkstätte rasch zum größten Produzenten von Artikeln aus Lahnmarmor entwickelt. Neben Einzel- und Sonderanfertigungen bot sie ein Sortiment an Standardprodukten, wie Fußbodenplatten, Treppenstufen, Säulen, Fenstergewänden, Brunnen oder Taufsteinen in unterschiedlichen Lahnmarmor- und Marmorsorten als Katalogware an. Aus einem solchen, im März 1852 eingereichten Katalog wählte Erzherzog Stephan die Platten für den Bibliotheksboden aus. Die Verlegung wurde bis 1857 ausgeführt. Auf der rechteckigen Hauptfläche sind 41,5 x 41,5 cm große Platten diagonal verlegt, in den großen östlichen Fensternischen solche von 28,8 x 28,8 cm. Gewählt wurden mehrere dunkle Lahnmarmorsorten in achsensymmetrischer Anordnung. Die Böden der beiden kleinen westlichen Fensternischen haben in der Mitte eine einzelne, diagonal verlegte quadratische Platte mit passend zugeschnittener Rahmung. In die Platten sind die Jahreszahlen 1854 bzw. 1857 eingeschlagen.

Der Marstall, 1854-1855
Zeitlich überschneidend mit der Einrichtung der Bibliothek vollzog sich der Innenausbau des Marstalls im Untergeschoss des Stephansbaus. Mit dreischiffig aufgeteilten, gleichhohen Kreuzgratgewölben auf gusseisernen Säulen und Konsolen gleicht die Struktur des Marstalls dem „gebundene System“ einer Hallenkirche. Mithilfe von Rahmenkonstruktionen aus Gusseisen und Eichenbohlen wurden die Gewölbejoche der Seitenschiffe zu Pferdeboxen ausgebaut. An den Wänden sind sie oberhalb einer Eichenbohlenverkleidung mit poliertem, grauem Lahnmarmor vertäfelt, den wieder die Diezer Zuchthausfabrik lieferte. Im Unterschied zu den Bodenplatten der Bibliothek handelt es sich dabei nicht um vorgefertigte Katalogware, sondern um passgenaue Sonderanfertigungen. Der regelmäßig gegliederte marmorne Wandablauf aus 60 mm und 110 mm starken Platten gliedert sich entsprechend der Abfolge der Joche. In die Mitte jedes Wandabschnitts ist unterhalb der marmornen Fläche wurde jeweils eine hervorstehende muschelförmige Krippe zum Tränken der Pferde montiert.

Ein Vertrag vom Juli 1854 regelte Art und Ausführung der Lahnmarmorarbeiten. Namentlicher Vertragspartner auf Seiten der Marmorfabrik war der dort beschäftigte Bildhauer Franz Schneider. Im Dezember des folgenden Jahres waren die Arbeiten im Marstall weitgehend abgeschlossen.

Ebenso wie in der Schlosskapelle und der Bibliothek hatte der Lahnmarmor im Marstall nicht nur eine praktische Funktion. Er war auch Teil eines ästhetischen Konzepts zur Schaffung einer feierlichen, würdevollen Atmosphäre, mit der die endgültige Verwandlung der alten Burg zum vornehmen Schloss greifbar wurde. Für Erzherzog Stephan als Exilanten bedeutete die Verwendung des Lahnmarmors überdies eine sichtbare Identifikation mit seiner neuen Heimat. Sie kam unter anderem darin zum Ausdruck, dass er generell versuchte, Aufträge für Bauarbeiten und Materiallieferungen an Anbieter aus dem Herzogtum Nassau zu vergeben.

Heutige Situation
Nach langer Zeit der Verwahrlosung wird Schloss Schaumburg seit einigen Jahren einer gründlichen, von der Landesdenkmalpflege begleiteten Sanierung und Restaurierung unterzogen. Sie vollzieht sich in einzelnen Abschnitten. Ziel ist es, die erhaltene Substanz des Schlosses zu bewahren und die einzelnen Gebäudeteile neuen, den Bestand schonenden Verwendungen zuzuführen. In der bereits restaurierten Schlosskapelle finden schon seit geraumer Zeit Trauungen statt. Der Marstall wird derzeit zur Nutzung als Café vorbereitet und die Bibliothek wird Bestandteil sowohl eines noch einzurichtenden Schaumburg-Museums als auch eines zukünftigen Internationalen Weinhandelszentrums. Die Ausstattung aus Lahnmarmor ist in allen drei Räumen noch vollständig und in gutem Zustand erhalten.

Lahn-Marmor-Route
Dieses Objekt ist Teil der Lahn-Marmor-Route von Wetzlar nach Balduinstein.

(Alfred Meurer, Leiter der Museen Grafenschloss und Nassau-Oranien in Diez, 2021)

Internet
www.eventsimschloss.de: Schloss Schaumburg - Geschichte (abgerufen 10.08.2021)

Schloss Schaumburg in Balduinstein

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
Schloss Schaumburg
Ort
65558 Balduinstein
Fachsicht(en)
Kulturlandschaftspflege
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Literaturauswertung, Geländebegehung/-kartierung
Historischer Zeitraum
Beginn 1197

Empfohlene Zitierweise

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Empfohlene Zitierweise
Alfred Meurer, Leiter der Museen Grafenschloss und Nassau-Oranien in Diez: „Schloss Schaumburg in Balduinstein”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-341984 (Abgerufen: 26. April 2024)
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